Wie genau sieht die Mathematik im Chemie-Studium aus?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Es gibt nicht "das" Chemiestudium. Sondern jede Uni/Hochschule überlegt sich selbst, was man als sinnvoll ansieht und was für Lehrveranstaltungen zusammen passen. Und entsprechend auch, was für Grundlagen dafür noch vermittelt werden sollten.

Ich hatte z.B. im Bachelor nur ein sehr einfaches Mathematik-Modul, effektiv nur Wiederholung des Abiturstoffs. Reichte auch für alles, was in dem Studium gemacht wurde. Jetzt bin ich im Masterstudium an einer anderen Uni und diejenigen, die hier den Bachelor gemacht haben, hatten zwei weitaus anspruchsvollere Mathe-Module. Braucht man hier auch, um klarzukommen.

sie z.B. eher beweis-lastig und theoretischer Natur oder eher Anwendungsbezogen

Bei mir war es innerhalb des Mathe-Moduls ausschließlich theoretisch und "damit man's kann". Und dann gab es eben während des Studiums immer mal wieder Momente, wo ich feststellte "guck an, das haben wir damals in Mathe gemacht".

Zumindest bei dem, was der Physik-Professor hier über Quantenchemie erzählt, habe ich allerdings auch den Eindruck dass der Anwendungsfall ein purer Selbstzweck ist...

Rechne z.B. damit, dass Vektoren und Matrizen eine wichtige Rolle spielen :)

LittleBlackHole 
Fragesteller
 18.08.2021, 22:13

Wie hast du/haben sie den Umstieg denn dann geschafft? Also von einfacher zu anspruchsvoller Mathematik. Gibt es für den Wechsel zu einer anderen Uni sowas wie "Vorbereitungskurse" für den Master?

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RedPanther  18.08.2021, 22:29
@LittleBlackHole
Wie hast du/haben sie

Wir sind im Internet, da ist das Du der Normalfall ;)

Gibt es für den Wechsel zu einer anderen Uni sowas wie "Vorbereitungskurse" für den Master?

Normalerweise nicht. Es wird geschaut, ob die Module, die man im Bachelorstudium absolviert hat, sich so ungefähr als Grundlage fürs Masterstudium eignen... wenn ja, fängst du ganz normal und ohne Extratouren mit dem Master an und wenn nicht, bekommst du ggf. die Chance, während des ersten Semesters noch 1-2 Module aus dem Bachelorprogramm nachzuholen und dich sozusagen nachträglich zu qualifizieren.

Ich hätte natürlich auch einfach in die Mathematik-Vorlesungen der Bachelorstudenten gehen können. Sagt ja keiner, dass man dann auch die Prüfung mitmachen muss ;) Allerdings hätte das Terminüberschneidungen gegeben und zu lange gedauert.

Wie hast du den Umstieg denn dann geschafft? Also von einfacher zu anspruchsvoller Mathematik.

Hinsetzen, Informationsquellen suchen und lernen... in meinem Fall so, dass ich die Pflicht-Hausaufgabe rechtzeitig zum Abgabedatum lösen konnte. War dann eben kein entspannter Start ins neue Semester.

Das ist eben studieren. Man lernt in erster Linie eigenverantwortlich, bekommt nicht mehr alles hergerichtet. Das ist auch schon im Bachelorstudium so: Wenn du merkst, dass Vorwissen vorausgesetzt wird das du nicht besitzt, holst du dieses eben nach oder bringst dich anderweitig in die Lage, die Modulprüfung trotzdem zu bestehen.

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LittleBlackHole 
Fragesteller
 18.08.2021, 22:54
@RedPanther

1) Aber es ist definitiv machbar oder? auch in der entsprechenden Regelstudienzeit (wenn man sich dransetzt und versucht den Stoff aufzuholen)?

2) Was für einen Master-Schwerpunkt hast du, wenn ich fragen darf?

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RedPanther  19.08.2021, 05:46
@LittleBlackHole

Ja, ich kenne nur eine Studentin in der Naturwissenschaft, die Mathe nicht gepackt hat. Und bei der war selbst schuld, es war klar dass der Prof. in seinem letzten niemanden durchfallen lässt und sie hat die Prüfung trotzdem nicht angetreten. Sonst war mWn nie Mathe das Problem.

