Kann man nicht so genau sagen, die Motivationen einer Person sind komplex.
Magersucht kann ja durchaus z.B. mit einem erhöhten Kontrollgefühl zu tun haben (nach dem Motto "wenn ich viele Dinge in meinem Leben nicht kontrollieren kann, dann wenigstens das"), sogar mit einem Überlegenheitsgefühl ("im Gegensatz zu Andere stehe ich über meinem Hungertrieb und habe mich im Griff").
Außerdem werden problematische Aspekte des Verhaltens (Lebensgefahr z.B.) tatsächlich ausgeblendet.
An der Idee, dass Magersüchtige "nur Aufmerksamkeit wollen" stören mich zwei Dinge: 1) es ist eine extrem vereinfachte Vorstellung zur Motivation von Magersüchtigen. Das Thema ist komplex und die Beweggründe können von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Es auf eine Motivation herumterzubrechen ist meist zu vereinfacht.
2) da steckt auch eine gewisse Verharmlosung drin, nach dem Motto "es ist eigentlich kein Problem, die Person will ja nur Aufmerksamkeit". Was dabei ignoriert wird oder nicht anerkannt wird, ist, dass wenn eine Person so stark Aufmerksamkeit will, weil sie so sehr das Gefühl hat missachtet zu werden und Anderen egal zu sein, dass das ein echtes, behandlungsbedürftiges Problem ist. Es ist überhaupt nicht harmlos, wenn eine Person "nur Aufmerksamkeit will" - das ist eine echte psychologische Problematik. Das ist ja auch der Kern der histrionischen Persönlichkeitsstörung - das sind Menschen, die sich im Prinzip sehr unwichtig fühlen, als wären sie egal, und die deswegen auffallen wollen und theatralisches Verhalten umsetzen, um sozusagen das Gefühl der Unwichtigkeit zu kompensieren. Das ist ein echtes behandlungsbedürftiges Problem.
Es ist ein normales, natürliches Bedürfnis, dass man eine Bedeutung für irgendjemanden haben möchte , dass man also Aufmerksamkeit will. Das Problem ist nur, wenn Leute sich von vornherein umwichtig fühlen und dieses Erleben mit dysfunktionalen Strategien kompensieren.
"Aufmerksamkeit wollen" muss man aus einer therapeutischen Perspektive absolut ernst nehmen und nicht belächeln. Nachvollziehbar ist auch, dass Interaktionspartner das nicht immer leisten können bzw. dass der Wunsch nach Aufmerksamkeit wie ein Fass ohne Boden wirkt (was er auch ist, wenn die Person sich unwichtig fühlt und es über dysfunktionale Strategien kompensiert. Weil die Person dadurch nicht das Gefühl bekommt als Person wichtig zu sein, sondern eben nur sowas wie Ersatzaufmerksamkeit zu bekommen, wenn sie halt Drama produziert. Das Bedürfnis wird also nicht wirklich gestillt).