Fußgänger Autoaufprall?

3 Antworten

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Am Ende geht es um Beschleunigungen. Je heftiger die wirkenden Beschleunigungen, desto schwerer die Verletzungen. Wie heftig die Beschleunigung ist, hängt davon ab über welche Strecke und auf welche Geschwindigkeit beschleunigt wird.

Wenn wir mal die Geschwindigkeit als fix annehmen, dann kommt es schlichtweg darauf an, über welche Strecke beschleunigt wird. Sprich: Gibt das Material unterm Kopf nach und verlängert dadurch die Beschleunigungsstrecke, oder gleibt es stabil und nimmt den Kopf wirklich schon in der allerersten tausendstel Sekunde voll mit.

So, und Autoblech ist an den Stellen, wo keine tragenden Elemente drunter sind, ganz schön dünn. Bei den meisten modernen Autos kannst du das Türblech oder das Dachblech mit der Hand sichtbar eindrücken. Eine Windschutzscheibe oder ein Panoramadach nicht. Also sind beim dünnen Blech weniger schlimme Verletzungen zu erwarten, weil es mehr nachgibt und dementsprechend die Beschleunigung weniger heftig ist. Dummerweise ist die vordere Dachkante ein strukturell verstärktes Teil des Autos. Sprich, da ist ein stabiler Querholm unter dem dünnen Blech, der verhindert dass dieses allzu weit nachgibt.

Und selbst wenn: 100 km/h sind so viel, da hilft es auch nicht mehr wenn das Blech beim Aufprall 10 cm nachgeben kann. Ergibt trotzdem eine Beschleunigung von über 3600 m/s², tödlich sind ca. 1000. Um da drunter zu kommen, müsste das Blech wenigstens 36 cm nachgeben.

Glas ist dann von Vorteil, wenn der aufprallende Kopf durchschlägt und sich das Verbundglas verformt (mehr als das Blech verformen würde) oder das einfache Glas splittert und dann gar keine Wirkung mehr hat (quasi eine Verformung bis in den Innenraum des Autos).

Dann ist ein Thema, ob der Mensch vielleicht schon an den Beinen und am Torso von der Stoßstange und der Motorhaube beschleunigt wird, sodass der Kopf gar nicht mehr mit so großer Beschleunigung (kleinere Geschwindigkeitsdifferenz) auf der Windschutzscheibe bzw. dem Dach aufschlägt. Gut für den Kopf, schlecht für die anderen Körperteile: das Becken z.B. mag einen Seitenaufprall überhaupt nicht und es drohen lebensgefährliche innere Blutungen bei einem Bruch. Ist aber für einen guten Rettungsdienst durchaus soweit beherrschbar. Die gebrochenen Beine und das gebrochene Becken, die den Menschen umbringen wenn ihm nicht geholfen wird, retten ihm ggf. das Leben weil der Kopf nicht katastrophal verletzt wird.


Andy097 
Fragesteller
 22.05.2024, 20:10

Vielen Dank für deine sehr ausführliche und erklärende Antwort!

Um es richtig zu verstehen ist ein herkömmliches Blechdach also „gefährlicher“ als ein Panoramadach mit Verbundglas?

LG

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Andy097 
Fragesteller
 22.05.2024, 20:23
@Andy097

Bzw. würde Verbundglas bei 3600m/s2 zerstört werden?

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RedPanther  23.05.2024, 09:25
@Andy097
Um es richtig zu verstehen ist ein herkömmliches Blechdach also „gefährlicher“ als ein Panoramadach mit Verbundglas?

Jaein. Die beste Chance für den Fußgänger besteht immer noch darin, dass er gar nicht so hoch beschleunigt wird. Das heißt aber ggf., dass der Aufprall sanft genug ist, dass das Glas heil bleibt wo sich das Blech verformt. In dem Rahmen ist das Blech sicherer.

Bzw. würde Verbundglas bei 3600m/s2 zerstört werden?

Ja. Mit guten Chancen reißt sogar die Folie und es gibt ein Loch. Das ist eine extreme Gewalteinwirung. Das ist ein Aufprall, bei dem es für den Fußgänger keinen Unterschied mehr macht: Es gibt nicht "ein Bisschen tot" und "etwas schlimmer tot".

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Ich glaube, wenn das Opfer schließlich auf dem Dach landet, ist das Schlimmste schon geschehen. Aber ich würde es vorziehen, auf ein Blechdach zu fallen. Das Blech ist meist unter 1mm dick und kann den Aufprall besser abfedern als ein Glasdach.

die Dachkante wäre trotzdem da, schon aus Stabilitätsgründen.