Was halten Germanisten davon, dass es neben Duden-konformem Deutsch nun auch sog. "Leichte Sprache" (LS) ohne Genetiv zu geben hat?

5 Antworten

Als Germanistin bin ich selbstverständlich für Inklusion. Wenn die sogenannte Leichte Sprache dazu verhilft, dann ist das doch gut so.

Die Germanistik ist schon lange in einem schlechten Zustand. Das liegt aber an der Hochschulpolitik und nicht an der Leichten Sprache.

Geh mal in ein germanistisches Oberseminar und du wirst feststellen: Was da betrieben wird, hat mit Germanistik rein gar nichts zu tun. Die Leute beschäftigen sich mit dem Leim, der im Buchdruck des 19. Jh. verwendet wurde.

Keine weiteren Kommentare.

Was halten Germanisten davon, dass es neben Duden-konformem Deutsch nun auch sog. "Leichte Sprache" (LS) ohne Genetiv zu geben hat?

Ich als Privatperson halte davon nichts.

'zu geben' hat es diese Form nicht. Wie sich dann jeder ausdrückt ist Sache des Einzelnen. Ich finde es richtig, dass man Texte vereinfacht formuliert für Leute, die des Lesens und/oder Verstehens aus verschiedenen Gründen nicht so gut mächtig sind wie andere.

Und offen gestanden... wenn man der Ansicht ist, einige Leute seien zu dumm den Genitiv zu verstehen, dann soll man den meinetwegen weglassen. Ich persönlich halte nichts davon einen gesamten Kasus zu streichen, zumal es auf den auch nicht ankommen wird.
Leichte Sprache geht auch mit Genitiv. Und wird auch unter Verwendung des Genitiv formuliert, nebenbei.


grtgrt 
Beitragsersteller
 02.01.2025, 21:01
Leichte Sprache geht auch mit Genitiv. Und wird auch unter Verwendung des Genitiv formuliert, nebenbei.

Falsch, denn:

Leichte Sprache (LS) ist eine (wie mir, grtgrt, scheint eher kontraproduktive) nicht zum Duden konforme Variante einfacher Sprache. Unter Letzterer versteht man Sprache, die immer noch dudenkonform ist, sich aber halt so einfach wie nur irgend möglich ausdrückt). So die Aussage von Constanze Kobell, einer zertifizierten Übersetzerin nach LS im Aufsatz "Weg mit den Schachtelsätzen" (SZ vom 16.12.2024, Seite R4).

Gegen einfache Sprache, ja sebst gegen maximal einfache Sprache (so halt, wie Eltern mit 3-Jährigen sprechen, die eben erst lernen, Sprache zu gebrauchen) ist nichts einzuwenden. Sie hilft, soweit notwendig, aber ohne zu überfordern.

Leichte Sprache dagegen macht nun aber leider den Fehler, definieren zu wollen, was man Sprachbehinderten einfach gar nicht zutrauen will. Sie gibt sozusagen auf, wo gutes Beispiel vielen noch helfen könnte.

Man kann solche Definitionen des "Was wir Behinderten i.A. nicht zutrauen zu verstehen" nachlesen als vorgeschlagenes, derzeit ernsthaft vorgeschlagenes "Regelwerk" auf Seite https://de.wikipedia.org/wiki/Leichte_Sprache#Regelwerk

An der endgültigen Fassung der angestrebten Norm DIN SPEC 33429 "Empfehlungen für Deutsche Leichte Sprache“ wird derzeit in einem Konsortium unter Beteiligung von Vertretern aus den Bereichen Öffentliche Hand, Wissenschaft, Design, Übersetzung und Prüfung sowie Verlagen noch gearbeitet. [ https://www.din.de/de/mitwirken/normenausschuesse/naerg/e-din-spec-33429-2023-04-empfehlungen-fuer-deutsche-leichte-sprache--901210 ]

grtgrt 
Beitragsersteller
 03.01.2025, 00:53
@grtgrt

Als wirklichen Skandal empfinde ich, dass etwas, das ich für einen wenig akzeptablen, auf jeden Fall aber stark pseudowissenschaftlich geprägten Ansatz einiger weniger Personen halte, derart schnell durch den Gesetzgeber geadelt wurde. Gibt es noch erstaunlichere Beispiele dafür, wie schnell sich einige wenige Lobbyisten erfolgreich durchsetzen können?

Ich habe was ganz anderes studiert, aber ich finde leichte Sprache gut.

Es geht ja nicht darum, alles nur noch in leichter Sprache zu veröffentlichen, sondern gerade von öffentlicher Seite wichtige Informationen zusätzlich so zu veröffentlichen.

Ich kann komplexere Dinge verstehen, ich lese die Seiten in der normalen Form, aber andere können das nicht, denen fällt es so leichter.

und wo ist das Problem

wenn es auch für andere Verständlich ist.

das kommt mir so vor wie es vor noch gar zu langer Zeit üblich war Gottesdienste auf Lateinisch zu halten.

Muss ja keiner Verstehen nur mitmachen reicht


grtgrt 
Beitragsersteller
 02.01.2025, 17:48

Das Problem sehe ich darin, dass man Menschen, die vor allem Leichte Sprache konsumieren, gar nicht mehr die Chance gibt, dazuzulernen.

Sie werden deswegen dann wohl ihr ganzes Leben lang für richtig erachten, was eben nicht richtig ist.

grtgrt 
Beitragsersteller
 02.01.2025, 18:38
@nobodyathome

Wem man auch beliebig kleine Herausforderungen ersparen möchte, der wird schon bald gar keine mehr bestehen.

grtgrt 
Beitragsersteller
 02.01.2025, 19:00
@nobodyathome

Wird durch «Leichte Sprache» letztlich Lernzuwachs verhindert?

Die Leute, die die «Leichte Sprache» propagieren, lassen sich komische Sätze einfallen, die sich wie Parodien auf behinderte Menschen lesen. Das ist noch schlimmer als Realsatire. Und es hat auch einen moralischen Aspekt: Man nimmt diesen Menschen die Würde. Vor 20, 30 Jahren wäre das undenkbar gewesen, da wären die Behindertenverbände aufgestanden und hätten gesagt:

Ihr vermittelt ein fatales Bild von uns!

Heute aber sind sie stolz darauf.

Quelle: https://nzz.ch/wissenschaft/bildung/schlimmer-als-realsatire-ld.738842

Das würde eine sehr schwere Umstellung! Wenn der Genitiv mit "von" gebildet werden soll, muss für das richtige "von" ein Ersatz gefunden oder konstruiert werden, analog dem Englischen, wo es of und from gibt, mit unterschiedlichen Bedeutungen.

Der Genitiv muss nicht ersetzt werden, man muss ihn nur richtig anwenden. Ist das so schwer?

Wir brauchen keine Deppensprache!


grtgrt 
Beitragsersteller
 02.01.2025, 21:07

Ja, so sehe ich das auch. Danke!

Rudolf36  02.01.2025, 21:52
@grtgrt

Auch danke!
Und: wenn der Dativ jetzt Genitiv spielen soll . . . woher kommt der Dativ-Ersatz und wie soll er heißen?
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alt: wessen Kind bist du?
neu: von wem wurdest du gezeugt?
oder wie?