Was ist der Unterschied zwischen der Gleichheit an sich und der Gleichheit , die an Dingen wahrgenommen wird?

1 Antwort

Gleichheit an sich ist etwas, das Platon unter anderem Idee (ἰδέα [idea] oder εἶδος [eidos]) nennt. Diese Gleichheit ist etwas sehr Allgemeines. An den Dingen wahrgenommene Gleichheit ist konkret auf diese bestimmten Dinge bezogen. Beispielsweise kann bei zwei Dingen bemerkt werden, kugelförmig zu sein. Die auf Kugelförmigkeit bezogene Gleichheit hat einen Anteil an der Idee der Gleichheit, aber der Bezug auf Kugelförmigkeit ist etwas, das nicht zur Gleichheit an sich gehört. Der Bezug auf Kugelförmigkeit ist nicht bei jeder Gleichheit vorhanden und er gehört nicht zur Idee der Gleichheit.

Gleichheit an sich (die Idee der Gleichheit) wird durch begriffliches Denken erkannt (Erkenntisvermögen wie νοῦς [nous] = Vernunft, Geist; διάνοια [dianoia] = Denkkraft, Verstand, hin- und herlaufendes [diskursives] Denken; νόησις [voesis)] = einsehendes Denken, geistiges Erfassen/Begreifen; λόγος [logos] = Überlegung, Vernunft, Geist werden verwendet). Gleichheit, die an den Dingen wahrgenommen wird, kann nur bemerkt werden, wenn vorausgehend eine Erkenntnis der Idee der Gleichheit besteht (es ist nötig, über ein Konzept der Gleichheit an sich zu verfügen). Das Bemerken stützt sich auf Sinneswahrnehmung, allerdings wird Gleichheit an den Dingen nicht direkt wahrgenommen, sondern das Bemerken von Gleichheit ergibt sich erst auf der Grundlage einer Erkenntnis der Idee der Gleichheit und durch Vergleich der Sinneseindrücke.

Ein einzelnes Ding ist nicht an sich gleich, sondern in Beziehung zu anderen Dingen und unter Gesichtspunken. Gleichheit wird nicht direkt über Sinneswahrnehmung als Merkmal einzelner Dinge festgestellt. Zuerst ist ein Verständnis notwendig, was Gleichheit ist (eine Definition und eine Wesensbestimmung von Gleicheit ermöglicht dies).

Um Gleichsein/Gleichheit festzustellen, ist es notwendig, Dinge zu vergleichen. Das Merkmal „gleich“ ist nicht eines, das direkt ein Sinneseindruck ist (z. B. wird bei zwei Kreisen nicht direkt das Merkmal „gleich“ gesehen, sondern ihre Form, die bei beiden kreisförmig ist). Dinge werden unter Gesichtspunkten in Beziehung gesetzt. Gleichsein/Gleichheit (in logischer Bedeutung) ist eine bestimmte Relation/Beziehung. Mindestens zwei Dinge werden unter irgendwelchen Gesichtspunkten/Hinsichten in Beziehung gesetzt. Unter den Dingen kann es darin Gleichsein/Gleichheit geben.

ulrich1919  23.01.2019, 09:15

Ich bin mit dem Konzept ,,Gleichheit an sich" überhaupt nicht einverstanden, weil es nach meiner Meinung eine unzulässige Abstraktion ist, aber die Fragestellerin möchte ausdrücklich Platons Lehre einbeziehen, und diese Bitte hast Du hervorragend erfüllt. Deshalb Danke!

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