Wieso lassen sich die meisten Atheisten nichts von Gläubigen sagen, und die meisten Gläubigen nichts von Atheisten - warum sind beide Lager so sehr überzeugt?

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo, EVYTNG!

Die Diskussionen zwischen Gläubigen und Atheisten werden meiner Beobachtung nach ‒ paradoxerweise ‒ deshalb so erbittert geführt, weil sie auf der falschen Ebene Ebene geführt werden, nämlich nahezu ausschließlich auf der sachlichen. Glaube und Religion jedoch sind zutiefst persönliche, subjektive Dinge. Soll ein solches Gespräch ein wirklicher Dialog auf Augenhöhe sein, dann müssten beiden Seiten den Mut finden, aus ihrem Leben zu berichten. Sie müssten dem anderen erzählen können, wie sie zu ihrer Haltung gekommen sind, welche Menschen, welche Begegnungen, welche Ereignisse wichtig waren auf ihrem bisherigen Lebensweg ‒ und sie müssten sicher sein können, vom anderen

  1. nicht unterbrochen zu werden bis zum Schluss und
  2. nicht abqualifiziert oder verurteilt zu werden.

Wie unendlich schwer es ist, diese beiden Grundregeln der Kommunikation auch und gerade in den Gesprächen über Glaube, Gott und Religion einzuhalten, zeigt nahezu jede Fernsehsendung, die sich diesen Fragen zu widmen versucht.

Alle Fragen von Glaube und Religion sind zudem regelmäßig mit tiefen subjektiven Gefühlen verbunden ‒ auf allen Seiten. Und es ist offensichtlich eine reife Leistung, den anderen wertzuschätzen, oft genug auch sein Leiden, seine Trauer, seine Verbitterungen, ohne sich über den möglichweise so andersartigen Standpunkt zu ereifern und in Rage zu reden, sondern diesen anderen Standpunkt für die Redezeit des anderen einfach erst einmal auszuhalten.

Die Frage ist also: Wie gewinne, wie lerne ich die innere Ruhe und Souveränität, wenn der andere sich in einer Weise äußert, erzählt, die von meiner eigenen so deutlich abweicht? Wie lerne ich, mich in solchen Momenten des Dissenses nicht angegriffen und verletzt zu fühlen, so dass ich nicht anders kann, als ihm augenblicklich in die Parade zu fahren? Diese Lernaufgabe ist offensichtlich ebenso gewaltig wie unerlässlich, wenn auch ein solches Gespräch für beide Seiten auch nur den geringsten Gewinn, den geringsten Fortschritt ín Richtung eines verbesserten Verständnisses für den anderen bringen soll...

Achim

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Theologiestudium

Mhh naja. Ich habe mit sehr vielen Gläubigen gesprochen. Wirklich unglaublich vielen. Das hatte meist diese Gründe:

Entweder, man ist aus logischer Sicht einfach unglaublich überzeugt und es waren schon persönliche Erfahrungen dabei (gut von 1.000 mal Beten hat einmal funktioniert) welche für den Gläubigen ihr persönlicher Beweis für den Glauben ist. Vollkommen legitim

Außerdem habe ich selbst auch die Frage gestellt, welche Entdeckung oder Erfindung den Christentum, das Judentum und den Islam sozusagen wiederlegen würden. Es wurde ganz passend geantwortet: "Egal wie viel wir beweisen, zeigen oder darstellen. Der Gläubige ist so biased, dass er seine heilige Schrift dann einfach komplett neu interpretieren würde. Wenn unsere Erfindungen dann ganz von der Heiligen Schrift abweichen, sodass man nicht mehr neu interpretieren kann, würde man das als Zeichen Gottes wahrnehmen ein weiteres, neues Testament hinzuzufügen"

Interessante Beobachtung, wenn du ganz nahe daran kommst einen Gläubigen vom Atheismus zu überzeugen oder logikfehler in seinem Glauben zu erkennen, wie z.B gute Argumente liefern oder einem Muslimen zum Beispiel sagen und zeigen, dass der Islam alleine auf Basis von Gewalt groß wurde und im Koran noch Zeitlose Aufrufe zur Gewalt hat (sure 9:39, und noch viele viele weitere) dann stimmen sie dir nicht etwa überein, sondern sie lehnen jeglichen Inhalt ab, gehen überhaupt nicht auf den Inhalt sein und sagen meist "ach alles Schwachsinn" und wenn du darum bittest auf den Inhalt einzugehen, kommt "ne auf so einen Unsinn kann man nicht eingehen" was einfach ganz offen zeigt, dass sie nicht weiter argumentieren können. Manche schlaue gläubige oder auch Pastoren mit denen ich gesprochen habe argumentieren anders, sinnvoller und freundlicher. Das ist dann aber seltener

Warum einige Atheisten so überzeugt sind?

Bei vielen ist hier auch ein ähnliches Muster wie bei den Gläubigen zu erkennen. Hier ist es nur oft so, dass manche glauben die Wahrheit erkannt zu haben und deshalb jeglichen Theismus einfach vollkommen ablehnen. Nicht nur ablehnen, sondern, genau wie die meisten gläubigen, einfach überhaupt nicht auf den Inhalt einzugehen weil man es doch besser weiß. Außerdem erkenne ich bei Atheisten viel öfter das Muster, zwanghaft anderen ihre Meinung aufzudrängen und Religionen so schlechtzureden wie es geht. Ja, historisch gesehen war es egal wo welche Religion seine Fühler ausgestreckt hat (außer im Buddhismus die waren immer friedlich), es waren immer Morde, Vergewaltigung, Folter, zwangskonvertierung, Lügen etc. die Folge. Heute ist das aber größtenteils anders. Die meisten Religionen heute schweißen zusammen, bieten Hoffnung und einen Sinn im Leben.

Bin selbst Atheist, aber man hat sich trotzdem nicht so zu verhalten, als würde man alles besser wissen und die Wahrheit erkannt zu haben. Niemand sollte dem anderen seine Wahrheit aufdrängen und stets auf den Inhalt eingehen. Ja, sogar auch dann, wenn die Person vor dir behauptet die Erde wäre flach

Weil ihre Identität von ihrer Überzeugung abhängt.

Ein wechsel oder Zweifel käme einer Selbstaufgabe gleich.

Es geht bei Diskussionen aber auch nicht darum, der Gegenseite etwas zu sagen oder diese zu bekehren - das wäre aus obigen Grund gar nicht bzw. nur sehr selten möglich.

Es geht um die anderen Leser, die Orientierung suchen und sich anhand der Argumente für eine Weltanschauung entscheiden.

Weil die andere Seite mir unlogisch erscheint, warum sollte ich das dann annehmen. Als würde mir jemand sagen, Schweine können fliegen. Da bin ich sehr sicher das sie es nicht können außer sie werden geworfen. 🙂


latricolore, UserMod Light  06.01.2024, 20:50
Da bin ich sehr sicher das sie es nicht können außer sie werden geworfen. 🙂

Ich liebe solche praxisnahen Beispiele!! 😁😁

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Wenn die jeweilige Seite die Perspektive des andern respektiert, also anerkennt, dass diese anders ist und auch sein darf, man diese also aushält, ist ein echter Dialog möglich, ohne dass der eine dem andern gram ist, nur weil er es anders sieht. So lernt man sich kennen und schätzen, auch wenn die Absichten anders sind.