Bist du Mutter oder Vater Kind?

Ich dachte bis zum Tod meiner Mutter, das ich immer ein Mutterkind war. Nach dem Tod meiner Mutter hatte ich noch 6 Jahre um meinen Vater mal näher kennen zu lernen.

Sie waren bis zum Tod verheiratet, aber mein Vater war in meiner Kindheit nicht zugegen. Obwohl er immer daheim war. Aber er mischte sich nicht in die Erziehung mit ein. Er war Jahrgang 48 und hat von seinen Eltern die Schwarze Pädagogik noch abbekommen und das Frauenbild war da anders. Die Frau hat zuhause am Herd zu sein und sich um die Erziehung der Kinder zu kümmern. Mir kam es als Kind immer so vor, als wäre er nie da, oder nur mit sich beschäftigt.

In den Wochen nach seinem Tod sind mir so viele Begebenheiten und Erinnerungen gekommen. Er hat mir auch nach dem Tod von der Mutter Dinge berichtet, die wusste ich so nicht. Meine Mutter war so dominant. Sie war die treibende Kraft und so konnte er nicht so wie er wollte. Er hat das nie so offen gesagt, aber aus den Geschichten die er erzählte hörte man das ganz deutlich raus.

Mir ist eine ganz frühe Begebenheit in Erinnerung gekommen. Als ich meinen 5. Geburtstag hatte, da musste ich alleine am Kindertisch sitzen. Ich war die erste Enkelin der Familie und es waren noch keine Cousins vorhanden. Als Kind durfte man nie bei den älteren sitzen und bei uns war das auch so, das Kinder keine Sahnetorte bekamen. Meine Mutter stellte einen Topfkuchen auf den Tisch. Er hatte Schokoglasur und bunte Streusel drauf. Meine Mutter sagte, den hat Papa für dich gemacht, der schmeckt ganz lecker. Und ich war so sauer und bockig das ich den nicht gegessen habe. Der ganze Geburtstag war so bescheuert das er mir in Erinnerung blieb. Als Erwachsene sehe ich jetzt aber anders auf die Dinge. Mein Vater hat etwas für mich gemacht. Sowas war sehr selten.

Zu meiner Abschlussfeier auf der Berufsschule hat er mir einen Frauenanzug gekauft. In dunklem Pink. Ich fand das Teil hässlich und habs verschwinden lassen. Aber erst im Nachhinein verstand ich warum er das Teil gekauft hat. Ich war pummelig und Kleider standen mir einfach nicht. Er hats gut gemeint. Ich war mit meiner Mutter shoppen und sie hat mich im Landen rund gemacht weil ich so dick war und mir nichts passte. Er ging einfach los und kaufte das Teil. Ohne es meiner Mutter zu sagen. Und sie war sauer das er es kaufte, weil wir kaum Geld hatten. Ich habs nicht zu würdigen gewusst damals. Ich war so jung und mit gut 20 ist man eher auf sich bedacht als das man das dahinter sieht.

Meine Mutter hat mich nie umarmt als ich ein Kind war. Die erste Umarmung meines Lebens bekam ich von meinem Vater. Ich habe 500 km entfernt von Zuhause einen Job angenommen und als ich zum ersten mal zu Besuch kam und er mich vom Bahnhof abholte umarmte er mich. Das hatte mich umgehauen. Wenn man sowas von den eigenen Eltern nicht gewohnt ist, dann kommt sowas völlig überraschend.

In seinen letzten 6 Lebensjahren war ich mehr Vaterkind als ich jemals Mutterkind war in den 34 Jahren davor. Es ist schade das ich Eltern aus einer Generation hatte, welche selber mit der schwarzen Pädagogik groß geworden sind. Respekt und parieren standen im Vordergrund. Das Kind hatte zu funktionieren ohne das man da groß eingreifen muss. Notfalls hilft der Klapps oder der Kochlöffel oder der Gürtel als Drohung.

Meiner Mutter ist die Hand sehr oft ausgerutscht. Mein Vater hat sich da aber nie eingemischt. Ihr Haushalt, ihre Erziehung.....

Mutterkind. Ich kannte meinen Vater bis zum 17. Lebensjahr überhaupt nicht. Ich nenne ihn eher einen Erzeuger.

Weder noch. Ich wurde von meinen Eltern zu sehr vernachlässigt, um grossartig eine Bindung zu ihnen aufbauen zu können.

Ich mag meine Maman, aber ich LIEBE meinen Papa!

Früher Vaterkind, jetzt eher Mutterkind. Aber am meisten bin ich Cousinenkind😉😉