Was bedeutet dieses Zitat von "Rudolf Virchow" über Freiheit?

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Guten Tag NanniAnne,

leider werde ich dich jetzt mit einem anderen Zitat schocken. Es ist vom deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer:„Ganz er selbst sein darf jeder nur, solange er allein ist. Wer also nicht die Einsamkeit liebt, der liebt auch nicht die Freiheit; denn nur wenn man allein ist, ist man frei.“

Was du immer allein in der Wüste oder im Urwald anstellst - das interessiert keinen anderen Menschen. Weil es seine Interessen ja nicht fördert oder beeinträchtigt - richtig? Wenn du dort willkürlich handelst, auch ohne zu überlegen - keine Reaktion von niemanden!

Schon wenn du verliebt bist (verlobt, verheiratet, Mutter, Lehrerin, Buchhalterin ...), hat alles, was du tust, irgendwelche Auswirkungen auf oder für Andere. Schon ist es so, dass du darauf achten musst, was du tust, sagst, schreibst... Deine Handlungsfreiheit ist dadurch begrenzt, dass du die Rechte und Freiheiten anderer Menschen beachten sollst. Bewusst schreibe ich hier nicht, dass du sie beachten musst. Denn manchmal, bei Rechtsverletzungen, muss ein anständiger Mensch tun, was sonst unüblich ist.

Wenn du durch deine Vernunft kontrollierst, was du tust, dann bist du frei darin, alles zu tun, wozu du fähig bist.

Bleibe recht gesund!

Siegfried

Freiheit bedeutet an nichts und niemanden gebunden zu sein; auch nicht an den eigenen Willen, das eigene Ego.

Die Frage ist doch immer, was jemand unter Freiheit versteht. Ist es - übertrieben gesagt - ein "wie Gott sein", völlig ungebunden und allmächtig? Eine Persiflage auf diese Vorstellung ist der Film "Bruce allmächtig". Die kindische Version von Freiheit lautet: Tun und lassen können, was man will, aber bitte ohne Folgen. Genau dieses etwas plakativ beschriebene Freiheitsverständnis, "die Willkür, bliebig zu handeln", lehnt Virchow ab.

Aber es gibt ja auch das Freiheitsverständnis, wie es Epikur vorschlägt. Dabei gibt es in unserem Leben drei Bestimmungsfaktoren, die man als wie Dimensionen eines dreidimensionalen Raumes betrachten kann: (1) die Notwendigkeit (Gesetze der Natur, der Gesellschaft), (2) den Zufall, der sich immer wieder ungefragt einmischt und Akzente setzt und (3) den Willen, das eigene Leben mit Vernunft in die Hand zu nehmen. Wo sich ein Mensch in diesem Raum mit Notwendigkeiten, Zufällen und der Kraft zur eigenen Lebensgestaltung befindet, mehr in der Nähe von Notwendigkeiten, mehr den Zufällen ausgeliefert oder deutlicher selbstbestimmt, das ist sehr unterschiedlich und hängt einerseits von der Stärke der Dimensionen "Notwendigkeit" und "Zufall" ab, aber auch vom kraftvollen Willen in vernünftiger Selbstbestimmung die Gegebenheiten zu gestalten, zu nutzen oder ungenutzt verstreichen zu lassen. Das ist die Freiheitsvorstellung, von der Rudolf Virchow spricht: Wir sind ein Twitterwesen. Wir sind nie ganz frei, unser Leben zu steuern. Wir sind aber auch nie ganz determiniert von Causalität und Zufall.

Das ist letztlich auch das oft missverstandene "Freiheitsverständnis" von Schopenhauer. Wenn er sich gegen einen "absolut freien Willen" wehrt, wehrt er sich gegen die Allmachtsvorstellungen der Idealisten, vor allem von Hegel. Das bedeutet aber nicht, dass er den Menschen als ausgeliefertes Rädchen im deterministischen Uhrwerk sieht. Die dicken Bücher, die er geschrieben hat, damit wir eine vernünftige Orientierung haben, sind das stärkste Zeugnis dafür. Denn wofür schreibt man eine Philosophie, wenn man doch der Meinung ist, dass wir wie Rädchen einer großen Maschine funktionieren und jedes Wort zuviel weil nutzlos ist? Was Schopenhauer ablehnt, sind die "unbegrenzten Träumereien der Idealisten", die Sehnsucht nach "Bruce allmächtig".

Das bedeutet soviel wie : nutze deine Zeit vernünftig anstatt sie zu vergeuden

Die Selbstbegrenzung der Freiheit aus Freiheit und um der Freiheit aller willen findet ihren Niederschlag in den Normen der Moral und des Rechts, die in Form ungeschriebener oder geschriebener Gesetze menschliches Handeln an Regeln binden und damit die Gesamtheit möglicher Freiheiten im Hinblick auf den legitimen Freiheitsanspruch jedes Individuums einschränken. Nur im Horizont dieser Selbsteinschränkung des freien Könnens durch selbst gesetzte Grenzen kann sich die dem Menschen angemessene Freiheit entfalten. Bindungen, die nicht von außen als Zwang auferlegt werden, sondern selbst gewählt sind, sind ein Produkt der Freiheit.

http://philosophie-indebate.de/361/grenzen-der-freiheit/