Ist die homoerotische Phase, wenn es eine gibt, wirklich so stark ausgeprägt?

5 Antworten

Ob es eine Phase gibt, weiß ich nicht, ich habe nie eine gehabt.

Es gibt aber Bisexualität, die sich auch darin äußern kann, in zeitlich hintereinander liegenden Abschnitten entweder mehr als gleichgeschlechtlichen oder gegengeschlechtlichen Kontakten interessiert zu sein. Möglicherweise liegt das bei Dir vor.

Es kann bei Dir aber auch eine frühe Phase des Coming Out zu einem schwulen Mann sein. Deine Schilderungen sind jedenfalls nicht untypisch.

Unabhängig davon musst Du selber entscheiden, wie Du Dein Leben gestalten willst. Niemand zwingt Dich dazu, schwul zu sein. Wenn Du es nicht willst, musst Du eben Kontakt zu Mädchen suchen. Ob Dich diese Kontakte befriedigen, weiß ich nicht. Möglicherweise hast Du auch zu hohe Erwartungen an die Liebe. Und das Leben ist nun mal kein Ponyhof.

Ob Du ggf. glücklich mit einer Frau verheiratet und Kinder und daneben einen Freund für Sex auf die Reihe bekommst, kann ich nicht vorhersagen.

Sich als schwul oder lesbisch zu definieren ist ein Prozess. Dieser Prozess dauert seine Zeit. Meistens gehört dazu auch das reale Ausleben seiner Sexualität. Manche probieren beide Seiten, hetero und homosexuellen Sex aus. Manche erlaubes es sich nicht. Manche hassen sich selbst dafür.

Aber eigentlich ist es so, dass man sich irgendwann verliebt und Liebe empfindet. Wenn man Glück hat, dann wird diese erwiedert und die Sexualität passt und fühlt sich genauso an, wie man es sich wünscht. Und dann kann man sich schon ziemlich sicher sein und hasst sich auch nicht oft nicht mehr. Weil etwas so schönes nicht schlimm sein kann.

Es gibt natürlich auch Menschen, die ihre Sexualität und ihre Wünsche, von dem "normalen " Leben trennen. Hier die Ehefrau und Kind. Dort der Autobahnparkplatz und der schnelle Sex mit Männern. Gibt es alles.

Lass dir einfach Zeit für den Prozess. Schaue dir alles an. Denke über alles nach. Sei offen für das was kommt. Und verurteile dich nicht, falls du schwul bist oder wirst.

Deine Kernaussage ist: Ich habe Angst.

Das führt nirgends hin. Du bist schwul oder du bist es nicht. Deine Angst ändert nichts, erklärt nichts, erhellt nichts. Sie ist einfach nur ein Störfaktor.

Es gibt Jungs, die quälen sich mit der Frage bis sie 30 sind, und das Leben zieht derweil an ihnen vorbei.

Warum willst du nicht schwul sein? Möchtest du auch keine blonden Haare haben? Nicht Linkshänder sein? Keine Sommersprossen haben?

Aber alles, was du bist, ist Teil deiner Persönlichkeit, und ich rede jetzt nicht vom Wunsch, Ladendiebstähle zu begehen.

Wenn du nicht akzeptieren kannst, dass du der bist, der du schon immer warst, hast du einen recht schweren Weg vor dir, das kann ich dir versichern.

Im übrigen: Erwachsen werden ist immer ein steiniger Weg, braucht Zeit, Geduld.

Mal gucken, wo du in einem Jahr stehst. Mach deine Erfahrungen.

Im Moment bist du verliebt, verliebt in die Vorstellung, ein Normalo zu werden, mit Frau und Kind und Haus und Hund und Garten und Auto und Ferien und und und. Diese Vorstellung mag in Ordnung sein, bis auf eine klitzekleine "Sache": Die Frau...

PS: Das mit der Phase ist in 9 von 10 Fällen nichts als eine Ausrede, Feigheit vor dem Leben. Zähle nicht darauf, dass gerade du der eine von 10 bist, die Wahrscheinlichkeit tendiert bei deiner Schilderung m.E. gegen Null.

Was soll's, bei mir war es umgekehrt. Hab bis ich über 20 war mir selbst nicht eingestanden auch auf Männer zu stehen bis mich dann einer bei nem Treffen, das ich für rein freundschaftlich hielt, verführte.

Zum Nachdenken was das nun war und für mich bedeutete kam ich erst nachdem wir so ziemlich Alles getan hatten was man da tun kann (auch Küssen) xD

Laß dir Zeit und mach dir keinen Streß, wirst schon noch rausfinden was du willst.

Hallo PhillippS,

danke schon mal für die ausführliche Frage, da kann man spezifischer drauf eingehen, als auf kurze Zweizeiler.

Ich verstehe deine Situation so: Du bist 15, findest muskulöse Jungs attraktiv, bei Mädchen bist du dir nicht so sicher, kannst dir mit Jungs aber keine Liebe und Romantik vorstellen und vor allem möchtest du nicht schwul sein, und fragst dich, ob es sowas wie homoerotische Phasen gibt, die vielleicht sogar heteroerotische Gefühle unterdrücken.

Dazu erst mal: Die menschliche Sexualität ist Vielfältiig und hochindividuell, deswegen fällt es schwer, von einem auf den anderen Fall zu schließen.

