Eine Frage an die Hindus?

Bodhgaya  12.10.2022, 21:27

Darf man auch als Buddhist Antworten? ich kenne mich mit Hinduismus gut aus. Habe neulich über mehrere Tage darüber referiert.

KonvertOrthodoX 
Fragesteller
 12.10.2022, 21:28

Klar! Alle dürfen hier antworten :)

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die Hinduisten glauben nicht wirklich an viele Götter, sondern wenn überhaupt an einen Gott, oder eine göttliche Energie um genau zu sein, wobei auch das nicht korrekt ausgedrückt wäre, welche in Form von verschiedenen Gottheiten verkörpert wird, dies allerdings auch nur metaphorisch.

So ist Shiva die Göttin der Zerstörung und symbolisiert die dunkle Seite der Existenz, aber nicht als echte Göttin, sondern sie ist mehr Ausdruck von Leiden, Schmerz, Tod, Dunkelheit, Leere.

Woran ein Hindu wirklich glaubt ist, umgangssprachlich gesprochen, dass alles Eins ist, und sich dieses Eine, die Urenergie des Universums in die unterschiedlichsten Formen polarisiert hat, weil nur durch die Trennung von Yin und Yan Existenz entstehen kann.

Dieses "Eine", die "Urenergie" wird Brahman genannt, und wie du vielleicht schon bemerkt hast gibt es nach ihrem Glauben nichts als Brahman, was nichts anderes bedeutet als dass du, ich, und jeder andere, als auch jedes unbelebte Ding und auch das Vakuum, Brahman selbst ist.

So wie Sonnenstrahlen eines einzigen Sterns, sind wir Bewusstseinseinheiten einer einzigen Quelle; und genauso wie unser Körper ein Zusammenspiel von Billionen individueller Zellen ist, so ist z.B. auch der Planet Erde ein Ökosystem von Billionen verschiedener Lebewesen, und so ist die gesamte Existenz ein einzelner ungetrennter Prozess, welcher wir sind.

So weiß der Hindu, dass der absolute Tod eine Illusion ist, weil er Gott ist, der mit sich selbst verstecken spielt.

KonvertOrthodoX 
Fragesteller
 12.10.2022, 21:38

Also ich habe das so verstanden:

Ein Hindu ist ein Gott selbst, quasi eine Einheit. Also ist jeder Mensch für sich selbst ein Gott/Einheit.

Mit diesen vielen Einheiten aller Menschen verbinden sich die Menschen und ergeben nur eine Existenz, den Brahman.
Richtig?

Wenn ich Fehler gemacht habe, bitte korrigiere mich.

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Philipp3141  12.10.2022, 22:30
@KonvertOrthodoX

Ja schon in die Richtung.

Es ist in erster Linie aber auch recht schwierig diese Idee anfangs vollständig zu erfassen, da sie auf ganz anderen Grundprämissen aufbaut.

Du schreibst "Also ist jeder Mensch für sich selbst ein Gott": Ja und Nein. Die Sache ist, dass der Hindu wirklich glaubt dass jedes Ich dasselbe Ich ist. Dass du hier quasi mit dir selbst schreibst, nur aus einem anderen Standpunkt heraus, mit anderem Gehirn. Es erscheint in erster Linie absurd zu glauben, ich könnte an verschiedenen Orten gleichzeitig sein, aber wenn wir zum Beispiel unsere Augen eins nach dem anderen öffnen und schließen, merken wir dass, selbst wenn wir glauben nur dieser eine Mensch zu sein, quasi zwei Positionen besitzen.

Wenn man bei Menschen den Corpus Callosum durchtrennt, der beide Hirnhälften miteinander verbindet, dann teilt sich dieser Mensch tatsächlich in zwei separate Wesen auf. Du kannst dann beide unabhängig voneinander Fragen stellen, und da beide Hirnhälften nur noch eine Hirnhälfte zur Verfügung haben sind ihre Art der Antwort und die Antwort selbst vollkommen unterschiedlich.

Wenn man sie allerdings fragt wie sie sich so fühlen als Hälfte, sagen sie nicht dass sie irgendetwas verloren haben, nur dass sie weniger sehen, oder nur noch einen Arm richtig benutzen können und der andere oft von sich heraus arbeitet. Das liegt daran weil die jeweilige Hirnhälfte nichts verloren hat, sie ist immer sie selbst geblieben. Der Corpus Callosum verbindet diese beiden Einheiten zu einer Einheit, weil sie fundamental gesprochen sowieso dasselbe Wesen sind. So glaubt der Hindu, dass jedes Wesen dasselbe "Wesen" ist. Hier bist du ein Philipp, dort ein "KonvertOrthodox".

