was du erlebst ist vielen autoren bekannt: der autor macht einen plot und denkt, so sollten seine figuren sich entwickeln bis zum ende der geschichte, aber nach etwa einem drittel merkt der autor, dass sich die figuren selbständig machen und dem autor auf dem kopf herumtanzen, sie scheren sich nicht die bohne um seinen ursprünglichen plot, sondern pochen auf ihren freien willen.
genau das ist ein zeichen, dass es dem autor gelungen ist, seine figuren zum leben zu erwecken. und was lebendig geworden ist, das hat auch seinen freien willen, wie auch wir als geschöpfe unseres schöpfers auf unserem freien willen bestehen: wir können brav das tun, was unser schöpfer von uns erwartet, aber wir können uns auch einen dreck um seine erwartung kümmern und lustig das tun, worauf wir selber gerade am meisten bock haben.
diese selbständigkeit der vom autor ursprünglich nur erdachten figuren ist gerade der reiz des schreibens und der gesamten weltliteratur. du bist also auf dem richtigen weg, und lass dich einfach von deinen figuren und ihrem eigenwillen überraschen, denn "das leben schreibt die besten geschichten".
dadurch entstehen unerwartete wendepunkte, die immer neue spannungsmomente erschaffen und den leser bis zum letzten satz an die geschichte fesseln.
es gibt ja genügend schreibratgeber für liebesgeschichten, in denen das grundrezept der wendepunkte etc. genau festgelegt wird, aber wer mehrere dieser nach rezept gestrickten liebesromane gelesen hat, der verliert bald die lust an diesem genre, weil er das nullachtfünfzehn-rezept durchschaut und als billig und abgeschmackt empfindet.
deswegen ist es um so wichtiger, sich als autor zu freuen, wenn die figuren ihren eigenen kopf durchsetzen wollen, und statt sich als diktator der figuren aufzuspielen zu einem wachsamen geschichtsschreiber zu werden, der einfach als unbeteiligter schreiber protokolliert, was er im spiel seiner figuren erlebt und beobachten kann.