Wenn's mal ein Semester länger dauert, ist das eben so. Eine Entscheidung, die einem viel Druck nehmen kann.

Mein Masterstudiengang heißt Biotechnische Chemie.

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Das war das Lehrbuch bei meinem Studium.

https://www.medimops.de/hans-zachmann-mathematik-fuer-chemiker-gebundene-ausgabe-M03527303154.html

Wende dich an die Fachschaft der Chemie. Da kannst Du Bücher, Geräte und alte Klausuren bekommen. Die können dir auch Skripte zu Vorlesungen geben.

Da ich in der Oberstufe im GK in Mathe immer gut war, hatte ich keine Schwierigkeiten mit dem Stoff und der abschliessenden Klausur.

Viel Erfolg beim Einstieg.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – gelernter Diplom Chemiker

Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten. Es kommt auch sehr darauf an, wo man im Laufe des Studiums hin will, d.h. in welchem Fachbereich man sich spezialisieren will.

Wie genau sehen die Mathematik Vorlesungen, Kurse und Klausuren [aus]?

Die Vorlesungen bestehen in meiner Erfahrung daraus, dass ein verwirrter alter Mann an einer hemmungslos überdimensioniert scheinenden Tafel steht und ihm eine stetig sinkende Zahl Studierender dabei zusieht, wie er sich mit Kreide bestaubt und unter wirrem Murmeln solange griechische Buchstaben an die Tafel kritzelt bis sie voll ist. Dann gibt es eine kurze Pause, die Tafel wird abgewischt, dann folgt dasselbe nochmal.

Bei Übungen/Tutorien/Kursen kommt es sehr drauf an, wer die Übung leitet. Oft sind das Master-Studierende oder Doktorand*innen, aber eben oft keine Didaktiker. Übungen können dennoch sehr sinnvoll sein, weil man dort wesentlich besser - beziehungsweise überhaupt - Fragen stellen kann als in den Vorlesungen. Im Wesentlichen werden in Mathe-Übungen aber Aufgaben gerechnet und besprochen.

eher beweis-lastig und theoretischer Natur oder eher Anwendungsbezogen

Hier kommt wie gesagt zum Tragen, wo man ist und wo man hin will. An meiner Uni war es im Bachelor-Studium (allerdings Biochemie und nicht Chemie) so: Es gab in den ersten beiden Semestern je eine Vorlesung "Rechenmethoden der Chemie" samt Klausur. Dort wurden die mathematischen Konzepte gelehrt, die man im Laufe des Studiums brauchte. Die Klausuren waren vergleichsweise (!) einfach, inhaltlich aber rein mathematisch; kein Funke Chemie zu spüren.

Parallel dazu bzw. kurz danach gab es aber noch mehrere weitere Vorlesungen - Quantitative Analytik und Physikalische Chemie - in denen ebenjene Konzepte dann gebraucht wurden. Dort wurden hauptsächlich Gleichungen hergeleitet, die man in den Klausuren anwenden musste. Am Ende des Tages ging es dort um das geschickte Umformen von Gleichungen, um anhand gegebener Größen andere Größen zu berechnen.

Als besonders "anwendungsbezogen" empfand ich das alles nicht. Die Vorlesungen in "Quanti" und "PC" - so heißen sie im Studierendenjargon - wirkten zwar, als hätten sie etwas mit Chemie zu tun, im Labor brauchte man aber - zumindest im Bachelor - relativ wenig davon - wozu eine Gleichung manuell herleiten, wenn man sie kurz googeln kann. Das mag sich ändern, wenn man sich auf eine der beiden Sachen spezialisiert. Ich persönlich war immer mehr der Typ Organische bzw. Biologische Chemie, und dort fühlt es sich schon nach Overkill an, wenn man mal das Ideale Gasgesetz nutzt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Mein Tipp ist: Genieße die Zeit die dir bleibt. Die Schulmathematik hat dich ohnehin nur sehr wenig auf die Hochschulmathematik vorbereitet. Abstrakte Mathematik wie sie an der Hochschule erforderlich ist wurde leider im Zuge einiger (meiner Ansicht nach fehlgeleiteten) Bildungsreformen auf dem Altar der Anschauung geopfert.

