Wie lautet die Freiheitsdefinition von Peter Bieri?

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Das Begriffsverständnis kann einem Buch entnommen werden.

Peter Bieri, Das Handwerk der Freiheit : über die Entdeckung des eigenen Willens. München ; Wien : Hanser , 2001. ISBN 3-446-20070-3

Das ausdrückliche Aufstellen von Definitionen ist in dem Buch verhältnismäßig selten. Häufig ist ein Ausschreiten von Aussagen und Gedanken, bei dem etwas näher erläutert und in seiner Bedeutung zum Vorschein zu bringen versucht wird. Oft kommen weitere Gesichtspunkte im Einzelnen hinzu.

Definitionen der Freiheit (Gegenbegriff: Zwang):

Frei ist man, wenn man auch anders handeln kann.

Zur Handlungsfreiheit gibt er eine verbreitete Definition: Jemand ist frei, wenn er tun und lassen kann, was er will.

Wichtiger ist das Begriffsverständnis der Willensfreiheit. Frei ist, wer die Fähigkeit besitzt, seinen Willen in Abhängigkeit von seinem Urteil zu verändern. Freiheit besteht darin, den eigenen Überzeugungen gemäß handeln zu können. Anders ausgedrückt folgt der freie Wille dem eigenen Urteil darüber, was zu wollen richtig ist.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert:

1) Bedingte Freiheit: Freiheit des bedingten Willen als Freiheit der Entscheidung

2) Unbedingte Freiheit: Idee unbedingter (absoluter) Freiheit ist in sich nicht stimmig,

3) Angeeignete Freiheit: weitergehende, angereicherte Form der Willensfreiheit

  • Artikulation: Klarheit darüber, was genau es ist, was ich will

  • Verstehen des eigenen Willens: Eindruck der Fremdheit auflösen

  • Bewertung des eigenen Willens: gutgeheißener/gebilligter, als frei empfundener Wille (der Wille ist frei, weil er der Wille ist, den ich haben möchte)

Peter Bieri vertritt einen Kompatibilismus, also den Standpunkt, die Existenz von Willensfreiheit sei mit Determinismus vereinbar. Eine Einbindung in eine Naturgesetzlichkeit schließt nach seiner Auffassung nicht aus, in Reflexion und bewußter Entscheidung Willensfreiheit zu haben (als wichtigen Gesichtspunkt nennt er dazu die Fähigkeit, bei der Willensbildung Abstand zu eigenen Wünschen und Tendenzen einzunehmen, einen inneren Fluchtpunkt).

Peter Bieri erläutert nicht, was mit „bestimmen“ und „bedingen“ jeweils genau gemeint ist. Insofern erleichtert eine gewisse Verschwommenheit, sowohl Willensfreiheit als auch (weichen/gemäßigten) Determinismus als vorhanden zu vertreten. Ihm reicht die Innenperspektive, sich das Überlegen und Wollen als eigenes zuzuschreiben und sich daher als frei zu verstehen, unabhängig davon, ob (von einer Außenperspektive betrachtet) durch Bedingtheiten etwas festgelegt ist oder nicht. Wenn mit strikter Notwendigkeit alternativlos feststeht, was bei der Willensbildung herauskommt, ist es aber anfechtbar, eine persönliche Aneignung des Inhalts des Wollens als ausreichend für die Existenz von Willensfreiheit zu verstehen.

weitere Aussagen im Buch zum Freiheitsbegriff:

S. 80: „Die Freiheit des Willens liegt darin, daß er auf eine bestimmte Weise bedingt ist: durch unser Denken und Urteilen. Der triumphierende Ausruf ist deshalb so zu lesen: »Ich könnte auch etwas anderes machen, wenn ich anders urteilte!« Es ist die ganz bestimmte Verbindung zwischen Urteil und Willen in der die Freiheit besteht.“

S. 82: „Es macht die Freiheit eines Willens aus, daß er auf bestimmte Weise gebunden ist. Es liegt in der Natur der Entscheidungen, daß sie den Willen binden.“

S. 410 – 411: „Es gehört zur Freiheitsvorstellung, daß wir Urheber, Subjekt oder Autor nicht nur unseres Tuns, sondern auch unseres Wollens sind. Daß dies nicht heißen kann, als reines Subjekt hinter allen Willensgründen Regie zu führen, sahen wir in dem zweiten Teil. Im ersten Teil haben wir die Urheberschaft und das Subjektsein denn auch anders verstanden. Sie bestehen darin, daß wir es sind, die durch Überlegen bestimmen, wie unser Wille sein will. Vor dem Hintergrund des Aneignungsgedankens können wir diese nun anreichern: Wenn es uns gelingt, einen Willen zu entwickeln, den wir uns artikulierend, verstehend und bewertend zu eigen gemacht haben, so sind wir in einem volleren Sinn sein Subjekt und Urheber, als wenn wir uns nur aufgrund irgendwelcher Überlegungen für ihn entscheiden. Dies hat damit zu tun, daß die Überlegung jenes gewöhnliche, alltägliche Raissonement sowohl an Tiefe als auch an Reichweite übertrifft. Struktur, Gehalt und Dynamik unserer Wünsche werden in weit größerem Umfang zum Thema und damit ist die Erfahrung verbunden, daß wir uns ein größeres Stück unserer Innenwelt zu eigen machen. Wir breiten uns in unserem Subjektsein immer weiter nach innen aus, so daß das Erlebnis, von unserem Wunsch auf blinde Art und Weise bloß getrieben zu werden, seltener und das Bewußtsein, Herr der Dinge zu sein, häufiger wird.“

Am bekanntesten ist Bieris Buch Das Handwerk der Freiheit mit der Kernthese:[

Auch wenn die Naturgesetze bestimmen, was wir tun und denken, können wir uns unter Berücksichtigung der jedem Menschen gegebenen Bedingtheiten als frei verstehen. Frei sind wir in diesem Sinne genau dann, wenn wir unseren eigenen Überzeugungen gemäß handeln können. Ein solcher Freiheitsbegriff, der ein bewusstes Reflektieren und eine bewusste Entscheidung voraussetzt, aber auch für möglich hält, steht nicht im Gegensatz zum Determinismus. Die Idee einer "absoluten Freiheit", die gegen den Determinismus gerichtet ist, ist begrifflich inkohärent.

Aus Wikipedia

berkersheim  20.10.2011, 15:31

Hier muss man natürlich aufpassen, was Bieri unter Determinismus versteht, nämlich die Tatsache, dass wir in Naturgesetze eingebunden sind, die uns nicht erlauben, einfach so von der Erde abzuheben, auch wenn wir es wollten. Aber innerhalb dieser Naturgesetzlichkeiten mag zwar "ein bewusstes Reflektieren und eine bewusste Entscheidung" von Veranlagung und Außenverhältnissen her in eine Tendenz gedrängt werden, doch können wir dieser auch zuwiderhandeln. D.h. der Determinismus Bieris ist nicht bis in die Welt von Gedanken und Gründen lückenlos durchgehend.

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