Bitte würde sich jemand meines kläglichen Übersetzungsversuchs annehmen?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo,

Du kannst recht gut Latein. Das meiste hast Du schon ganz ordentlich hinbekommen.

Im ersten Satz hast Du das Gerundivum consequenda nicht erkannt, das hier in Verbindung mit dem Dativus auctoris eine in Notwendigkeit ausdrückt:
...müssen wir uns vor allem daran halten.

Zu Beginn hast Du auch ein Gerundivum puniendis, das hier aber keinen Nebensinn im Sinne einer Notwendigkeit hat: Bei der Bestrafung von Verbrechen...

Im zweiten Satz ist der lateinische Konjunktiv vom ut gefordert. Er muß nicht ins Deutsche übernommen werden:

Erstens: Daß das Gesetz den, der bestraft wird, besser (oder: zu einem besseren Menschen) macht.

Willst Du den Konjunktiv unbedingt retten, laß das daß weg:

Erstens: Das Gesetz möge/ soll den, der bestraft wird, besser machen.

Sceleratis sublatis ist ein Ablativus absolutus und kann eigentlich nicht wörtlich übersetzt werden. Du solltest die Konstruktion auflösen:

Zuletzt: Die übrigen sollen dadurch, daß die Verbrecher weggeschafft worden sind, sicherer leben. Du kannst es auch temporal übersetzen:

Die übrigen sollen, nachdem die Verbrecher weggeschafft worden sind,...

Oder substantivieren:

Die übrigen sollen nach dem Wegschaffen der Verbrecher...

In dem Satz, der mit praeterea anfängt, stimmt etwas am Ende nicht:

poena cuiusque sontis ist Subjekt: ...die Strafe jedes einzelnen Verbrechers größtmögliche Entschädigung für den Schmerz leistet.

A magistratibus cognoscitur kannst Du besser mit ...wird von den Beamten erfaßt oder identifiziert übersetzen.

Terret besser: schreckt ab anstatt erschreckt.

Exempla ist Plural, nicht Singular.

Nominabant ist Imperfekt mit dem Nebensinn einer wiederholten, hier: gewohnheitsmäßigen Handlung.

Deswegen pflegten unsere Vorfahren die Höchststrafen 'Exempel' zu nennen...

Hier kannst Du ruhig mal das lateinische Exemplum mit dem eingedeutschten Exempel wiedergeben, denn wir haben ja die Wendung: Ein Exempel statuieren - und genau das ist hier gemeint.

Wie gesagt, Dein Latein ist nicht übel, bedarf aber noch der Verfeinerung und des Blicks für die Details. Schlage ruhig auch mal die Vokabeln im Wörterbuch nach, die Du eigentlich kannst, um die eine oder andere Nebenbedeutung kennenzulernen und den Ausdruck zu verbessern. Nimm Dir Zeit. Ich habe an dieser Antwort über eine Stunde gesessen (hätte ich nicht nebenbei DSDS laufen, wäre es etwas schneller gegangen). Natürlich kann ich einen so einfachen Text auch mal eben 'runterübersetzen' - aber das wäre dann doch sehr grob und hölzern.

Auch ein einfacher Text sollte in gutes Deutsch übertragen werden. Dazu bist Du sicher in der Lage, denn über das Anfängerstadium bist Du mit Sicherheit hinaus.

Herzliche Grüße,

Willy

lumbricussi 
Fragesteller
 16.02.2020, 13:43

Vielen Dank, Willy, für Deine Zeit, die prima Übersetzungshilfe und Deinen Rat. Ich hab ja den Stowasser; der liegt seit heute früh startbereit neben den Aufgaben auf dem Tisch.

Der Text hat einen zweiten Absatz. Ich möchte ihn Dir sehr gerne auch noch zur Begutachtung vorlegen. Dieses römische Bürokratenlatein ist für mich noch ungewohnt.

Scelerati criminibus suis saepe etiam auctoritatem senatus et dignitatem populi Romani laedunt.

Die Verbrecher schaden mit ihren Verbrechen auch dem Ansehen des Senats und der Würde des römischen Volkes.

Quos, quia ab iis res publica tota turbatur, maiores nostri crudelissime puniendos esse arbitrati sunt.

Nach dem Ermessen unserer Vorfahren sind diese, weil von ihnen der ganze Staat in Aufruhr gebracht wird, aufs grausamste zu bestrafen.

Necem patris turpissimum omnium scelerum putabant; itaque parricidam summo supplicio dignum esse iudicaverunt:

Nach ihrer Einschätzung ist der Mord am Vater das schändlichste aller Verbrechen; deshalb erklärten sie, dass für einen Vatermörder die Todesstrafe angemessen ist.

Parricidam captum verberandum, in culleum insuendum et in mare altum iactandum esse decreverunt; si mare prope non erat, in amphitheatro bestiis obiciendus erat.

Sie setzten fest, dass der gefangene Vatermörder, in einen Ledersack eingenäht, in das tiefe Meer geworfen werden soll; wenn kein Meer in der Nähe ist, soll er im Amphitheater den wilden Tieren vorgeworfen werden.

