Was genau hat es mit der enharmonischen Verwechslung (mit Bezug auf den Quintenzirkel) auf sich?

6 Antworten

Der Quintenzirkel ist eine Erläuterung des zwölftönigen Tonsystems, mehr nicht.

Also der Quintenzirkel beißt sich ja an einer Stelle in den Schwanz: Ges und Fis. Das ist ja nun wieder "das selbe". Warum hat man dann zwei Namen dafür, und auch für die ganzen anderen Töne mehrere Bezeichnungen?

Das ist gar nicht so einfach zu verstehen. Auf dem Klavier stellt sich die Frage warum man nicht einfach auf die Intervallstruktur scheißt und in Durtonleitern z.B. auch übermäßige Intervalle zulässt.

...die Diatonik und besonders der Durakkord sind älter als das System mit 12 Tönen. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass das Klavier 12 Tasten hat. Eigentlich bräuchte man für jede Tonart ein extra Klavier- ebenso wie man tatsächlich z.B. eine extra Naturtrompete braucht- denn der Quintenzirkel ist ein künstliches Gebilde aus in irgend einer Weise verkürzten Quinten. Ein natürlicher Quintenzirkel aus perfekten Quinten kommt nicht zustande- er würde sich nicht schließen.

Ges und Fis (oder wo immer man den Zirkel aufschneiden möchte) wären nicht der selbe Ton. Weil die Quinte zu groß ist dafür.

In der Tat können und sollen alle Töne von den Instrumenten die es können (Stimmen, Bläser, Streicher) gemäß ihrer Funktion in der Tonleiter die gerade verwendet wird intoniert werden- in jeder tonalen Musik. Auffälligstes Beispiel: Die reine Terz im Verhältnis 5:4 ist kleiner als zwei Ganztöne.

Wenn man also ein Fis spielt- dann könnte dies z.B. die Durterz in D-Dur sein. Und man müsste es demnach in D-Dur tief spielen. Tiefer als ein Ges.

Entsprechend gab es z.B. im 17. Jahrhundert Klaviere, auf denen manche oder viele Töne einmal tief (als # Note) und einmal hoch (als b) Version mit 2 Tasten ausgeführt sind.

Oder solche Grifftabellen für Blasinstrumente wo dann z.B. ein Es anders gegriffen wird als ein dis.

Also in einer harmonischen Welt VOR der sogenannten gleichstufigen Stimmung sind die enharmonisch verwechselbaren Töne nicht tatsächlich gleich.

Genug Verwirrung gestiftet?

Es ist wirklich nicht so leicht zu verstehen.

 


Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – in der Schule haben wir Lieder gesungen (z.B. über Ponys)

Betrachte es erst einmal mit nur einer Note. Ein cis ist die erste schwarze Taste nach dem c. Man nennt sie cis, weil sie einen Halbton nach oben verschoben ist, du könntest auch c# sagen. Danach kommt die weiße Taste d. D einen Halbton nach unten wird zu des, oder db. Gehst du also auf die erste Taste unter d, landest du auf der gleichen, die wir eben noch cis genannt haben. Cis ist also enharmonisch verwechselt mit des, und anders herum. Es ist dann nicht der gleiche Ton von der Funktion her, aber er erklingt gleich.

Im Quintenzirkel geht es dann nicht nur um einzelne Töne, sondern um ganze Tonarten. Nehmen wir das Beispiel Des-Dur. Des-Dur hat 5 bs, die dafür sorgen, dass die Intervallschritte der Durtonart erhalten bleiben. Bs deshalb, da die Tonart Des-Dur ja schon ein b im Namen hat, und man einfach stringent bleibt und weiterhin bs verwendet.
Du könntest diese Tonleiter aber auch enharmonisch umdeuten. Des, haben wir ja grade gesagt, kann auch cis sein. Wir könnten des-Dur also auch in cis-Dur umbenennen. Cis trägt ein # im Namen, also benutzen wir jetzt nur kreuze als Vorzeichen. Um die Intervallstruktur der Durtonleiter zu erhalten, müssen wir nun aber 7 # hinzufügen. Somit hast du des dur enharmonisch verwechselt.

verreisterNutzer  03.03.2017, 23:20

Danke! Aber worin besteht denn in deinem Beispiel der Unterschied in der Funktion?

