Aus Solidarität in Gegenwart von Muslimen auf Alkohol verzichten (als Nicht-Moslem). Gerechtfertigt oder Übertrieben?
Ich lebe in Deutschland und habe Muslime im Freundes- und Bekanntenkreis. Einer meiner Kumpels - wie ich, kein Moslem - hält es für angebracht in Gegenwart unserer muslimischen Freunde auf Alkohol zu verzichten. Er trinkt dann zum Beispiel alkoholfreies Bier.
Meiner Meinung nach setzt das falsche Zeichen. Mein Argument: "Du verzichtest ja auch nicht auf Fleisch in Gegenwart eines Vegetariers." Er meint ich vergleiche da Äpfel mit Birnen, doch aus meiner Sicht geht es hier um den Respekt gegenübereiner Überzeugung. Respektieren kann ich es ja trotzdem, muss aber nicht gleich meine eigene Lebensweise einschränken.
Ich weiß, dass es vermutlich keine eindeutige Antwort auf die Frage gibt, doch mich würde interessieren, was andere Leute - insbesondere Muslime - darüber denken.
13 Antworten
Ich würde das als sehr zuvorkommend und höflich empfinden. Die Person kann ja dann immer noch jedes mal Bier trinken, halt nur dann nicht, wenn der muslimische Freund anwesend ist.
Ich finde das ist eine Sache der Höflichkeit und Empathie. Aber Personen, die dann in meiner Gegenwart Alkohol trinken würde ich nicht automatisch deshalb als unhöflich abstempeln. Wenn ich zum Beispiel einen Freund habe, der sich vor Fleisch ekelt und ich ihn mit mehreren anderen Freunden einlade, würde ich eben auch nur vegetarische Gerichte zubereiten.
Hier wird es bestimmt viele Kommentare geben, dass Muslime sich gefälligst als Gäste oder Einwanderer anzupassen haben usw. aber ich finde es gehört einfach zum guten Benehmen dazu, dafür zu sorgen, dass sich Personen in meiner Gegenwart nicht unwohl fühlen.
Wenn ich als Muslim draußen unterwegs bin und blöderweise es mit den Gebetszeiten falsch oder gar nicht geplant habe und nun drohe ein Gebet zu verpassen, muss ich ja irgendwie irgendwo beten (nehmen wir an ich habe wudu und eine Moschee gibt es in der Nähe nicht, z.B. wenn man im Stadtzentrum in einer Einkaufsstraße unterwegs ist). Dann werde ich um jeden Preis versuchen zu vermeiden, mich auf offener Straße hinzustellen und zu beten, sondern mir eine ruhige Ecke in einem Hof oder so suchen und dort, ohne gesehen zu werden, beten. Und wenn ich eine solche Stelle nicht finde, kostet es mich sehr viel Überwindung an einer Stelle zu beten, wo Passanten mich sehen können. Aber das eher aus dem Grund, weil ich deren negative Reaktionen vermeiden will ("OMG jetzt wurde Deutschland schon vollends islamisiert" oder "Das muss doch ein Extremist oder Radikaler sein, der es nicht abwarten kann, in seiner Moschee zu beten" [es gibt ja manche, die absichtlich in der Öffentlichkeit in Gruppen beten und versuchen, möglichst viel Aufmerksamkeit zuerregen]).
Hier wird es bestimmt viele Kommentare geben, dass Muslime sich gefälligst als Gäste oder Einwanderer anzupassen haben
Mag sein, dass das dem ein oder anderen durch den Kopf geht. Jedoch ist nicht zu vergessen, dass es hier um eine freiwillige Reaktion ohne Zutun der vermeintlich Betroffenen geht.
Ich finde auch, das ist der falsche Ansatz und setzt falsche Signale. Ich habe viel mit Muslimen zu tun, aber diese Idee ist mir noch nicht gekommen.
Gegenseitiger Respekt und Authentizität entscheiden, finde ich. Auch Muslime lernen ja Toleranz anderer Lebenswelten durch Umgang mit verschiedensten Lebensformen. Besonders, wenn wir in Deutschland sind.
Anders ginge es mir, wenn ich in einem Land zu Gast wäre, in dem Alkoholkonsum unüblich ist,
oder ich in einer Situation hier mich nicht wohlfühle, in der Gegenwart von Muslimen damit. Das wäre eine individuelle, situationsbezogene Entscheidung, es dann zu lassen. Aber als generellen Ansatz finde ich das eher beklemmend und übertrieben.
Ich finde den Vergleich lustig, er ist doch intelligent! :-)
Ich finde es auch völlig überzogen, denn du greifst ja mit dem Bierkonsum bspw. Nicht die manifestierten Überzeugungen, deines Gegenübers an. Anders wäre es, wenn du versuchen würdest, ihn zum Konsum zu animieren. Respekt und Toleranz ist wichtig, muss aber zwingend auf beiden Seiten da sein. Ich hätte zB nie ein Problem damit, wenn ein Moslem in meiner Gegenwart betet, er darf nur nicht versuchen, mich zu missionieren. Ich denke, hier werden falsche Signale im zwischenmenschlichen Zusammenleben gesendet, der Glaube eurer muslimischen Freunde wird zu sehr exponiert.
Ah ja! Genau das ist es, was mir irgendwie die ganze Zeit im Kopf herumgegeistert ist. Der Begriff exponiert trifft genau das, was ich in der Situation empfinde.
Der Glaube ist ja nicht ausschlaggebend das Bestehen der Freundschaft (nehme ich jedenfalls an). Genausowenig sollte das der Bier- oder Fleischkonsum sein. An besonderen Anlässen, wie zB Ramadan könnte man vielleicht noch etwas aufmerksamer sein und auf das Essen in Gegenwart der Freunde verzichten bzw sie später dazukommen lassen, aber das solltet ihr einfach mal offen ansprechen.
Das ist eine Über-Anpassung, die meiner Meinung nach zu weitgeht.
Auf Alkohol würde ich nur in Gegenwart eine Alkoholikers oder eines trockenen Alkoholikers verzichten.
Ansonsten ist das eine in meinen Augen falsche Rücksichtnahme.
Wenn das ein muslimischer Freund offensiv anders sehen sollte, dann solltest du die Freundschaft überdenken. Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz.
Gruß, earnest