Du wirst nun Mathematik von Grund auf und ganz anders kennen lernen. Dabei mußt du lernen dich vom "warum" und vor allem vom "wofür" zu lösen. Du mußt lernen nur mit den Regeln die dir gegeben werden zu arbeiten und nichts anderes zu verwenden. Keine Angst, das ist zu schaffen wie tausende Studierende vor dir bewiesen haben. Aber es kann ein harter Weg sein, wenn dir die nötige Einlassungsbereitschaft fehlt.

Um dich ein wenig an die mathematische Sprache zu gewöhnen, kann eventuell das Buch von Beutelsbacher

https://www.amazon.de/Das-ist-trivial-mathematischer-Studienanf%C3%A4nger/dp/3834807710

hilfreich sein. Grundlage für viele natur- und ingenieurwissenschaftliche Studiengänge sind die Bücher von Papula

https://www.amazon.de/Mathematik-f%C3%BCr-Ingenieure-Naturwissenschaftler-Band/dp/3658217456

Aber das wichtigste zum Studium hat mir mein Informatikprofessor im ersten Semester gesagt: "Studium ist die letzte freie Zeit Ihres Lebens. Nutzen Sie sie!"

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Dipl.Math.
LittleBlackHole 
Fragesteller
 18.08.2021, 21:21

Sind Kurse wie z.B. die Seite "hm4mint.nrw" geeignet um sich darauf einzustellen was mich erwartet?

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RedPanther  18.08.2021, 21:24
Die Schulmathematik hat dich ohnehin nur sehr wenig auf die Hochschulmathematik vorbereitet.

Kommt drauf an. Ich finde, dass die Mathematik im Abitur sich wunderbar als Grundlage für das Erlernen der "Hochschulmathematik" eignet.

Wenn du als "Vorbereitung" forderst, dass man es schon konkret lernt, liegt der Fall natürlich anders.

Aber das wichtigste zum Studium hat mir mein Informatikprofessor im ersten Semester gesagt: "Studium ist die letzte freie Zeit Ihres Lebens. Nutzen Sie sie!"

Studium? Freie Zeit? Dann läuft bei mir was schief. Der 12h-Tag, den ich jetzt zur Prüfungsphase habe, wäre bei einer Arbeitsstelle gar nicht zulässig.

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DerRoll  19.08.2021, 07:47
@RedPanther
Wenn du als "Vorbereitung" forderst, dass man es schon konkret lernt, liegt der Fall natürlich anders.

Nein das tue ich nicht. Aber ein paar Grundlagen in mathematischen Formalismen und insbesondere in mathematischer Sprache können nichts schaden. Ich habe im LK Mathe noch gelernt was eine Gruppe ist, wie das mit den Peano Axiomen funktioniert und auch wie man ein Integral über Ober- und Untersumme berechnet. Das natürlich nur angeschnitten und ein wenig oberflächlich, aber zumindest so das man schon eine Ahnung hatte was an der Uni passieren wird.

Studium? Freie Zeit? Dann läuft bei mir was schief. Der 12h-Tag, den ich jetzt zur Prüfungsphase habe, wäre bei einer Arbeitsstelle gar nicht zulässig.

Allerdings läuft dann was schief. Was genau kann ich aus der Ferne natürlich nicht beurteilen, aber das sollte über einen längeren Zeitraum nicht der Fall sein. Meine Rechnung war immer 50% Lehrveranstaltungen und 50% nacharbeiten/Hausarbeiten sollten zusammen auf eine etwa 40-50 Stundenwoche kommen. Du bist schließlich noch nicht am promovieren, oder?

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RedPanther  19.08.2021, 07:54
@DerRoll

Nein, Promotion gebe ich mit definitiv nicht. Ich hatte eigentlich schon nach dem Bachelor keine Lust mehr. Wird Zeit, dass ich endlich mal Geld verdiene. (das Studium ist für mich längst nur noch Mittel zum Zweck)

Ehrlich gesagt, ich bin bisher bestens ohne Gruppen und Peano-Axiome zurecht gekommen. Ich sehe das Rechnen in der Naturwissenschaft als reines Mittel zum Zweck. Lieber im Einzelfall nochmal schnell was nachholen, wenn man's braucht. So wie ich's z.B. mit den komplexen Zahlen hatte, als ich in den Master kam. Da ging eben ein Nachmittag für drauf und dann konnte ich die betreffenden Hausaufgaben machen. Ohne dass mich jemand in einer Prüfung damit genervt hätte ;)

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