Welche Erzählperspektive ist in Faust I?

3 Antworten

Eine Erzählperspektive ist eine Art Beobachterposition, aus der uns das Geschehen oft aus der Individualität einer Figur, die es beobachtet, überdacht und bewertet, übermittelt wird. In dem Satz "Er stand am Fenster und dachte über den Vormittag nach" schimmert durch, dass sich diese Perspektive hier IN der Figur "Er" befindet; sonst könnte der Erzähler nicht von dem - nach außen nicht erkennbaren - Gedanken erzählen, er wüsste den Gedanken nicht: Dies ist eine personale Erzählsituation, übrigens literarisch die häufigste. Sie ist recht flexibel, kann problemlos die Position wechseln.
Eine wichtige Variante ist die Ich-Erzählung, die das Wissen um innere Regungen der Figuren in ein selber erzählendes "Ich" hineinverlagert und darauf beschränkt. Sie ist für den Erzähler nur schwer zu verlassen.
Eine auktoriale Perspektive weiß gewissermaßen alles, kann in die Erlebniswelten unterschiedlicher Figuren gleichzeitig hineinsehen: Sie gerät leicht monströs bzw. wird unglaubwürdig, wenn der Erzähler "es übertreibt".
Eine neutrale Perspektive schließlich beschränkt sich auf eine AUSWAHL des zu Erzählenden, das von außen betrachtet und geschildert wird, ohne Wissen um nicht von außen erkennbare Regungen, Gedanken der Figuren. Gewissermaßen dem "Bericht" ähnlich.

So viel zur Vorrede. Welche Erzählperspektive soll nun in einer Passage wie z.B. dieser (berühmten) zu entdecken sein?

"Nacht.
In einem hochgewölbten, engen, gothischen Zimmer Faust unruhig auf seinem Sessel am Pulte.

Faust:
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerey und Medicin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studirt, mit heißem Bemühn.
(...)"

Nur der fett kursiv gesetzte Teil kann als erzählperspektivisch beeinflusst bezeichnet werden. Es würde sich um eine "neutrale" Perspektive handeln. Auch die sein Gemütszustand "unruhig" ist durchaus "von außen" an Faust erkennbar. Gewissermaßen sind solche im DRAMA enthaltenen Regiehinweise notwendig, um einen Bühnenraum und das Auftreten einzelner Figuren zu konstituieren. Darin jedoch eine Erzählperspektive in einem Drama auszumachen, ist etwas übertrieben und beim "Faust" auch kaum hilfreich.

Anton229 
Fragesteller
 19.01.2020, 17:43

Danke für die Überausführliche Antwort. Hilft mir sehr

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Faust I ist keine Erzählung...

ErnstSorge  20.01.2020, 13:02

Das wird dem Fragesteller bestimmt weiterhelfen.

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achwiegutdass  20.01.2020, 13:29
@ErnstSorge

Bestimmt: er hat mit auch für diese Antwort gedankt. Dein Kommentar dagegen würde ich höflicherweise als "überflüssig" bezeichnen.

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Keine Erzählung, ein Drama/Theaterstück/Schauspiel.

verreisterNutzer  19.01.2020, 16:53

Im Faust gibt es aber Trotzdem verschiedene Erzählperspektiven auch wenn der Faust keine Erzählung sondern ein Drama ist

Erzählperspektiven Meinen ja wie der Inhalt dem Leser vermittelt wird

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sigma5610  19.01.2020, 16:55
@verreisterNutzer

Nein. Es gibt im Drama keinen Erzähler. Du bekommst das Geschehen direkt präsentiert. Niemand sagt: "Da näherte sich Mephisto und flüsterte Faust etwas ins Ohr. Gretchen wurde ganz blass. Sie spürte, dass Mephisto nichts Gutes im Schilde führte usw."

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verreisterNutzer  19.01.2020, 17:08
@sigma5610

Habe den Faust lange nicht mehr gelesen aber weiß aufjedenfall noch viel vom Inhalt und von der Dramentheorie aber wie das mit der Erzählperspektive ist weiß ich auch nicht so aus dem Kopf

Normalerweise gibt es ja auch keinen Erzähler beim Drama

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