Gesamtschule? was wieso warum?

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Ich komme aus einer Region, wo es ganz früh Gesamtschulen gab, seit 1973, ich selbst habe selbige ab 1975 besucht und dort mein Abi gemacht. Die Grundidee der Gesamtschule ist die, dass man Kinder nicht schon nach der 4. Klasse nach Leistung trennen sollte, weil die Leistung sich noch entwickelt und schwanken kann.

Nehmen wir mal an, ein Kind hat die Noten im Prinzip fürs Gymnasium, aber leider nicht konstant. Schickt man das Kind ins Gymnasium, kann es sein, dass es mit dem deutlich steigenden Druck nicht klar kommt und zur Realschule muss. Neue Klasse, neues Umfeld, das Kind fühlt sich bestraft und fällt weiter ab. Schickt man sie hingegen auf die Realschule, dann stabilisieren sich die Leistungen vielleicht und sie will doch eher Abi machen. Das ist zwar möglich, ist aber schon eine Kraftanstrengung und erfordert viel Eigeninitiative und Willen. Und 8 von 10 Kindern lassen es dann lieber.

In der Gesamtschule ist das anders. Kein Wechsel ist notwendig, man hat die nächsten 2 Jahre zusammen Unterricht, dann wird man ab der 7. Klasse in den Hauptfächern geteilt in verschiedene Gruppen. Man kann nach der 9. Klasse gehen, nach der 10. oder auch mit Abi. Die Gesamtschule hat einen sehr hohen Prozentsatz an Kindern ohne Gymnasialempfehlung, die mit Abi die Schule verlassen, das kann keine andere Schulform vorweisen. Und sie hat eben vor allem für solche weniger konstante Zwischenkinder Vorteile.

Von daher denke ich, auch in Bayern sollte es Gesamtschulen geben, es muss ja nicht jeder nutzen, der es nicht will.

Die Verfechter der Gesamtschule argumentieren vor allem mit mehr Bildungsgerechtigkeit. In der Tat bescheinigen vor allem internationale Studien immer wieder, dass Deutschland die geringste Durchlässigkeit in seinem Schulsystem hat und Abeiter- sowie Migrationskinder stark benachteiligt sind.

Um mehr Gerechtigkeit und Duchlässigkeit herzustellen bedarf es jedoch keiner Gesamtschule, sondern einfach eines gerechteren Systems. Man könnte z.B. eine bundesweite Zentralprüfung für den mittleren Schulabschluss einführen, der für alle Schüler aller Schulformen, die zu diesem Abschluss führen, verbindlich wäre. Im Ergebnis wird nur einer bestimmten Quote (z.B. 35 % der Besten), die Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe zuerkannt. Die Ergebnisse der jeweiligen Schulen würden dann verbindlich im Internet veröffentlicht, so dass die Schulen auch untereinander konkurrieren müssen.

Ich schätze mal, bei sowas wird aber die starke Lobby des deutschen Bildungsbürgertums und vor allem der Philogenverband nicht mitmachen, allein um den eigenen Nachwuchs nicht zu gefährden. Immerhin stammen nach neuesten Zahlen ca. 80 der Schüler am Gymnasium aus Akademikerfamilien. Es kann auch sein, dass bereits G8 der Versuch ist, derartigen Forderungen, die ja nahe liegen, vorn vornherein entgegenzuwirken.

Gesamtschule hat sowohl Mittelschüler, Realschüler und Gymnasiasten .. Jedenfalls in der Theorie.

Es sieht aber in der Regle so aus, dass die, die eine Gymnasialempfehlung haben, aufs Gymnasium gehen, die mit der für die Realschule auf selbige. So wird die Gesamtschule nichts weiter als ein Sammelbecken für alle, die es in diese beiden Schulzweige geschafft haben. Zu dem finden sich in den Gesamtschulen oftmals Schüler mit Migrationshintergrund (nicht integrierte) und aus sozial niedrigeren Schichten wieder. Dem entsprechend gibt es an solchen Schulen oftmals nicht nur Probleme hinsichtlich der Bildungsvermittlung, sondern auch in der Sozialisierung.

In Gesamtschulen können theoretisch Mittel-/Hauptschüler auch ein Abitur machen. Da das ja in Bayern ohnehin über verschiedene Weg möglich wäre, ist das Schwachsinn. Und ich kenne keinen (komme ursprünglich nicht aus Bayern) Gesamtschüler, der jemals ein Abitur auf diesem Schulzweig abgelegt hat.