Warum kann ich nicht trauern, um meinen Vater?
Hallo Leute,
Im April ist mein Vater nach vielen Jahren mit Alzheimer gestorben, er war fast 80 Jahre alt.
Ich habe ihm im Sarg gesehen, und ich konnte nicht weinen, und auf der Beerdigung kamen mir nur einmal kurz die Tränen, und dass nicht weil ich so traurig war, sondern weil meine Mutter, und meine Geschwister so geweint haben .
Ich hatte ein recht gutes , wenn auch nicht immer einfaches Verhältnis zu meinem Vater...
Als kein Verhältnis wo er verdient hätte, dass seine Tochter nicht trauert.
Bin ich nicht normal ?
Ich danke euch
6 Antworten
Vielleicht kannst Du einfach etwas besser von Leuten loslassen als andere. Es gibt einige Personen, die auf Beerdigungen nicht weinen müssen. Was aber nicht bedeutet, dass sie in „stiller Trauer“ sind.
Blödsinn! Jeder trauert anders. Man muss Trauer nicht zur Schau stellen um anderen etwas zu beweisen. Deine Schuldgefühle machen dich nur krank. Kopf hoch, du bist total normal!
Hallo,
zuerst einmal:
Du bist nicht unnormal. Und Du bist auch kein gefühlloser Mensch.
Du bist ein Mensch, der gerade eine sehr individuelle Art der Trauer erlebt – und das ist vollkommen in Ordnung.
Trauer ist kein festgelegter Ablauf mit klaren Stationen. Sie ist kein „Pflichtprogramm“, das bei jedem gleich abläuft. Es gibt Menschen, die in Tränen zerbrechen. Und es gibt Menschen, bei denen Trauer still, sachlich oder sogar erst viel später kommt – oder sich ganz anders zeigt als erwartet.
Was Du beschreibst, klingt nach einer Mischung aus:
- emotionalem Abschied über einen langen Zeitraum hinweg – Alzheimer ist oft ein schleichender Verlust, bei dem man die geliebte Person Stück für Stück verliert,
- innerer Erschöpfung, vielleicht auch einer Art emotionalem „Ausgebranntsein“ nach all den Jahren,
- und vielleicht auch dem Gefühl: Ich müsste doch jetzt fühlen. Ich müsste doch trauern.
Doch genau das erzeugt oft Druck – und blockiert die echte Verbindung zu dem, was da eigentlich in Dir lebt.
Du schreibst:
„Er hatte es verdient, dass seine Tochter trauert.“
Vielleicht hast Du auf Deine Weise längst getrauert. Vielleicht bist Du innerlich noch gar nicht dort angekommen, dass er wirklich gegangen ist. Vielleicht ist Deine Beziehung zu ihm so vielschichtig, dass die Gefühle einfach Zeit brauchen, um sich zu sortieren.
Was auch immer es ist:
Du darfst fühlen, wie Du fühlst. Und Du darfst auch „nicht fühlen“.
Es macht Dich nicht zu einem schlechteren Menschen. Im Gegenteil – dass Du Dir diese Frage stellst, zeigt, wie fein Dein Gespür ist.
Ich habe in meiner Arbeit oft erlebt, dass sich Trauer wie eine Zwiebel schält. Schicht für Schicht. Und manchmal zeigt sie sich nicht in Tränen, sondern in innerer Stille, Müdigkeit, Erinnerungsfetzen oder einem plötzlichen Kloß im Hals beim Hören eines Liedes.
Wenn Du magst, nimm Dir bewusst Raum, ohne etwas zu erwarten. Vielleicht schreibst Du einen Brief an Deinen Vater. Vielleicht erzählst Du ihm innerlich, was offen geblieben ist. Vielleicht lässt Du los, was Du nicht mehr tragen willst.
Und wenn Du das Gefühl hast, dass etwas feststeckt oder Dir die Verbindung zu Deinen Gefühlen fehlt – dann kann auch ein Gespräch mit einem einfühlsamen Coach oder Therapeuten helfen. Nicht, weil Du „Hilfe brauchst“, sondern weil Du es Dir wert bist.
Du bist auf dem Weg – und er ist genau richtig, so wie er gerade ist.
Alles Liebe
Ralf Musto
Vielleicht bist du psychisch einfach sehr stabil und hast keine Angst vor dem Tod. Ich weiß, man will schon aus Respekt und Ehre trauern. Du könntest deine fehlende emotionale Trauer mit "praktischer" Trauer kompensieren, indem du z.B. das Grab pflegst oder seine Gegenstände als Erinnerung aufbewahrst.
Jeder trauert anders und auch zu anderen Zeitpunkten und in anderen Formen
Nur weil du nicht so trauert wie es in Filmen und bei anderen zu sehen ist, heißt das nicht, dass du ihn nicht geliebt hast
Gerade in Phasen in denen man sich um andere kümmert und Sorgen macht, merkt man seine eigene Trauer nicht