Ich kann dir praktisch nur davon berichten, wie es mir in dem Alter ging, und was ich aus Gesprächen mit anderen Schwulen mitbekommen habe.

Also: So wie du deine Situation beschrieben hast, das kam mir sehr, sehr bekannt vor, da ich mich in diesem Alter genauso gefühlt habe. Ich fand Männer (damals gleichaltrige oder leicht ältere Jungs) attraktiv, wenn sie muskulös und sportlich waren, konnte mit Mädchen in der Hinsicht nichts anfangen (was nicht heißt, dass ich nicht viele gute Freundinnen hatte), konnte mir niemals vorstellen, schwul zu sein und hab mich auch auf ein typisches Leben mit Frau und Kindern eingestellt. Die Vorstellung schwul zu sein, war für mich der Horror, allein den Gedanken hab ich nie richtig an mich herangelassen. Ich hab jedesmal, wenn irgendwo ein Gespräch auf Schwule kam, einen schweren Klumpen im Bauch vor Angst bekommen und hab sogar eine Freundin über viele Jahre gehabt. Ich hätte mir nie, wie du, vorstellen können, einen Jungen zu küssen oder zu lieben. Aber begehren und sexy finden - das schon...

Das ist jetzt schon über zehn Jahre her, ich bin mittlerweile geoutet, habe einen Mann geheiratet, den ich über alles Liebe und mit dem ich meinen Lebensabend verbringen möchte, meine Freunde und Familie wissen es und haben kein Problem damit und ich denke öfter daran, wie viel Stress und Angst ich mir in der Jugend hätte ersparen können, wenn ich die Welt damals schon aus den Augen von heute gesehen hätte.

Aus meiner Erfahrung, und auch aus der eines jeden Schwulen (und auch Bi- sowie Heterosexuellen), mit dem ich je darüber gesprochen habe gibt es sowas wie "Phasen" nicht! Deine Sexualität ist ein Bestandteil der Programmierung deines Gehirns, sie ist ein Merkmal deines Körpers wie dein Fingerabdruck, und der hat auch keine Phasen.

Alles, was einem als Mensch übrig bleibt, ist es, seine Sexualität zu erkennen, und einen Umgang damit zu finden. Wenn du dich ein wenig mit Geisteswissenschaften auseinandersetzt (habe ich studiert), dann lernt man als erstes, dass der Erwachsene Mensch ein Produkt von drei Prozessen ist: Bildung, Erziehung und Sozialisation.

Sozialisation heißt: das was dein Umfeld dir aktiv und passiv mitgibt, deine Mechanismen, mit denen du lernst dich in bestimmten Situationen zu verhalten. Erziehung ist, wenn andere festlegen, welche Grundsätze sie dir mit auf den Weg geben können. Allein die Bildung ist der Prozess, bei dem du dich selbst mit dir und der Welt auseinandersetzt - auch wenn das hiesige Schulsystem Bildung im Sinne von Auswendiglernen versteht - eigentlich geht es vielmehr um die Fähigkeit, die Welt verstehen zu lernen.

Du bist 15 Jahre. Du hast Angst Schwul zu sein und kannst es dir nicht einmal vorstellen. Woher kommt das? Natürlich, weil Schwul-Sein kein Lebensentwurf ist, den man bis zu dem Alter gelernt hat, das konntest du noch nicht! Deine Eltern werden dich garantiert nicht schwul erzogen haben, gerade in deinem Alter wird dein Umfeld auch kein offen-schwulenfreundliches sein und welche Möglichkeit hast du hinsichtlich der Bildung bisher gehabt, dich mit dem Thema auseinanderzusetzen? Keine! Das geschieht genau jetzt, in dem Moment, wo du beginnst, zu hinterfragen!

Es ist als junger Mensch nicht leicht zu akzeptieren, dass man schwul ist. Es passt einfach in keines der Bilder, die man sich vom Leben gemacht hat. Man kann es sich einfach nicht vorstellen. Und man kann sich auch nicht vorstellen, einen Mann zu lieben.

Mir ging es damals genauso, und weil ich mir das nicht vorstellen konnte und aber nicht allein sein wollte, hatte ich lange eine Freundin, obwohl mir schon klar war, dass ich Männer attraktiv finde.

Irgendwann mit 23 hab ich dann einen Mann getroffen und mich verliebt. In dem Moment, wo ich wusste, wie sich Liebe anfühlt, war mir dann auch klar, dass ich schwul bin. Denn dann wusste ich, was liebe heißt, und dass das, was meine Freundin und ich hatten, zwar schön war, aber keine Liebe. Den Rest der Geschichte erspar ich dir mal jetzt, aber im Endeffekt:

Wenn du schon weißt dass du auf Männer stehst und nicht auf Frauen, dann akzeptiere es als das was es ist. Es wird sich nicht ändern. Nur weil du noch nicht weißt, was Liebe heißt, heißt das nicht, dass sie dich nicht finden wirst. Du wirst lernen, damit umzugehen und feststellen, das alles halb so wild ist.

Grüße!

Jersinia  12.01.2020, 17:41

Tolle ausführliche Antwort.

Solche Antworten geben mir den Glauben an den Zweck von GF.net zurück.

Danke.

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