Haben homosexuelle Männer weniger Testosteron?

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Über deine Frage musste ich gerade ein wenig schmunzeln, Mulano. Ich bin bisexuell, was sagt denn das deiner Meinung nach über meinen Testosteronspiegel aus? Habe ich nun den eines heterosexuellen Mannes oder den eines Schwulen? ;-)

Aber gut, versuchen wir es mal ein wenig wissenschaftlich zu betrachten. Meines Wissens nach gibt es keine seriöse Studie, die belegen könnte, dass bei homosexuellen Männern der Testosteronspiegel niedriger oder der Östrogenspiegel höher als bei heterosexuellen Männern sei. Diese Annahme beruht einzig darauf, dass heute immer noch viele Menschen denken, homosexuelle Männer seien in irgendeiner Art und Weise feminisiert und lesbische Frauen umgekehrt irgendwie maskulinisiert. Schuld daran ist wohl unser heteronormatives Weltbild, in dem die Rollenverteilung von Mann und Frau ziemlich klar strukturiert und quasi omnipräsent ist. Heterosexualität begegnet uns schließlich überall im Alltag und wird propagiert als das Selbstverständliche, das "Normale".

Welche Faktoren genau zur Ausprägung der sexuellen Orientierung führen, ist bis heute weitgehend ungeklärt. Aus verständlichen Gründen lehnen manche Homosexuelle diese Forschung auch ab: wenn man nämlich einmal den Mechanismus dahinter verstanden hätte, wäre es möglich Homosexualität zu "heilen" und damit hätten vor allem fundamentalistische Ewiggestrige wieder einen idealen Nährboden für absolut unsinnige Konversionstherapien.
Die Mehrheit der Forscher ist sich zum Glück heute aber darin einig, dass homosexuelles Verhalten keine Krankheit ist, die (selbst wenn das möglich wäre) keiner Behandlung bedarf. Homosexuelles Verhalten ist vollkommen natürlich, weit verbreitet und kommt auch bei anderen Tierarten vor, bislang kennt man Beschreibungen homosexueller Handlungen von mehr als 450 Tierarten, darunter von allen Menschenaffenarten.
Forschung über Homosexualität ist vor allem im Hinblick auf das Evolutionsgeschehen interessant: warum gibt es Homosexualität? Welchen adaptativen Wert hat sie? Diese Fragen sind durchaus interessant und es gibt zahlreiche Erklärungsansätze dafür, die zeigen, dass Homosexualität keineswegs im Widerspruch zur Evolutionstheorie steht.

Nur wenig gilt bislang bei den Auslösern von Homosexualität als gesichert. Zwillingsstudien deuten darauf hin, dass die sexuelle Orientierung zum Teil genetische Ursachen hat. Das Schwulen-Gen schlechthin konnte man bislang jedoch nicht identifizieren und vermutlich wird die sexuelle Orientierung auch viel eher von einer ganzen Reihe unterschiedlicher Gene beeinflusst, die erst in ihrem komplizierten Zusammenspiel die sexuelle Orientierung eines Menschen formen. Diese Studien haben aber auch gezeigt, dass die Gene alleine nicht ausreichen, um die Ausprägung der Sexualität zu erklären. Auch äußere Einflüsse (Umweltfaktoren) scheinen dabei eine Rolle zu spielen. Aber auch hierzu weiß man nur recht wenig. Klar ist nur, dass die Erziehung der Eltern dabei wohl keine Rolle spielt. So sind beispielsweise Kinder in Regenbogenfamilien keineswegs häufiger selbst homosexuell als Kinder aus gewöhnlichen heterosexuellen Familienverhältnissen.

Diskutiert wird, ob eventuell hormonelle Einflüsse während der Schwangerschaft die sexuelle Orientierung beeinflussen können. Wäre ein männlicher Fetus, so die Argumentation, während der Zeit im Mutterleib zu bestimmten Zeitpunkten einer erhöhten Östrogenkonzentration ausgesetzt, solle sich die Gehirnentwicklung in Richtung "weiblich" orientieren mit einer späteren Präferenz bei der Partnerwahl, die dann ebenfalls "weiblich" sein soll. Sprich: es werden Männer bevorzugt. Stichhaltige Beweise gibt es auch dafür jedoch nicht.

