Bief im 19. Jahrhundert schreiben?

5 Antworten

Hier ein Beispiel aus "Wilhelm von Humboldt's Briefe an eine Freundin":

Tegel, den 12. Juni 1829

"Ich danke Ihnen sehr, liebe Freundin, für Ihren letzten Brief, den ich mit großem und gewohntem Antheil gelesen habe. Ich danke Ihnen besonders für das, was Sie in Rücksicht auf mich und meine Gefühle sagen.

...

Da Sie die Bestimmung eines Tages wünschen, so bitte ich Sie, Ihren nächsten Brief am 23. d. M. abzuschicken. Leben Sie recht wohl. Ich bleibe mit der unveränderlichen Theilnahme und Freundschaft der Ihrige.

H."

Eine Anrede wie Liebe oder Sehr geehrte oder auch ein Schluss wie Herzliche Grüße scheint nicht üblich gewesen zu sein. (Siehe auch "Die Leiden des jungen Werther" von Goethe im Projekt Gutenberg!)

Humboldts nächster Brief (Fünfter Brief):

Tegel, den 6. Julius 1829

"Seit ich Ihnen das letzte Mal schrieb, liebe Charlotte, bin ich nicht ohne beunruhigende und schmerzliche Ereignisse geblieben.

...

[Erst am Ende des sechsten Briefes liest man so etwas wie eine Schlussformel wie wir sie heute kennen:]

Leben Sie recht wohl und nehmen Sie die herzliche Versicherung meiner aufrichtigen und lebhaften Theilnahme und Freundschaft an. Ihr H."

Hier ein anderes Beispiel. Wilhelm Grimm an Bettina von Arnim:

"Liebe Bettine, dieses Buch kehrt abermals bei Ihnen ein, wie eine ausgeflogene Taube die Heimat wieder sucht und sich da friedlich sonnt.

...

Habe ich doch selber gesehen dass Sie vor einer einfachen Blume still standen und mit der Lust der ersten Jugend ihn ihren Kelch schauten.

Berlin im Frühjahr 1843

Wilhelm Grimm"

Etwa so:

"Liebe Marie,

vor einer Woche lernte ich einen jungen, schüchternen Mann kennen, der aus Braunau kommt und sein Name ist Adolf. Er malt gerne und gestern hat er mich gemalt. Das Bild ist so wunderschön! Aber es gibt ein Problem: heute gestand er mir, dass er nur 1 Ei hat. Meine allerliebste Marie, ich weiß einfach nicht mehr weiter! Was soll ich nur machen?"

HugoHustensaft  28.06.2023, 12:46

Schon falsch, kein Brief hätte mit "Liebe" begonnen.

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Etwas spät:

Früher war es sehr üblich, nach der Gesundheit zu fragen. Damals gab es viele Krankheiten die man kaum oder gar nicht behandeln konnte. Gelbfieber, Kolera usw.

Man schrieb oft so was "Ich hoffe, dass Dich der Brief bei bester Gesundheit erreicht".

Dann ganz wichtig, Briefumschläge gab es nicht!. Man drehte den Brief um 45° und faltete die Ecken in die Mitte. Die Ecken klebte man dann mit Kerzenwachs zusammen. Reiche Leute drückten dann ihren Siegelring in den noch warmen Wachs rein. Das Siegel auf dem Brief ist also mehr als nur Verzierung oder ein Zeichen von Echtheit. Es macht aus dem Briefpapier direkt den Brief, separate Umschläge, Gummierung oder Klebeband gab es nicht!

Damals war das "Sie" Standard, geduzt wurde sich extrem selten - und es wurden manchmal übertriebene Höflichkeitsfloskeln benutzt, etwa in dem Stil "Hoch geschätzte Freundin".

Paare schon mit "du", aber Kinder sprachen ihre Eltern
oft noch mit "Sie" an, je nach Schichtzugehörigkeit.