Freuds Einfluss auf die Literatur?

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Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Nach meinem Eindruck hat Sigmund Freud – gemeinsamen mit anderen „Denkern des Unbewussten“ – das große Verdienst,  uns dem angemessenen menschlichen Maß näher gebracht zu haben.

Der Mensch erlebte sich lange als Krone der Schöpfung.  Die Kopernikanische Wende brachte das alte Weltbild mit der menschlichen Welt im Mittelpunkt zum Einsturz.

Darwins Lehre vom „Ursprung der Arten“ war ein weiterer  gewaltiger Angriff auf menschliche Allmachtsvorstellungen.Der Menschen Tieren nahe verwandt? Die „Kreationisten“ können diese Zumutung  noch heute nicht verkraften.

 Blieb noch die Überlegenheit und Autonomie des menschlichen Geistes gegenüber seinen „niederen Trieben“.  Man mag über die verschiedenen Trieblehren  Sigmund Freuds streiten;  es bleibt nach meinem Eindruck aber seine überragende Leistung, aufgezeigt zu haben, dass unser  Seelenleben  bis hin zu den sublimen Errungenschaften des menschlichen Geistes vom unbewusstem Triebgeschehen beeinflusst wird.

Aus heutiger Sicht bedaure ich, dass Freud  sich nicht mit C.G. Jung um eine psychoanalytische Theorie bemühte, die auch kulturgeschichtlichen und spirituellen Ansätze berücksichtigt hätte.

Aber Autoren wie Erich Fromm wollten ja auch noch etwas zu tun haben…

 

 

Thatbraine 
Fragesteller
 05.03.2017, 23:39

Danke für die Antwort. Du scheinst dich gut auszukennen. Ich hätte da aber noch eine Frage: Laut Freud verfügt das Ich, beim Psychischen Apparat, über willkürliche Bewegungen. Einerseits wird also in seinem Instanzenmodell beschrieben, dass das Ich den Anforderungen des Es und Über-Ichs genügen muss. Andererseits heißt es das die Triebe (die das Es ausmachen) Alleinherrscher der Seele sind und der Mensch somit triebgesteuert bzw. determiniert ist. Ich kann das nicht ganz vereinen. Kannst du mir das vielleicht helfen?

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Pescatori  06.03.2017, 10:47
@Thatbraine

Vielen Dank für Deine interessante Frage!

Ich glaube, dieser Widerspruch ist unabänderlicher widersprüchlicher Teil seines Modells von der menschlichen Seele.

Er bringt nach meinem laienhaften Eindruck die erkenntnistheoretische Spannung seiner Zeit zum Ausdruck.

Freud hielt sich doch wohl für einen Naturwissenschaftler,
der den materiellen Grund des Seelischen aufspüren wollte und hat sich aber sehr erfolgreich als „verstehender“ Geisteswissenschaftler betätigt. Habermas hat dafür den schönen Ausdruck vom „szientischem Selbstmissverständnis« geprägt.

https://siegfriedzepf.de/static/uploads/original/84/c2/psychoanalyse_als_naturwissenschaft_uberlegungen_zu_freuds_szientischem_selbstmissverstandnis1.pdf

Dieser gewaltigen Frage nach dem Verhältnis von ICH –
ÜBER-ICH – ES versucht mein kleines „ich„ durch  Meditationspraxis und einem bescheidenen Rekurs auf asiatische Denk- und Erlebnisweisen beizukommen:

Diese Instanzen des psychischen Apparats sind für mich ein unentwirrbares Gespinst an Impulsen, die nur dann ein „weltangemessenes“ Handeln hervorbringen, wenn ich im Identitätserleben mit meiner Welt, mit meiner umgreifenden Einfühlung das tue, was (Verzeihung) das „Sein“ geschehen lässt.

Natürlich wird uns ein solches In-Der-Welt-Sein selten
geschenkt. Normal ist der Kampf zwischen meinem ES und meinem ICH – und verschärfend macht sich dann noch das ÜBERICH bemerkbar.

Leider müssen wir zur Kenntnis nehmen, wie wir mit der
Verselbstständigung des ICHs unsere Existenzgrundlagen zerstören.

Und was mit einem verabsolutierten ÜBERICH in unserer Zeit des religiösen Wahns geschieht, ist angsterregend.

Sanft auf die Impulse des ES zu lauschen kann nicht schaden!

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