Kriegsschuldfrage 1. Weltkrieg


15.09.2025, 16:58

Nach §231 des Versailler Vertrags soll es ja Deutschland sein

8 Antworten

Verschiedene Länder hatten auf ihre Weise für den Kriegsanfang Schuld, unter anderem auch Deutschland und Österreich-Ungarn, aber eben nicht nur.

Den Versailler "Vertrag" kann man in der Frage getrost aussen vor lassen. Jedes Gericht der Welt würde einen Vertrag kassieren, dessen Unterschrift darauf mit der Pistole an der Schläfe erzwungen wurde. Und genau so kam dieser "Vertrag" zustande.

Die Meinungen sind verschieden, weil verschiedene Historiker verschiedene Ziele in ihren Forschungen verfolgen. In der Schule (80er Jahre) hab ich noch gelernt, Deutschland hätte die Alleinige Schuld, mehr noch als Österreich-Ungarn, weil sie Ö-U einen "Persilschein" ausgestellt haben.

Im Endeffekt hatten alle Nationen in Europa ihren Grund, diesen Krieg führen zu wollen. Frankreich, England, Russland, Österreich, Serbien... Alle wollten diesen Krieg und haben ihren Teil zum Beginn der Kampfhandlungen beigetragen. Niemand hat überhaupt versucht ernsthaft zu deeskalieren. Und somit kann es eigentlich keinen alleinig schuldigen geben.

Wenn Du einen alleinig Schuldigen suchst, heisst der "Europa".

Ja, der Versailler Vertrag bzw. die alleinige Schuldzuweisung an Deutschland und Österreich ist ja unter Historikern bis heute umstritten. Tatsächlich waren viele Staaten damals in Kriegsstimmung. Serbien und Russland auf der einen Seite und Deutschland und Österreich auf der anderen Seite haben da wohl am meisten dazu beigetragen. Das Attentat von Sarajevo und die direkten Folgen waren die großen Auslöser.

Ich finde den Versailler Vertrag kann man zurecht kritisieren. Und im geschichtlichen Kontext betrachtet kann man die Enttäuschung und die Wut vieler Leute in der Weimarer Republik verstehen. Die Entscheidung, den 2. Weltkrieg zu beginnen, war jedoch ein eiskaltes Kriegsverbrechen. Zurecht wird deswegen die Schuld am zweiten Weltkrieg Deutschland zugeschrieben.

Für einen Weltkrieg braucht es mehrere Länder die den Konflikt solange geschürt haben, bis ein Rückzug nicht mehr möglich war.

Ab besten du nimmst einige Bücher in die Hand um für dich den Hauptschuldigen zu finden.

Meine Empfehlung Bitteschön!

GRIFF NACH DER WELTMACHT - Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/1918

von Fritz Fischer

DIE SCHLAFWANDLER - Wie Europa in den ersten Weltkrieg zog

von Christopher Clark

RUSSLANDS WEG IN DEN KRIEG - DER ERSTE WELTKRIEG 

von Sean McMeekin

Viel Spaß und liebe Grüße!


KingofTargets 
Beitragsersteller
 15.09.2025, 21:30

Danke dir, ich merks mir!

Das ist eine sehr komplexe Frage, zu der es so viele Meinungen wie Menschen gibt. Selbst die Historiker, die sich sozusagen beruflich mit solchen Themen befassen, Quellenmaterial auswerten und generell über sehr ausgeprägtes Wissen verfügen, sind sich diesbezüglich uneinig.

Meiner Meinung nach hat das damalige Deutsche Kaiserreich zwar eine maßgebliche Mit-, aber keine Alleinschuld. Den ersten Schuss dieses Krieges feuerten österreichische Soldaten ab, keine Deutschen. Der "Blankoscheck" aus Berlin war ja keine Pflicht, den Krieg zu beginnen. Man hätte sich in Wien auch anders entscheiden können.

Aber auch auf Seiten der Entente gab es durchaus ein Interesse daran, dass die ganze Sache eskaliert. In Frankreich strebte man nach Rache für 1871 und wollte um jeden Preis Elsass-Lothringen zurückgewinnen. Der Zeitpunkt schien günstig: Deutschland war an zwei Fronten bedroht, und es bestanden Aussichten, Großbritannien auf die eigene Seite zu ziehen (was ja dann auch so geschah).

Und auch in Russland war man bezüglich imperialistischer Ziele nicht zurückhaltend. Österreich sollte gewaltige Gebiete verlieren, und man intrigierte sogar gegen das damals noch neutrale Osmanische Reich - Konstantinopel sollte als "Tsarigrad" endlich wieder in christlich-orthodoxe Hand gelangen.

Sogar das kleine Serbien war bereit, seine Existenz aufs Spiel zu setzen, um endlich sein lang ersehntes südslawisches Reich zu gewinnen - was nach Kriegsende mit Gründung Jugoslawiens auch gelingen sollte.

Es war eine Zeit des allgemeinen Imperialismus. Alle Großmächte beäugten sich argwöhnisch und lauerten nur auf gute Gelegenheiten, zuzuschlagen. Hätte der Krieg nicht 1914 durch die Julikrise begonnen, dann ein paar Jahre später durch irgendeinen anderen Zwischenfall. Und vielleicht wäre der Angreifer dann ein anderer gewesen.