Willy, hilfst Du mir nochmal? Ich hab halt auch die Zeiten verändert, um den Sinn besser darzustellen. Geht das?

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Willy1729  16.02.2020, 14:19
@lumbricussi

Das war gut. Nur das mit der Veränderung der Zeiten war eine schlechte Idee. Das geht hier überhaupt nicht, zumal das Imperfekt hier wie so oft die Nebenbedeutung einer wiederholten und gewohnheitsmäßigen Handlung hat.

Es geht ja schließlich um die Zeit und die Ansichten der Vorfahren - und die lebten nun einmal in der Vergangenheit.

Es gibt das historische Präsens, das im Deutschen mit einer Vergangenheitsform wiedergegeben werden kann, aber nicht muß. Es gibt auch das sogenannte gnomische Perfekt, das in Anlehnung an den gnomischen Aorist des Altgriechischen entstanden ist und für allgemeingültige Wahrheiten wie etwa in Sprichwörtern verwendet wird. Das kann man im Deutschen mit dem Präsens wiedergeben. Ein solcher Fall liegt bei diesem Text aber nicht vor.

Der Stowasser ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel. Du solltest auf jeden Fall auch eine Grammatik besitzen wie die Lateinische Grammatik von Hermann Throm (nur noch antiquarisch erhältlich) oder die Grammatik von Rubenbauer und Hofmann, die an der Uni Standard ist.

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lumbricussi 
Fragesteller
 16.02.2020, 16:48
@Willy1729

Nach dem Ermessen unserer Vorfahren waren diese, weil von ihnen der ganze Staat in Aufruhr gebracht wird, aufs grausamste zu bestrafen.

Nach ihrer Einschätzung war der Mord am Vater das schändlichste aller Verbrechen; deshalb erklärten sie die Todesstrafe für einen Vatermörder als angemessen.

Wenn ich das aber mit einem Nebensatz übersetze, dann bin ich wieder beim Präsens: deshalb erklärten sie, dass die Todesstrafe für einen Vatermörder angemessen ist. "war" geht doch da nicht?

Parricidam captum verberandum, in culleum insuendum et in mare altum iactandum esse decreverunt; si mare prope non erat, in amphitheatro bestiis obiciendus erat.

Sie beschlossen, gefangene Vatermörder zu geißeln usw.; und wenn kein Meer in der Nähe war, sie den wilden Tieren vorzuwerfen.

Da hab ich zwar jetzt keinen prädikativen Gerundiv übersetzt und aus der Mördereinzahl die -mehrzahl gemacht, aber kann man das gelten lassen?

Mit Gerundiv klingts anders: Sie beschlossen, dass ein gefangener Vatermörder gegeißelt .....werden soll.

Ich hab noch nicht so richtig das Gefühl dafür. Aber mir scheint, dass mit Gerundiv eher die Dauer und Wiederholung ausgedrückt wird. die Vatermörder müssen generell so behandelt werden.

Was waren die Vorfahren doch für ein brutales Volk. :-)

Willy, ich bin ein Dussel, ich hab die Throm-Grammatik ja schon einige Zeit, auf Deine Anregung hin gekauft. Aber weil ich nicht gleich warm geworden bin mit dem Buch, hab ich die Verwendung desselben auf später verschoben, in den Schrank gestellt und vergessen. Hab mir grad den Imperfekt zu Gemüte geführt - das Buch ist ja echt toll!

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Willy1729  16.02.2020, 17:04
@lumbricussi

Bei der Zeitenfolge mußt Du beachten, daß sie sich auf das Zeitverhältnis der erzählten Handlung bezieht. Die erzählte Handlung ist, daß die Vorfahren der Meinung waren (Vergangenheit), daß die Todesstrafe für einen Vatermord angemessen sei (Präsens in bezug auf die erzählte Handlung, nicht in bezug auf den Erzähler). Hier halte ich auch im Deutschen das Präsens für passender.

Bei dem Gerundivum würde ich in diesem Fall schon die Notwendigkeit betonen.

Sie beschlossen, einen gefangenen Vatermörder zu geißeln etc. klingt mehr nach einem Einzelfall. Hier geht es aber um die grundsätzliche Art, wie mit Vatermördern umgegangen werden sollte, also um ein Gesetz:

Sie faßten den Beschluß, daß ein festgenommener Vatermörder zu geißeln usw. sei (gegeißelt usw. werden müsse).

Das Gerundivum drückt zum einen eine Notwendigkeit aus, in anderen Fällen aber auch eine Absicht. Dann kann man es mit um zu und Infinitiv oder mit damit übersetzen.

Trado tibi librum legendum: Ich gebe dir das Buch, damit du es liest.

Der Throm ist zum Teil ausführlicher als der teurere Rubenbauer/ Hofmann.

Jammerschade, daß er kaum noch zu haben ist. Gut, daß Du noch rechtzeitig zugeschlagen hast.

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lumbricussi 
Fragesteller
 16.02.2020, 21:46
@Willy1729

Ganz herzlichen Dank für die Hilfe und Erklärung, und besonders dafür, dass Du mir den Throm in Erinnerung gebracht hast.

Lieben Gruß

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