Was hat Platons Höhlengleichnis mit Platons und Ideenlehre zu tun?

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Platons Ideenlehre ist eine zentrale Grundlage des Höhlengleichnisses.

Die in der Höhle Gefangenen sind Menschen, die auf einen Ausschnitt im Bereich der sinnlich erfahrbaren Wirklichkeit eingeschränkt sind. Sie sind bisher nicht zur Erkenntnis von Ideen gekommen. Dies bedeutet nach Platons Auffassung einen Mangel an Wissen/Erkenntnis und eine Gefahr, Täuschung und Irrtum zu unterliegen. Bei den Gefangenen gibt es ein Verhaftetsein an den Anschein der Sinneswahrnehmung. Sie sind durch eine Fixierung auf einen einzigen Blickwinkel (ohne geistige Bewegungsfreiheit, sich ringsum drehen und andere Gesichtspunkte einzubeziehen zu können) gefesselt. Sie meinen, etwas zu wissen, haben aber kein echtes, wahrhaftes Wissen.

Die Befreiung (Lösung von den Fesseln) und der Aufstieg aus der Höhle hinaus empor zum Licht der Sonne stehen in Platons Gleichnis für das Freimachen von einer bloß auf Sinneseindrücke beschränkten Ausrichtung und für den Aufstieg zur Erkenntnis der Ideen.

Erkenntnistheoretisch vertritt Platon mit seiner Ideenlehre eine Auffassung, die zu einem bloßen Empirismus (empiristische Erkenntnistheorie: Erfahrung - durch Sinneseindrücke - wird für den vorrangigen oder ausschließlichen Ursprung von Erkenntnis gehalten) in Gegensatz steht und ihn ablehnt.

Bezieht sich die Frage nach den Wichtigsten, was man dazu wissen muß, auf die Ideenlehre oder auf das Höhlengleichnis?

Ideenlehre

Es gibt einerseits einen durch Sinneswahrnehmung erfahrbaren Bereich der Sinnesdinge (Sinnenwelt, Erscheinungswelt), andererseits einen geistig einsehbaren/durch Denken zu erfassenden Bereich der Ideen.

Die Sinnenwelt ist ein veränderlicher Bereich des Werdens und Vergehens.

Die Ideen sind wirklich Seiendes und gleichbleibend. Das Denken kann nur etwas erfassen, das etwas Bestimmtes ist. Platon versteht diese bestimmte Wesenheit, die Idee (ἰδέα oder εἶδος genannt), als grundlegend. Eine Idee kann als innere Form, die spezifische (besondere) Natur (das Wesen) einer Sache verstanden werden.

An der Spitze der Welt der Ideen steht die Idee des Guten (ἡ τοῦ ἀγαθοῦ ἰδέα).

Es gibt eine Teilhabe (μέθεξις) der Einzeldinge an den Ideen.

Letztlich gehören die beiden Welten/Bereiche zusammen.

Einzeldinge sind teils Idee, teils Nicht-Idee (etwas, das nicht dem Wesen nach notwendig zu dem bestimmten Etwas, welches die Idee ist, gehört). Ideen sind nur rein die bestimmte Sache selbst und stehen damit auf einer höheren Seinsstufe als die Erscheinungen.

Die Seele hat nach einigen Darstellungen Platons vor ihrer Existenz in einem einzelnen Menschen Ideen geschaut. Dieses Wissen ist beim Aufenthalt der Seele im Körper nur noch verborgen, der Möglichkeit nach vorhanden, kann aber durch einen geistigen Anstoß aktiviert werden. Daher sind Lernen und Erkennen in gewissem Sinn Wiedererinnerung/Anamnesis (ἀνάμνησις).

Ohne Ideen gibt es nach Platons Ideenlehre kein Wissen, keine Erklärung der Wirklichkeit und kein begründbares moralisches Handeln. 

Höhlengleichnis

Bei Platon stehen Sonnengleichnis, Liniengleichnis und Höhlengleichnis in Zusammenhang mit einer Erläuterung der Erziehung/Bildung (παιδεία [paideía]) der zum Regieren des Staates vorgesehenen Philosophinnen/Philosophen.

Die Welt außerhalb der Höhle steht für die Ideenwelt und die Sonne für die Idee des Guten.

Es gibt nach platonischer Auffassung bestimmte Schwächen/Anfälligkeiten der Sinneswahrnehmung:

a) Bei der Sinneswahrnehmung können Sinnestäuschungen vorkommen.

b) Bei einer einzelnen Sinneswahrnehmung kann eine Blickverengung/eine Fixierung auf eine einzige Perspektive zu einer falschen Gesamtbeurteilung führen.

c) Die Sinneswahrnehmung kann etwas an Einzeldingen erfassen, aber sie neigt zu unmittelbarer Verallgemeinerung, ohne einen Sachgehalt (etwas Bestimmtes in seiner Sacheinheit) richtig zu erfassen. Dies leistet erst begriffliches Denken. Die Sinneswahrnehmung gewährleistet keine angemessene Unterscheidung zwischen Idee und Nicht-Idee.

Der Aufstieg wie auch die Rückkehr in die Höhle (Erkenntnis der Ideen und Vermittlung dieser Erkenntnis an andere) sind schwierig, mühsam (es gibt Umgewöhnungsprobleme) und mit Gefahr (bis dahin, getötet zu werden) verbunden.

Das Höhlengleichnis verdeutlicht die Aufgabe, nach dem Aufstieg (der eigenen Befreiung und einer Umwendung der Seele zur erhellenden Erkenntnis) zu den noch in Unkenntnis befindlichen Menschen zurückzukehren, da die meisten Menschen eines Anstoßes und einer Unterstützung von außen bedürfen.