Einen interessanten Erklärungsansatz bietet eine Untersuchung von William Rice und seinen Kollegen aus dem Jahr 2012. Sie haben die Hypothese aufgestellt, dass möglicherweise die Vererbung epigenetischer Muster Homosexualität erklären könnte.
Mit Epigenetik sind Mechanismen gemeint, die die Aktivität von Genen regeln, ohne dabei in die Sequenz der DNA selbst einzugreifen. Ganz einfach ausgedrückt geht es dabei um Faktoren, die wie eine Art Lichtschalter die Aktivität von Genen ein- und ausschalten können. Einer der wichtigsten Mechanismen der Epigenetik ist die so genannte DNA-Methylierung. An bestimmten Stellen der DNA, genauer gesagt dort, wo die Pyrimidinbase Cytosin in die DNA eingebaut ist, können Methylgruppen (-CH3) an die DNA angeheftet werden. Diese Stellen sind dann für die Enzymmaschinerie der Zelle nicht mehr erkennbar, sie werden sozusagen durch die Methylgruppen maskiert und das entsprechende Gen kann nicht mehr abgelesen werden.
Die Überlegung der Forscher ist nun, dass es dabei zu einer Vererbung beispielsweise der mütterlichen epigenetischen Muster auf einen männlichen Fetus kommen kann. Da hier nun wie bei der Mutter die gleichen Gene an- und abgeschaltet würden, könnte sich dann beim männlichen Fetus die gleiche sexuelle Präferenz wie die der Mutter ausbilden. Das Problem: üblicherweise werden epigenetische Muster beim Menschen nicht vererbt, sondern im Gegenteil gelöscht und bei jedem Fetus unabhängig von denen der Eltern ein eigenes, neues epigenetisches Muster gebildet. Bei vielen anderen Lebewesen, darunter vor allem bei Pflanzen und auch bei einigen Nematoden, ist nachgewiesen, dass epigenetische Faktoren vererbt werden können. Möglicherweise ist das unter bestimmten Bedingungen auch beim Menschen der Fall, bislang wurde dies jedoch noch nicht bewiesen.

Es gibt noch ein weiteres interessantes Phänomen, das der "ältere-Bruder-Effekt" genannt wird. Schon in der Mitte der 1990er Jahre hat man festgestellt, dass Männer mit größerer Wahrscheinlichkeit homosexuell sind, wenn sie mindestens einen älteren Bruder haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Sohn homosexuell war, steigt mit jedem älteren Bruder, den er hat, um ungefähr 33 %.
Eine Studie aus dem Jahr 2017 durchgeführt von Anthony F. Bogaert und Kollegen liefert nun ein Puzzleteil, das diesen Sachverhalt erklären könnte. Sie vermuten, dass eine Immunantwort der Mutter auf ein bestimtes Protein, NLGN4Y, dafür verantwortlich ist. Das Gen, welches für dieses Protein codiert, befindet sich auf dem Y--Chromosom und man nimmt an, dass dieses Protein in der Ausdifferenzierung des männlichen Gehirns eine wesentliche Rolle spielt. Allerdings kommt dieses Protein bei Frauen nicht vor (sie haben ja kein Y-Chromosom). Das Protein würde vom Immunsystem der Mutter somit als "fremd" erkannt - und was fremd ist, wird vom Immunsystem attackiert. Die Forscher vermuten nun, dass das Immunsystem der Frau Gedächtniszellen bildet, ähnlich wie das nach der Infektion mit einer Krankheit der Fall ist. Kommt es dann zu einer erneuten Schwangerschaft mit einem männlichen Fetus, würde das Immunsystem deutlich schneller und zielgerichteter genau dieses Protein bekämpfen, wodurch das Gehirn, das ja nun nicht mehr unter dem Einfluss von NLGN4Y stünde, sich mit einer sonst eher für Frauen typischen Sexualpräferenz differenzieren würde. Die Forscher konnten in ihrer Studie tatsächlich zeigen, dass Mütter von homosexuellen Söhnen signifikant mehr Antikörper gegen NLGN4Y besaßen als Mütter einer Kontrollgruppe, die nur heterosexuelle Söhne hatten. Signifikant bedeutet in diesem Zusammenhang jedoch erst einmal nur, dass der festgestellte Zusammenhang sehr wahrscheinlich nicht nur zufälliger Natur ist. Wie hoch dieser Einfluss tatsächlich ist, ist weiter unklar. Und: damit ist nicht gesagt, dass automatisch jüngere Söhne zwangsläufig immer homosexuell werden. Denn die Wahrscheinlichkeiten addieren sich ja nicht mit jedem weiteren älteren Bruder (33 % + 33 % = 66 % usw.), sondern beziehen sich auf die Grundwahrscheinlichkeit, dass ein Sohn überhaupt homosexuell ist, und diese ist ziemlich gering, der Effekt ist also messbar, aber wahrscheinlich eher klein.

Quellen

Bogaert, A. F.; Skorska, M. N.; Wang, C.; Gabrie, J.; MacNeil, A. J.; Hoffarth, M. R.; VanderLaan, D. P.; Zucker, K.; Blanchard, R. (2017). Male homosexuality and maternal immune responsivity to the Y-linked protein NLGN4Y. PNAS, Jahrgang 115, Bd. 2, S. 302 - 306

Rice, W. R.; Friberg, U.; Gavrilets, S. (2012). Homosexuality as a Consequence of Epigenetically Canalized Sexual Development. The Quarterly Review of Biology, Bd. 87, Nr. 4

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin bisexuell. 💕💜💙

Nein, dem ist nicht generell so.

Nicht jeder Schwule ist eine hysterisch kreischende Fummeltrine. Ich kannte Schwule welche MÄNNER waren, zuverlässige camerades, Soldaten und in ihrer Freizeit homosexuell. Im Dienst war davon nichts zu bemerken.

Nicht bei mir....

Bin bi, hab auch mal meinen Testosteronspiegel messen lassen (wegen anderen Beschwerden) - war alles im normalbereich....

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung