Was meint Sartre damit,dass man einen Menschen als Gegenstand und als Mensch wahrnimmt?

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Zusammenhang

Jean-Paul Sartre entwickelt eine Theorie der Intersubjektivität (Miteinander mehrerer Subjekte und ihre Beziehungen). In den Darlegungen zum Blick (französisch: regard) befaßt er sich mit dem Problem der Fremdexistenz, der Beziehung zum Anderen. Wie kommt ein individuelles Subjekt dazu, neben sich die Existenz anderer menschlicher Wesen anzunehmen? Wie kann aus seiner Sicht darüber kein Zweifel bestehen? Sartre sucht nach einem Nachweis, daß eine einzelne Person in ihrer subjektiven Perspektive Gewißheit über die Existenz anderer Personen besitzen kann.

Erläuterung

In der Wahrnehmung sieht ein Mensch, wie Sartre darstellt, einen Menschen als Gegenstand und auch als Mensch. Dies sind zwei verschiedene Sichtweise und mit nur einer Sichtweise werden die Beziehungen nicht vollständig erfaßt.

a) Gegenstand: Mensch als Objekt, als ein bloßes Ding, in einer bloß additiven (zu anderen Gegenständen hinzufügenden) Beziehung, die Beziehungen de anderen Gegenstände nicht merklich verändert

b) Mensch: Mensch als Subjekt, trägt zu einer neuen Organisation der wahrgenommen Dinge selbst bei, bildet in meinem Wahrnehmungsfeld ein neues Zentrum, eine Person mit einem Bewußtsein, Mittelpunkt einer eigenen Weltsicht, über ein bloßes festgelegtes An-sich-Sein hinausgehend, mit Freiheit und dem Setzen von Zwecken

Wahrnehmung als Objekt bedeutet, einen Menschen auf dieselbe Weise wie alle anderen Dinge (z. B. die Bank, auf der ich sitze, der Baum, den ich betrachte) in eine auf mich hin ausgerichtete, im Rahmen meiner Entwürfe gedeuteten Welt einzuordnen. Die Wahrnehmung dieses Objektes als Mensch enthält die Erfahrung, daß dieser Mensch selbst Zentrum seiner, auf ihn ausgerichteten, Welt ist. In dieser Welt kann ich als Objekt auftauchen.

Die Beziehung zum anderen kann auf die ständige Möglichkeit zurückgeführt werden, von ihm gesehen zu werden. Durch den Blick, den ein anderer Mensch auf mich richtet, erfahre ich ihn als Subjekt, nicht als Objekt. Ich bin im Erblicktwerden gegenständlich geworden. Der Blick verweist mich auf mich selbst als Objekt, er steht in der Mitte zwischen mir als Subjekt und mir als Objekt.

Um mich selbst als Objekt wahrnehmen zu können, das sich selbst gegenüber in Gefühlen eine beurteilende Haltung einnimmt, ist es nach Sartres Auffassung nötig, die Sichtweise/Perspektive eines anderen Subjekts vorauszusetzen, das die Freiheit hat, mich zum Objekt seiner Beurteilung zu machen.

Gefühlsreaktionen wie Scham, Furcht, Stolz sind einerseits nicht-setzendes Bewußtsein von sich selbst, ein Erlebnis als strukturierte Erfahrung des Bewußtseins, anderseits kein reines Reflexionsphänomen, weil sie auf die (mögliche) Gegenwart andere angewiesen sind.

Objektsein ist ein Seinszustand, der durch Abwesenheit von Transzendenz (bewußte Stellungnahme zu dem faktisch Gegebenen, bei der ein sich entwerfendes Subjekt das bloß Faktische – die tatsächliche Situation überschreitet/übersteigt) und Freiheit (das Für-Sich-Sein ist kein Sein, das vorausgehend einfach festgelegt ist, sondern ein Sein, das noch zu sein hat und insofern ist, was es nicht ist, womit die menschliche Realität ihr eigenes Nichts zu sein hat [fällt nicht unmittelbar mit sich selbst zusammen, sondern kann aufgrund der Fähigkeit der Verneinung des jeweiligen Zustandes einen Unterschied setzen, ist immer auf Abstand zu sich selbst, über die augenblickliche tatsächliche Situation bereits wieder hinaus; eine Wahl ist zu treffen] gekennzeichnet ist.

Erst im Blick des Anderen (von ihm getroffen zu werden) enthüllt sich das reflexive Ich. Indem ich mich als Ziel und Objekt im Blick des Anderen erfahre, begründet sich das reflexive Bewußtsein des Selbstbewußtseins. Im Blickwird das Für-Sich-Sein auf einen neuen Seinstyp hin begründet, das Für-Andere-Sein. Der Andere als Subjekt stellt eine mögliche Beschränkung meiner Freiheit dar, ist aber auch Bedingung der Möglichkeit dafür, sich seiner Freiheit bewußt zu werden. Als Subjekt ist der Mensch durch Transzendenz und Freiheit gekennzeichnet.

Albrecht  17.07.2013, 07:07

eine ausführliche Darlegung steht bei Jean-Paul Sartre, Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie (L'être et le néant. Essai d'ontologie phénoménologiqu), Teil 3: das Für-Andere. Kapitel 1. Die Existenz Anderer. IV. Der Blick

Jean-Paul Sartre, Gesammelte Werke in Einzelausgaben. In Zusammenarbeit mit dem Autor und Arlette Elkaïm-Sartre begründet von Traugott König, herausgegeben von Vincent von Wroblewsky. Philosophische Schriften. Band 3: Das Sein und das Nichts : Versuch einer phänomenologischen Ontologie. Herausgegeben von Traugott König. Deutsch von Hans Schöneberg und Traugott König. 14. Auflage. Reinbek bei Hamburg : Rowohlt Taschenbuch-Verlag, 2008 (Rororo ; 13316), S. 464:
„Ich habe darauf hingewiesen, daß ich nicht Objekt für ein Objekt sein kann. Es bedarf einer radikalen Verwandlung des Andern, die ihn der Gegenständlichkeit entkommen ließe. Ich kann also den Blick, den der Andere auf mich wirft, nicht als einer der möglichen Manifestationen seines gegenständlichen Seins betrachten: der Andere kann mich nicht so ansehen, wie der den Rasen ansieht. Und außerdem kann sich gerade meine Gegenständlichkeit nicht für mich aus der Gegenständlichkeit der Welt ergeben, da ja ich es bin, durch den es eine Welt gibt; das heißt der, der grundsätzlich nicht das Objekt für sich selbst sein kann. Dieser Bezug, den ich «Vom-Andern-gesehen-werden» nenne. Ist also keineswegs eine der durch das Wort Mensch bezeichneten Beziehungen unter anderen, sondern stellt ein unreduzibles Faktum dar, das man weder vom Wesen des Objekt-Andern noch von meinem Subjekt-sein ableiten kann. Ganz im Gegenteil, wenn der Begriff des Objekt-Andern einen Sinn haben soll, so kann er ihn nur von der Verwandlung und von der Verminderung dieser ursprünglichen Beziehung haben. Kurz, das, worauf sich mein Erfassen des andern in der Welt als wahrscheinlich ein Mensch seiend bezieht, ist meine permanente Möglichkeit, von-ihm-gesehen-zu-werden, das heißt, die permanente Möglichkeit für ein Subjekt, das mich sieht, sich an die Stelle des von mir gesehenen Objekts zu setzen. Das «Vom-Andern-gesehen-werden» ist die Wahrheit des «Den-Andern-sehens».“

in Büchern gibt es Erläuterungen zu den Gedankengängen, z. B.:

Martin Suhr, Jean-Paul Sartre zur Einführung. 4. Auflage. Hamburg : Junius, 2012 (Zur Einführung ; 394), S. 136 - 156

Axel Honneth, Die Gleichursprünglichkeit von Anerkennung und Verdinglichung : zu Sartres Theorie der Intersubjektivität (405-538). In: Jean-Paul Sartre, Das Sein und das Nichts. Herausgegeben von Bernard N. Schumacher. Berlin : Akademie-Verlag, 2003 (Klassiker auslegen ; Band 22), S. 135 - 157

Martin F. Meyer, Das Problem der Intersubjektivität bei Sartre. In: Ulrike Bardt (Hrsg.), Jean-Paul Sartre - ein Philosoph des 21. Jahrhunderts. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2008, S. 137 – 152

Peter Kampitis, Blick. In: Lexikon Existenzialismus und Existenzphilosophie. Herausgegeben von Urs Thurnherr und Anton Hügli. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2007, S. 34 - 36

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Da steht es relativ griffig erklärt:

http://www.muenster.org/august/philosophie/projekte/9899112/sartre.html

Es geht darum, dass sich die Sicht des Menschen unterscheidet, je nachdem, ob man an einen Schöpfegott glaubt oder ob man den Menschen als selbstexistentes Wesen der Natur sieht. Dabei vergleicht er Gott mit einem Handwerker, der einen Gegenstand formt. Der Mensch aber, der sich in der Vorstellung der Wissenschaft im Zuge der Evolution entwickelt ist bereits existent, bevor er zu denken beginnt und sich selbst bezeichnet.

Ups...Korrigiere "Weil ich nicht verstehe,warum nach Sartre der Mensch einen Menschen als einem Gegenstand und einem Mensch ansieht.