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blechkuebel  03.03.2017, 23:41
@verreisterNutzer

Muss man an einem Beispiel von einem Akkord zeigen, z.B. besteht ja der A-Dur-Dreiklang aus A C# E. Und der A-Dur-Akkord kann ja verschiedene Funktionen haben. In der Tonart A-Dur hat er die Funktion der Tonika. In der Tonard E-Dur die Funktion der Subdominante. In der Tonart D-Dur die Funktion der Dominante.

Und greifen wir uns mal eine Tonart heraus, der Einfachheit halber die Tonart A-Dur. Hier hat der Akkord die Funktion der Tonika.

Wenn der Akkord aber jetzt aus A Db und E besteht, dann würde man den Akkord nicht mehr A-Dur nennen, sondern vielleicht Asus b4, denn das Db ist eine verminderte Quarte in A-Dur. Und es wäre nicht einmal klar, ob Dur oder Moll, weil man dafür ein C oder Cis bräuchte. Damit ist der Akkord nicht mehr A-Dur (auch wenn er so klingt wie ein A-Dur) und nicht mehr die Tonika, stattdessen ist der Akkord jetzt A susb4 (oder so). 

Ein Asusb4 Akkord macht in unserem Musiktheorie-System nicht viel Sinn (zumindest ist es einfacher, A-Dur zu schreiben). Die Bezeichnung "Asusb4" ist das Ergebnis einer enharmonischen Verwechslung. Was eigtl. Cis heißen müsste, wurde mit Des verwechselt. Das ergibt einen neuen Namen für den Akkord und vor dem Hintergrund des neuen Namens muss der Akkord eine andere Funktion haben (obwohl er gleich klingt), weil er nicht mehr A-Dur ist.

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verreisterNutzer  03.03.2017, 23:53
@blechkuebel

Was ist denn eine verminderte Quarte? Ich dachte, das nächstkleinere Intervall unter der Quarte wär die große Terz?

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blechkuebel  04.03.2017, 00:10
@verreisterNutzer

Wie gesagt: A und Db ist eine verminderte Quarte, keine große Terz (obwohl es auch 4 Halbtonschritte sind). 

Die Benennung eines Intervalls funktioniert nämlich so, dass du erst dir die Stammtöne anschaust. Der Stammton von Db ist das D.
Der Stammton von Cis hingegen ist das C.

Den Namen des Intervalls bestimmst Du, indem erst den Abstand der Stammtöne bestimmst (ersten Stammton mitzählen). A und D, das sind 4 Stammtöne. A, H, C, D.

Damit ist das eine Quarte. Welche Quarte es ist, entscheidet sich durch die Anzahl der Halbtonschritte. Von A nach Db sind es 4 Halbtonrschritte. Eine Quarte mit 4 Halbtonschritten nennt man vermindert, eine mit 5 nennt man rein, und eine mit 6 übermäßig.

Daher ist A - Db eine verminderte Quarte.

A Cis hingegen ist eine große Terz. Denn die Stammtöne sind A und C, das ist ein Abstand von 3 Stammtönen: A - H - C.

Also ist es eine Terz. Welche Terz? 4 Halbstonschritte -> also große Terz.

Da die Intervallbenennung mit Stammtönen durchgeführt wird, heißt das Intervall zwischen A Db anders als zwischen A Cis, obwohl es dieselben Töne sind. Aus diesem Grund ist der A-Db-E-Akkord kein A-Dur mehr, weil der eine große Terz erfordert (es ist aber jetzt eine verminderte Quarte).

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istmirjuppe  03.03.2017, 23:25

Ich würde sagen, dass der Unterschied in der Funktion in sofern besteht, als dass bei G-Dur (1#) das Fis (7. Ton) einfach ein Tonleiter eigener Ton ist und somit die Funktion der Septime besitzt.  
Würde man statt Fis ein Ges nehmen, so wäre es ja quasi ein erniedrigter 1. bzw. 8 Ton. Er erklingt zwar wie die Septime, aber er wird trotzdem anders gedeutet. Verstehst du, wie ich das meine?