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Allerdings entsteht mit jedem Gehirn trotzdem eine temporäre Speicher- und Kontrolleinheit die du annimmst, und natürlich kannst du als Gott von dort aus nicht meinen Körper steuern, weil du das hier mit diesem Gehirn machst. Auf einer anderen Weise hast du allerdings selbst aus deiner begrenzten menschlichen Form einen unendlichen Wirkradius, der in der östlichen Philosophie im wundervollen Gleichnis des "Indras-Netz" dargestellt wird, welches im Englischen auch "The doctrine of mutual interdependence of everything" genannt wird, "Die Doktrin der gegenseitigen Abhängigkeit aller Dinge und Ereignisse".

Stell dir am Morgen ein mit Millionen von Tautropfen benetztes Spinnennetz vor, und dass in jedem einzelnen dieser Tropfen die Position und Reflektion jedes anderen Tropfens widerspiegelt, und in jeder einzelnen dieser Reflektionen, die Position und Spiegelung jedes anderen, und so bis ins unendliche.

Wir als Lebewesen wären so ein Tropfen, und je nachdem wie die anderen Tropfen mit dir interagieren, verändert sich die Struktur oder "Spiegelung" innerhalb von dir.

Mit anderen Worten, wäre die gesamte Erde, ja sogar das gesamte Sonnensystem und das gesamte Universum anders, wenn du nicht entstanden wärst. Ich wäre anders, weil ich dir diesen Text nicht schreiben würde, deine Eltern wären anders, weil sie jemand anderen geboren hätten, und so weiter.

Wir könnten auf der einen Seite sagen, dass jedes einzelne Fünkchen Existenz deine persönliche Signatur trägt, wir könnten auf der anderen Seite allerdings auch sagen, dass wenn du nicht existieren würdest, nichts existieren würde. In dem Sinne als das man keine klare Trennlinie setzen kann wo du beginnst und wo du aufhörst, weil allein jeder Atemzug und jedes Blinzeln die Energienverteilung in diesem Universum verändert, sodass, wenn man dich aus der Existenz löschen würde, nichts so wäre wie es ist, und somit ebenso verschwinden würde.

Das interessante ist, was hier gesagt wird ist, dass du in gewisser Weise das Produkt des gesamten Universums bist, und das gesamte Universum ein Produkt von dir. Wenn wir deine Hautoberfläche als den Schnittpunkt zwischen "Organismus" und "Universum" nehmen würden, dann impliziert das gesamte restliche Universum deinen Organismus, als auch dein Organismus das gesamte Universum.

Um es vereinfacht zu sagen, ist das was du "Ich" nennst, das invertierte Bild, das Negativbild des gesamten restlichen Universums außerhalb deiner Haut, sodass man sagen könnte, dass du etwas bist was das Universum macht, als Ausdruck, als eine Funktion des gesamten Geschehens. Gleichzeitig allerdings beeinflusst du mit jedem Atemzug und mit jedem Schritt das gesamte restliche Universum, sodass auch du "das Universum machst". Du machst es, es macht dich.

Der Trick dahinter das zu verstehen ist zu erkennen, dass diese Trennung zwischen "Ich" und "Universum" von Anfang an fiktiv war; du BIST die gesamte Existenz, verdichtet und verkomprimiert an einem Punkt den du "KonvertOrthodox" nennst, wodurch du einen individuellen Standpunkt annimmst aus welchem du dich heraus wahrnehmen kannst.

So ist es gemeint, dass alles Brahman ist, dass du selbst Brahman bist.

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Wenn du magst kannst du ja diesen Text hier lesen den ich dazu verfasst habe :)

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Im Hinduismus gibt es 33 Millionen Götter. Allerdings sind diese nur immer Manifestationen der göttlichen Urkraft Brahmann. Egal welchen Gott man anbetet, es kommt immer beim göttlichen absoluten Prinzip an. Deshalb ist es streitbar, ob Hindus wirklich Polytheisten sind. Man kann sich das wie die drei Einigkeit Christentum vorstellen, nur eben auf 33 Millionen Götter verteilt.

Deshalb muss auch nicht an alle 33 Millionen Götter gebetet werden. Ein Hindu sucht sich immer einen Gott aus, auf den er sein Augenmerk speziell legt. Das ist dann auch die Gottheit, die man vor dem Tod anbetet. Auch die einzelnen Tempeln Indien fokussieren sich sehr auf eine bestimmte Gottheit. Wie gesagt, egal welchen Gott man anbetet, am Ende landet man immer bei Brahman.

"Hinduismus" ist nur ein Überbegriff der religiösen Strömungen Indiens. Da findest du alles, von Polytheisten, über Monotheisten bis zu Atheisten, und alle fallen unter den Begriff "Hindu".