Was tust du, wenn du deine Gedanken nicht in Worte fassen kannst?
25 Antworten
Mein ganzes Leben hindruch,
lieber BrainFog,
gehe ich damit um, Dinge und Gedanken in Worte zu fassen. Dadurch, dass ich, wie auch Schiller, Hegel, Hesse oder Hauff, im Schwabenland geboren bin und das Schwäbische meiner Kindheit noch eine recht derbe Sprache war, haben meine lieben Eltern, die in unserem Städtle ein Modehaus mit viel Kontakt zu den Menschen hatten, von frühester Kindheit an darauf geachtet, dass ich ein schönes Deutsch spreche und mich bemühe, mich gut und klar ausdrücken zu können.
Mein lieber Vati war ein Schlesier, der lupenreines Hochdeutsch sprach, was auch ich bis zu meinem 14. Lebensjahr tat. Meine liebe Mama war Vollkaufmann und wurde in der höheren Handelsschule in Heidenheim, auf der sie damals als einziges Mädchen unter lauter Jungen ihre Ausbildung machte, von einem speziellen Lehrer darauf getrimmt, im Kundenkontakt gut und schön zu sprechen. Dazu gehörte auch, eine stilvolle und sorgfältige Ausdrucksweise zu wählen und zu verwenden, die sich von der rauen und kruden schwäbischen Sprache vollkommen abhob. Und auf diese freundliche Umgangsweise auf ihre Umwelt zu wirken.
Meine lieben Eltern waren inmitten einer tief schwäbisch sprechenden Umgebung für mich die Lichter, die mir sprachlich den Weg wiesen, sodass es schon als Kind für mich in meiner grenzenlosen Fantasie nichts gab, das ich nicht in Worte fassen und beschreiben konnte.
So war es dann auch eine logische Schlussfolgerung, dass ich einen solchen Beruf wählte, in dem Worte das Zentrum meines Lebens waren und ich weiterhin nichts anderes tat, als Gedanken und Geschichten über Menschen und deren Leben in Worte zu fassen.
Wenn ich denke, lieber BrainFog, so denke ich immer in Geschichten, als Erzähler. Dies kann auch in Briefform an Menschen sein, die mir am Herzen liegen. So wie Goethe seine 1770 Briefe an Charlotte von Stein geschrieben hat, und seine Gedanken auf Papier gebracht hat, so schreibe ich in Gedanken Briefe, Geschichten, Abhandlungen und speichere diese alle dann in meinem Unterbewusstsein ab.
Und wenn ich dann in eine Situation komme, in der ich die Dinge oder Gedanken in Worte fassen muss, d.h. mich sprachlich ausdrücken soll, wie es gang und gäbe bei einem Geisteswissenschaftler ist, dann greife ich auf den unermesslichen Fundus meiner Worte zurück, die ich seit frühester Kindheit in meinem Unterbewusstsein abgespeichert habe und hole diese dort hervor!
Auf diese Weise, da ich allein schon beruflich jahrzehntelang nichts anderes mache, als mich sprachlich auszudrücken, gibt es so gut wie nichts, das ich nicht sprachlich ausdrücken könnte. Ich sehe mich als Künstler, ähnich meinem geliebten Renoir, der Augenblicke malerisch festhält und so mache ich es mit meinen Gedanken, Gefühlen, Erfahrungen oder abstrakten Dingen und strebe danach, diese durch Sprache für jedermann klar und verständlich zu machen.
Dabei empfinde ich hierbei nicht nur große Lust mit Worten zu jonglieren, sondern es ist meine ausgewiesene Leidenschaft! Meine Berufung!
Aus diesem Grund kann i c h auch deshalb mit sogenannten Emojis überhaupt nichts anfangen. Ich drücke meine Gefühle in Worten aus und zu Emojis habe ich, bis auf zwei, drei Ausnahmen, einem Daumenhoch, einem gelben und einem roten Herz, keinerlei Bezug, sie liegen außerhalb meiner Welt.
Heute Morgen wünschte mir ein lieber Freund per E-Mail einen guten Morgen und am Ende der Worte befand sich ein Emoji. Ich betrachtete dieses kleine Symbol mit Unverständnis, da ich nicht wusste, was es bedeuten sollte. Allerdings nahm ich an, dass es nichts Negatives sei, war aber nichtsdestotrotz verunsichert, da mir das Wissen fehlt, erkennen zu können, was es bedeuten soll. Wie gern hätte ich gewusst, was dieses Emoji-Zeichen bedeutete, wie sehr habe ich ein paar klare Worte verisst!