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istmirjuppe  03.03.2017, 23:38

Also ich war im Musik-LK und habe vor, den Kram auch zu studieren. :D auf was für einer Art von Schule wird so etwas unterrichtet? Ich vermute eher, dass du ganz allgemeine Modulationen lernen sollst, also diatonische, und keine enharmonischen. Wenn du bei diatonischen Modulationen Hilfe brauchst, dann melde dich, aber bei enharmonischen bin ich erst mal mit meinem Latein am Ende :D

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verreisterNutzer  03.03.2017, 23:43
@istmirjuppe

OK, danke! Also ich hab sowas nie in der Schule gehabt und studier auch was ganz anderes. Mach das nur so aus Interesse und weil ich mit FL-Studio n bisschen "rumexperimentieren" will. Die diatonische Modulation hab ich glaub ich verstanden, da macht man sich ja zunutze, dass ein und derselbe Akkord in mehreren Tonleitern vorkommt.

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istmirjuppe  03.03.2017, 23:42

Ja, aber das ist ja noch keine Modulation, sondern nur eine Umdeutung eines Akkordes ;-)

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Grobbeldopp  03.03.2017, 23:57
@verreisterNutzer

Nicht unbedingt. Mit nem verminderten Septakkord, eben enharmonischer Modulation ist man sehr schnell in ner anderen Tonart ohne dass es nach Tonartwechsel klingt.

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istmirjuppe  03.03.2017, 23:44

Ja richtig, gut definiert :D gut also da kann ich dir leider nicht weiterhelfen, aber bleibe mal auf deiner Frage um die Antworten zu sehen!

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istmirjuppe  04.03.2017, 00:01

Nein, es gibt sogar doppelt verminderte Quarten ;-) du kannst ja auch doppelvorzeichen vergeben. Beispiel C-Dur. Die reine quarte ist F. Vermindert ist sie, wenn ein b davor steht, also fes. Fes ist enharmonisch verwechselt ein e, also eine große Terz, hat aber die Funktion einer verminderten quarte, einfach, weil das f die vierte Stufe der c-dur tonleiter ist. Feses wäre eine doppelt verminderte quarte, umgedeutet als ein es, was wiederum eine kleine Terz ist.

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istmirjuppe  04.03.2017, 00:02

Ok, stimmt, @Grobbeldopp :)

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kurz gesagt ist die enharmonische Verwechslung mehrere Namen für den selben Ton.

Steht dem Ton ein # davor, wird er um einen Halbton erhöht und bei der Bezeichnung ein "is" angehängt.
Steht dem Ton ein b davor, wird er um einen Halbton abgestuft und bei der Bezeichnung ein "es" angehängt.

Die schwarze Taste nach dem C auf dem Klavier kann damit also zwei Namen haben (obwohl der Ton der selbe ist). Nämlich ein Cis (weil es ein Halbton über C ist) oder ein Des (weil es zugleich ein Halbton unter D ist)

Der Quintenzirkel ist eine Lesehilfe. Es gibt neben einer Dur-Tonleiter auch immer eine parallele Moll-Tonleiter, diese hat die gleichen Vorzeichen. Wie die beiden im Verhältnis stehen, kannst Du im Quitenzirkel ablesen. Aussen steht die Dur-Tonleiter und innen die dazugehörige Moll-Tonleiter (bei gleichen Vorzeichen)

Ich verstehe nicht ganz was du meinst.....vielleicht meinst du ja, dass Gb genau die selbe Note wie F# ist?

Die Frage ist mir aufgekommen, als ich die enharmonische Verwechslung in Bezug auf Akkorde verstehen wollte, also wie man Akkordfolgen mithilfe der enharmonischen Modulation verändern/entwickeln kann.

Grobbeldopp  04.03.2017, 00:16

Man benutzt einen vielseitigen Akkord- den verminderten Septakkord. z.B. kannst du mit c-es-ges-heses in einer B-Tonart im Extremfall nach e-gis-h auflösen. Vorher war da kein gis im Tonmaterial, und man könnte es auch weiter als Fes-Dur lesen, ist aber umständlicher und unangenehm, deshalb switcht man an der Stelle der Modulation die Vorzeichen.

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