Dipol oder kein Dipol?

2 Antworten

Ja, man kann Regeln über die Symmetrie des Moleküls angeben. Leider erfordern die­se Regeln Kenntnisse aus der Gruppentheorie. Eine Möglichkeit, das zu formulieren, wäre Ein Molekül hat dann und nur dann ein Dipolmoment, wenn sich wenigstens eine kartesische Koordinate unter der Symmetrepunktgruppe des Moleküls totalsymmetrisch transformiert. Ich glaube nicht, daß Dir das weiterhilft.

Äquivalent kannst Du auch sagen, daß nur Moleküle mit Cₙᵥ-Symmetrie (oder einer Untegruppe davon) ein Dipolmoment haben. Vermutlich ist das auch nicht hilfreich.

Allerdings kann man relativ leicht Regeln angeben, die es erlauben, Kombinationen von Symmetrieelementen anzugeben, die ein Dipolmoment ausschließen, z.B. eine Drehachse plus eine Spiegelebene, die die Drehachse schneidet (z.B. BF₃, CH₄). Oder zwei verschiedene Drehachsen. Das ist aber nicht immer ausreichend, denn es gibt Moleküle, denen diese Merkmale fehlen und die trotzdem kein Dipolmoment haben.

Am einfachsten für den Hausgebrauch finde ich die folgende Überlegung: Stell Dir vor, daß Du gemeinsam mit einem Kollegen das dreidimensionale Molekül betrachtest, das vor euch im Raum schwebt. Kannst Du unter Rückgriff auf das Molekül (und sonst nichts) eindeutig eine Richtung (also einen Vektor) definieren? Wenn ja, dann hat das Molekül ein Dipolmoment, sonst nicht.

  • H₂O: Du kannst nicht sagen „die Richtung der O–H-Bindung“, weil es davon ja zwei gibt, aber Du kannst die Winkelsymmetrale als Richtung nehmen ⟶ Dipolmoment
  • NH₃: Weder eine N–H-Bindung noch eine HNH-Winkeldiagonale funktionieen, es gibt ja immer drei davon. Aber die Molekülachse (die Raumdiagonale zwischen den drei NH-Bindungen) ist eindeutig definierbar ⟶ Dipolmoment
  • BF₃: Ähnlich wie bei NH₃ scheiden BF-Bindungen und FBF-Winkelsymmetralen aus. Es gibt zwar eine Molekülachse, aber die legt dummerweise keine Richtung fest, weil sie in beide Richtungen gleich aussieht ⟶ kein Dipolmoment
  • Cl₂: Die einzige in Frage kommende Richtung ist die Molekülachse, aber weil das Molekül auf beiden Seiten gleich aussieht, können wir keine Richtung festlegen ⟶ kein Dipolmoment
  • cis-1,2-Dichlorethen: C–H- und C–Cl-Bindungen gibt es mehrere, und die C=C-Bin­dung funktioniert nicht, weil wir daraus wieder kein Richtung machen können. Wir kön­nen aber sagen: In der Molekülebene normal zur C=C-Bindung in Richtung zu den beiden Cl-Atomen, und das ist eindeutig ⟶ Dipolmoment
  • trans-1,2-Dichlorethen: Hier geht nichts ⟶ kein Dipolmoment

Mit Übung geht das ganz gut. Natürlich braucht man geometrisches Fingerspitzen­gefühl, um z.B. zu sehen, daß H₂O₂ ein Dipolmoment hat.

P.S.: Diese Regeln rechtfertigen sich dadurch, daß das Dipolmoment unter allen Sym­metrieoperationen ortsfest sein muß: Wenn ich das Molekül umdrehe und dabei in eine äquivalente Lage bringe (z.B. das eine H-Atom im H₂O tauscht seinen Platz mit dem anderen), dann hat sich ja physikalisch nichts geändert, und das Dipolmoment muß immer noch in dieselbe Richtung zeigen.

Das kommt auf die Kombination aus Raumstruktur und Bindungspartnern an. Siehe Chlormethan und Tetrachlormethan. Sind beides Tetraeder, aber Chlormethan hat einen Dipol, Tetrachlormethan nicht.