Frage: Griechische Mythologie; Zeus und Hera sind ja zusammen, aber auch Geschwister: War das damals vertretbar, also "Geschwisterliebe"?

4 Antworten

Götter durften das.

Götter durften ALLES. Insbesondere, wenn sie Zeus hießen. Im Götterhimmel herrschte sexuelle Freizügigkeit.

Gruß, earnest

1) Frage der mythologischen Richtigkeit

Zeus und Hera sind in der griechischen Mythologie Geschwister/Bruder und Schwester (Kinder der Gottheiten Kronos und Rhea/Rheia).

Geschwisterehe und geschlechtliche Verbindung/Sex von Geschwistern kommen bei den Gottheiten der griechischen Mythologie mehrfach vor.

Ehen/Verbindungen von Geschwistern gibt es z. B. bei den Titanen Hyperion und Theia, Koios und Phoibe, Okeanos und Tethys, Kronos und Rhea/Rheia.Zeus hat seine Schwester Hera als Ehefrau. Daneben hat er zahlreiche Liebschaften und eine große Anzahl an Kindern, darunter mit seiner Cousine Leto die Gottheiten Apollon und Artemis, mit seiner Schwester Demeter die Göttin Persephone, nach einer (orphischen) mythologischen Fassung auch Zagreus von seiner Tochter Persephone.

Inzest gibt es schon sehr früh im Götterstammbaum: Die Göttin Gaia hat Kinder von ihrem Sohn Uranos/Ouranos (Οὐρανός).

2) Frage der Vertretbarkeit und Erklärung

Bei Gottheiten galt dies den meisten Griechen der Antike als vertretbar.

Sie werden für höhere Wesen gehalten, für die in dieser Hinsicht besondere Bedingungen gelten.Wenn angenommen wird, Gottheiten entstünden durch Zeugung und Geburt, und eine Einheit und ein gemeinsamer Ursprung der Gottheiten bevorzugt wird, bleibt zu Anfang gar nichts anderes übrig als Verbindungen von nahen Verwandten.

Zeus hätte zu Anfang außer Schwestern noch Cousinen ersten Grades, Tanten und eine Großmutter zur Auswahl gehabt.

Zu der Erlaubtheit gibt es eine lateinische Redensart mit Bezug auf Jupiter (lateinisch: Iuppiter; römische Entsprechung zu Zeus):

quod licet Iovi, non licet bovi. „Was Jupiter erlaubt ist, ist einem Ochsen/Rindvieh nicht erlaubt.“

Gebildet ist diese Redensart anscheinend nach Seneca, Hercules furens 489 – 490, wo auch ein König in einer bestimmten Hinsicht eine Sonderstellung wie ein Gott beansprucht:

quod Iovi, hoc regi licet: Iovi dedisti coniugem, regi dabis. „Was Jupiter erlaubt ist, das ist einem König erlaubt: Du hast Jupiter eine Gattin gegeben, du wirst deinem König eine Gattin geben.“

Oder Terenz, Heautontimorumenos797 ist als Muster genommen worden:

aliis si licet, tibi non licet. „Wenn es anderen erlaubt ist, ist es dir [deswegen noch lange] nicht erlaubt.“

Einschlägig ist auch die Redensart:

duo cum faciunt idem, non est idem. „Wenn zwei dasselbe tun, ist es nicht dasselbe.“

Gebildet ist dies nach Terenz, Adelphoe 823 – 825:

duo quom idem faciunt, saepe ut possis dicere `hoc licet inpune facere huic, illi non licet', non quo dissimilis res sit, sed quo is qui facit. “Wenn zwei dasselbe tun, ist es oft so, daß du sagen kannst `dies ist diesem ungestraft zu tun erlaubt, jenem nicht erlaubt'.“

Gegenstand moralischer Kritik ist unter anderem Ehebruch von Gottheiten gewesen.

Der griechische Philosoph Xenophanes hat Dichter und den religiösen Volksglauben kritisiert (FVS DK 21 B 11, 12 und 14):

„Alles haben Homer und Hesiod den Göttern angehängt, was nur bei Menschen Schimpf und Schande ist: Stehlen und Ehebrechen und sich gegenseitig Betrügen.“

„Wie sie gar viele ruchlose Taten der Götter erzählten: Stehlen und Ehebrechen und sich gegenseitig Betrügen.“

„Doch wähnen die Sterblichen, die Götter würden geboren und hätten Gewand und Stimme und Gestalt wie sie.“

Allegorische Deutung der Mythen war eine Möglichkeit, moralischer Bedenklichkeit zu entgehen.

