Ich weiß schon, ich weiß schon, "die Antwort vom bösen Dubai-Menschen lese ich mir gar nicht erst durch". Auch wenn du mich nicht leiden kannst, nimm dir kurz die Minute – ich erkenne nämlich mehr und mehr mein jüngeres Ich in dir wieder.
Was du nämlich nicht weißt: Ich hing in der Schulzeit am Rande des Mobbings. Nicht nur weil ich immer eher dünn und extrem unsportlich war, Segelohren hatte und mit 14 die ersten Haare verloren habe, ich bin darüber hinaus Autist. Mit 13 bin ich aufgrund auffälligen Sozialverhaltens von der Schule geflogen und habe damit auch meine letzten Freunde verloren. Irgendwann hat selbst meine Cousine, mit der ich danach auf einer Schule war, mir mal gesagt, dass aus mir nie etwas werden und sich nie jemand, erst Recht keine Frau, für mich interessieren würde. Ich wurde innerlich von hunderten Dämonen zerfressen, bin zeitweise in diese toxische "Self-Improvement-Bubble" abgerutscht und habe mich in einem selbstdestruktivem Suchtverhalten wiedergefunden. Mit 16 habe ich dann auch noch einen Korb von meinem ersten Crush kassiert. In meinem Leben hat also vieles dafür gesprochen, dass auch ich in so einer selbstgehässigen Sackgasse wie du hätte enden müssen.
Glaube mir also bitte, dass ich deinen Frust verstehe. Ich habe Stunden damit verbracht, darüber nachzudenken, was andere haben, das ich nicht habe. Neid ist ein Nervengift. Es zerfrisst dich von innen und raubt dir deine rationale Blickweise. Rational betrachtet ist es nämlich so: Niemand ist besser als du oder "geeigneter für Liebe", weil er "besser aussieht", einen höheren Sozialstatus hat, über bessere Sozialkenntnisse verfügt, oder sonstiges. Ich weiß, dass dir die Leute in diesen Incel-Foren, in denen du dich vermutlich rumtreibst, etwas anderes erzählen wollen. Nur ist es nunmal nicht so schlau, sich Ratschläge von Leuten zu holen, die genau das verkörpern, was man selbst nicht anstrebt. Du sollst den Bock schließlich nicht zum Gärtner machen – oder um Voltaire zu zitieren: "Wenn Blinde von der Farbe reden".
Der Schlüssel lag für mich in zwei Dingen:
- Sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, was in der eigenen Kontrolle liegt, und
- die eigenen, individuellen Stärken zu kennen und Schwächen als Bestandteil seiner Einzigartigkeit (welche in sich selbst eine Stärke ist) zu akzeptieren.
Es geht darum, einen Weg zu finden, der zu dir passt, anstatt zu versuchen, wie jemand anderes zu werden. Ich habe jahrelang versucht, einer dieser "Aufreißertypen" wie die beliebten Jungs aus meiner Klasse zu werden. War als jemand, der auf dem Spektrum steht, nur von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die Eigenarten, die ich als Autist habe, sind aber heute genau das, was meine Partnerin an mir mag.
Jene Dinge, die in deiner Kontrolle stehen und die du ändern möchtest, darfst du natürlich auch ändern. Nicht aber, weil das ein vermeintliches, soziales Ideal von dir verlangt oder du dir dadurch erhoffst, besser bei anderen anzukommen. Das ist nämlich zum Scheitern verurteilt. Um es kurz zu fassen: Du wirst nicht von Frauen umkreist, wenn du zehn Zentimeter wächst und zehn Kilo Muskelmasse zunimmst. Vor allem dann nicht, wenn das eigentlich gar nicht zu dir passt. Den Großteil der Frauen interessieren solche Oberflächlichkeiten absolut null. Schon klar, ist aus der Sichtweise eines Mannes schwer zu verstehen, entspricht aber der Wahrheit.
Ich würde von mir selbst behaupten, heute äußerlich in guter Form zu sein, stehe finanziell gut da und habe eigentlich alles, was ein Incel für den „Traumtypen“ einer jeden Frau erklären würde. Am Interesse der Frauen hat sich nur nichts geändert – das Problem war nämlich nie meine äußere Erscheinung oder meine Sozialfähigkeiten, sondern mein von Neid zerfressenes Ich und meine Selbstkritik.
Nachdem ich realisiert habe, dass jeder Mensch individuelle "Schwächen" hat und niemand perfekt ist, ist es mir mit der Zeit auch leichter gefallen, auf Menschen zu- und mit ihnen umzugehen. Ich habe echte Freunde sowie meine jetzige, langjährige Partnerin gefunden – übrigens bevor aus mir "was wurde". Meine vermeintlichen "Schwächen" habe ich gelernt für mich zu nutzen, was mir ermöglicht hat, mit 18 ein Unternehmen zu gründen und meiner Heimatstadt und all ihren Erinnerungen den Rücken zu kehren. Diese "Aufreißertypen" hingegen, zu denen ich früher unbedingt dazu gehören wollte... Was aus denen "geworden" ist, darüber sprechen wir besser nicht. Dass sie in ihrer Jugend viel gevögelt haben, wird nüchtern betrachtet bei vielen von ihnen der einzige "Erfolg" bleiben. Zufrieden schien auf dem Ehemaligentreffen zumindest keiner von ihnen zu sein. Und die meisten hatten ohnehin nur Augen für meine Partnerin...
Was ich sagen will: Die Welt ist wirklich nicht so unfair, wie sie dir erscheint. Ausnahmslos jeder hat seine eigenen Dämonen, mit denen er kämpft. Manchmal sieht es so aus, als ob andere alles hätten, was du willst, und du nichts hättest, was andere wollen, aber du betrachtest die Dinge viel zu oberflächlich. Es gibt zu absolut jedem Topf da draußen einen passenden Deckel. Wenn ich meinen gefunden habe, wirst auch du deinen finden. Damit das passiert und du jemand anderen lieben und jemand anderen dich lieben lassen kannst, musst du aber erst lernen, dich selbst zu lieben.
Alles Gute.