Mittlerweile bin ich so weit gekommen, dass ich vermute, die Menschen sind heutzutage nicht mehr in der Lage, ihre Gefühle mitzuteilen und sich in Worte zu fassen und greifen daher aus Unbeholfenheit, weil sie nicht wissen, was sie sagen und wie sie sich verhalten sollen, zu solchen Symbolen, sodass ich oft den Eindruck habe, dass eine echte Kommunikation von Mensch zu Mensch nicht mehr zustande kommt, da, wie ich festgestellt habe, diese Emojis nach Lust und Laune und von heute auf morgen ihre Bedeutung verlieren können und Herzen und Blumen plötzlich nichts mehr wert sind und sich wie Luftblasen in nichts auflösen!
Es kommt ab und an, zwar sehr selten, aber dennoch vor, dass ich schon mal sprachlos bin. Dies geschieht aber nicht dadurch, dass mir die Worte fehlen, sondern dies geschieht dann, wenn sich mein Gegenüber auf eine so unfassbare Weise daneben benimmt, dass sein Verhalten für mich wie ein Schlag in die Magengrube ist und ich seelisch so getroffen bin, dass das zarte Band, das mich mit ihm verband, nicht mehr besteht und meine Sprachlosigkeit meine innere Haltung und meine Reaktion darstellt, zu diesem Menschen auf Abstand zu gehen und die Kommunkikation mit ihm zu beenden!
Dies ist aber die absolute Ausnahme von der Regel, die besagt, dass es für mich nichts, keine Gedanken, gibt, die ich sprachlich nicht ausdrücken kann!
Wenn es aber Dinge gibt, über die ich mir selber in meinem innersten Innern nicht im Klaren bin und darüber keinen klaren Gedanken fassen kann, so bin ich auch da nicht in der Lage, bei einer sich am Ende widersprechenden Gedankenflut meine Gefühlswelt in Worte zu fassen.
Ich danke Dir für Deine heutige gute Frage, lieber BrainFog und wünsche Dir, dass Du durch Deine Lebenserfahrung und Dein Wesen über eine solche Fülle an Worten verfügen mögest, dass Deine Gedanken Dich im Kontext einer Situation die angemessenen Worte finden lassen, die passend sind und ihre Wirkung nicht verfehlen!
In diesem Sinne beende ich meine heutige Antwort mit meinen Gedanken, die mein Herz spricht: In Freundschaft verbunden, lieber BrainFog!
Alles Liebe!
Regilindis
Das kommt drauf an.
Je nach Situation lasse ich den Versuch sein oder ich schreibe mir meine Gedanken zunächst für mich selbst auf. Dadurch werden sie klarer und ich kann mir Zeit lassen sie zu formulieren.
Wie es so schön in Michael Endes Momo lautet: "Die Worte müssen erst in dir wachsen."
In mir sind die meisten Worte, die sagen möchte, bereits gewachsen oder sie sind teils noch dabei. Für mich lautet die Lösung: Sich bilden und als ganzer Mensch reifen. Und den Verstand unablässig schärfen, damit man sich die richtigen Worte abringen kann.
Manchmal finde ich keine Worte – oder sie entfallen mir, sobald ich sprechen soll. Dann schreibe ich.
Beim Schreiben habe ich keinen Druck. Ich habe mehr Zeit als in einem Gespräch, in dem Emotionen oft alles zermürben.
Wenn ich ein Gespräch bewusst vorbereite, ist es hilfreich, meine Gedanken vorab zu ordnen – und während der Diskussion auch klarzumachen, dass ich Zeit brauche, um Dinge zu verarbeiten. Schließlich hat der Gesprächspartner meist schon länger über seinen Standpunkt nachgedacht.
Viele Menschen deuten es leider falsch, wenn jemand nicht sofort antwortet – als hätte man kein Gegenargument. Dabei braucht Nachdenken eben manchmal etwas länger.
LG
Ich versuch dann meistens, erstmal tief durchzuatmen und nix zu erzwingen. Manchmal hilft’s, die Gedanken einfach aufzuschreiben, auch wenn’s durcheinander ist — oder drüber zu reden, ohne perfekte Worte zu suchen.