Bei Platon, Politeia sind die Geschwisterverbindungen der Gottheiten kein Gesichtspunkt seiner Dichterkritik. Im Entwurf eines besten Staates werden für die Gruppe der Wächter, in der Frauen und Kindergemeinschaft besteht, geschlechtlich Verbindungen von Eltern und ihren Kindern (sowie deren Nachkommen) untersagt, Verbindungen von Schwestern und Brüdern sind dagegen erlaubt, wenn die Pythia eine Bestätigung erteilt (die Verwandtschaftsbezeichnungen sind dabei allgemein auf Altersgruppen bezogen, bei denen das Verwandtschaftsverhältnis bestehen könnte).

Platon, Nomoi 838 a – b enthält den Hinweis auf ein ungeschriebenes Gesetz, das bei den meisten Menschen Verbindungen zwischen Bruder und Schwester sowie zwischen Vater und Sohn oder Tochter verhindert.

Die antiken Griechen waren bei Geschwisterliebe nicht sehr streng.

Als Inzest verabscheut wurden geschlechtliche Verbindungen zwischen Eltern und ihren Kindern. Im Mythos ist die Ehe (in Unwissenheit des Sachverhaltes) zwischen Oidipous (Οἰδίπους; lateinisch: Oedipus) und Iokaste/Epikaste ein Beispiel.

Ehen von Vollgeschwistern waren normalerweise verboten, Ehen von Halbgeschwistern erlaubt.

Im athenischen Recht war eine Ehe bei gleichem Vater und verschiedener Mutter zulässig.

Im 5. Jahrhundert v. Chr. war Kimon mit seiner Schwester (Halbschwester) Elpinike verheiratet (Cornelius Nepos, Kimon/Cimon 1, 2; Plutarch, Kimon 4; 14, 4; 15, 3; Plutarch, Perikles 10, 4 - 5).

Albrecht  29.09.2015, 08:04

Ehen zwischen Vollgeschwistern hat es bei den Ptolemaiern im hellenistischen Ägypten gegeben. Diese Herrscherfamilie war in ihre Herkunft griechisch, eine Adelsfamilie aus Makedonien.

Arsinoë war in zweiter Ehe mit ihrem Halbruder Ptolemaios Keraunos und in dritter Ehe mit ihrem Vollbruder Ptolemaios II. verheiratet (jeweils nach dem Tod des vorherigen Ehemannes).

Es gab den Beinamen Φιλάδελφος (Philadelphos; „der/die Geschwisterliebende”).

Die Ptolemaier haben Geschwisterehe offiziell vertreten.

Zu der Ehe von Arsinoë und Ptolemaios II. bezieht sich Theokrit, Idyllion 17 auf die Ehe zwischen Zeus und Hera, anscheinend auch mit der Absicht einer Rechtfertigung der Herrscherfamilie.

Die Verbindung der Vollgeschwister ist auch auf Ablehnung gestoßen.

Der zeitgenössische Dichter Sotades aus Maroneia verfaßte einen Vers dazu (Hegesandros bei Athenaios, Deipnosphistai 621 a; Plutarch, Περὶ παίδων ἀγωγῆς (Peri paidon agoges; Über Kindererziehung; lateinischer Titel: De liberis educandis) 14 (Ἠθικά/Moralia 11 a):

εἰς οὐχ ὁσίην τρυμαλιὴν τὸ κέντρον ὠθεῖς. „In ein nicht heiliges/(nach göttlichem und natürlichem Recht) nicht erlaubtes Loch stößt du den Stachel.“

Nach Plutarch kam Sotades wegen solcher spöttischer Bemerkungen für viele Jahre ins Gefängnis, nach Athenaios hat Patroklos, Stratege des Ptolemaios ergriffen und in einem Bleigefäß im Meer versenkt (also Tod des Dichters).

Römisches Recht verbot Geschwisterehe.

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Bei den Göttern in sehr vielen Kulturen unausweichlich und vertretbar. Das Verbot von Inzest wird dann erst an die Menschen ausgesprochen.