Warum ist Lateinamerika ärmer als Nordamerika?

11 Antworten

Es gab auch in Nordamerika spanische Kolonialherrschaft. Aber das ist ohne wesentliche Bedeutung. Der Norden hat sich einfach wesentlich früher als der Süden aus der kolonialen Umklammerung der Mutterländer befreit. Außerdem ist der Norden wesentlich zugänglicher als der Süden. Natürlich gibt es zwei große Gebirgszüge in Nordamerika, die von Nord nach Süd verlaufen und somit die infrastrukturelle Entwicklung behindert haben. Aber diese Einschränkung ist nicht zu vergleichen mit den Hindernissen der südamerikanischen Wildnis. Zudem waren die Siedler in Südamerika in den meisten Fällen katholisch und im Norden in der weiten Überzahl Anhänger protestantischer Glaubensrichtungen. Die unterschiedliche Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung in den verschieden konfessionellen Gebieten lässt sich gut am Beispiel des Vergleichs zwischen Preussen und z.B. Bayern oder Württemberg im 19. Jahrhundert. Auch waren die Siedler im Süden Amerikas wesentlich weniger zahlreich als im Norden.

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Also kurz gefasst ist die konfessionelle Ausrichtung der Siedler, ihre Anzahl, die Länge der Kolonialzeit und die darauf folgende Staatsform sind die ausschlaggebenden Faktoren für den wirtschaftlichen Vorsprung des Nordens gegenüber dem Süden.

erweh  12.08.2010, 16:32

Saubere Antwort! DH

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erweh  13.08.2010, 18:13
@Nietzsche81

Ich reklamiere jetzt denn Stern für Dich, also Fragesteller/in AUF AUF!

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Snanifo  14.08.2010, 00:34
@erweh

Die Zurückführung der unterschiedlichen Entwicklung in Nord und Süd finde ich nun doch etwas gewagt. Dies zeigt sich auch bei der Parallele in Europa, wo zwar Preussen protestantisch war, aber auch das Königreich Württemberg. Bayern war katholisch. Preussen war seit Beginn des 19. Jahrhunderts auf dem Wege zu einem modernen Industriestaat (Erzverhüttung im Ruhrgebiet)und Bayern und Württemberg bis gegen Ende dieses Jahrhunderts noch voll landwirtschaftlich geprägt.

Bezügl. der Länge der Kolonialzeit ist es auch sehr durchwachsen. Florida z.B. gehörte bis Mitte des 18. Jahrhunderts zu Spanien, das hauptsächlich an Gold interessiert war. Die Engländer betrieben eine konsequente Siedlungspolitik.

Ich denke, die schnellere industrielle Entwicklung der englisch beherrschten Länder Nordamerikas, übrigens gegen den Willen der Engländer, und der Zusammenschluss dieser Länder gegen die Briten ermöglichten die weitere Fortsetzung dieser, den Reichtum und die Macht begründenden, industriellen Entwicklung.

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Nietzsche81  14.08.2010, 11:34
@Snanifo

Der Zusammenhang zwischen Protestantismus und wirtschaftlicher Entwicklung, was in dieser Zeit mit industrieller Entwicklung gleichbedeutend ist, ist mehr als gut in verschiedensten Wissenschaften untersucht und belegt worden. Ich empfehle zur Lektüre: Max Weber: Kapitalistischer Geist und Protestantische Ethik, erschienen in diversen Auflagen. Für Preussen, Bayern und Württemberg empfehle ich Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen, Band I, Bonn, 2002, Seite 40-78.

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Die einzige Frage, die sich stellt, ist nicht, wo hat es eine industrielle Entwicklung gegeben, sondern, warum hat es sie genau dort gegeben. Und das hast Du nicht beantwortet.

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Nietzsche81  14.08.2010, 11:53
@Nietzsche81

Hier habe ich den exakten Weber-Titel: Weber, Max: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, u.a. Erftstadt, 2005.

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jonask  16.08.2010, 13:15
@Nietzsche81

Deine Antwort beantwortet nicht wirklich die Frage. Es wurde nicht gefragt, warum man in Nordamerika vor hundert Jahren besser gelebt hat, als in Lateinamerika, sondern warum es heute so ist. Beispielsweisse überwiegend katholische Bundeländer Deutschlands (Bayern, Ba.-Wü.) haben heute einen wesentlich höheren Grad an Industrialisierung, als die protestantischen Länder. In Deinen Annahmen behauptest Du, dass die konfesionelle Ausrichtung bis heute der Grund wären, dass man in Lateinamerika ärmer lebt, als in Nordamerika. Das ist Quatsch, denn in den 30-er und 40-er Jahren waren ja bereits einige Länder Lateinamerikas reicher, als die meisten nordeuropäischen Länder.

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Snanifo  16.08.2010, 16:16
@jonask

Nur kleine Korrektur: Württemberg ist ursprünglich protestantisch ausgerichtet, Bayern katholisch. Aber auch das bestätigt meine Ansicht, dass die Notwendigkeit der Entwicklung aus dem Protestantismus nicht automatisch gegeben ist.

zu Nietzsche81 und Max Weber: Es ist zweifellos so, und so verstehe ich auch Max Weber, dass der Protestantismus sehr gut zur kapitalischen Ökonomie passt, aber deshalb die Entwicklung eines Weltkonzerns wie Mercedes von Gottlieb Daimler an aus dem pietistischen Umfeld des Remstals zwingend ableiten zu wollen, erscheint doch etwas bemüht.

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Nietzsche81  21.08.2010, 19:31
@Snanifo

Ich habe nichts von zwingend oder automatisch gesagt, diesmal legst Du mir Worte in den Mund. Aber es existiert eben ein signifikante Korrelation zwischen Konfession und Industrialisierungszeitpunkt. Das schließt natürlich sich langsamer entwickelnde protestantische Staaten und einzelne sich positiv entwickelnde Konzerne nicht aus. Aber die Häufigkeit der Korrelation ist nunmal signifikant. Ich muss allerdings zugeben, dass es mich überrascht hat, dass H.A.Winkler Württemberg mal eben zu den katholischen Ländern gezählt hat. Da sieht man es mal wieder, man muss ALLES überprüfen. Abgesehen davon, dass ich das eine Land zurücknehmen muss, ist doch aber die These nicht von der Hand zu weisen. Sie ist nicht zwingend, sonst wäre sie ein Gesetz, aber so etwas gibt es in der Geschichte generell nicht. Ich denke, Du hast einige gute Punkte genannt, aber ich denke auch ich habe das getan. Wenn wir die von uns beiden genannten Faktoren betrachten erhalten wir, so denke ich, ein ganz gutes Bild der Umstände, die zu der vorliegenden Reichtumsverteilung geführt haben.

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zu jonask: ich halte den Vorsprung durch die frühe Industrialisierung in den protestantischen Gebieten für ausschlaggebend. Einen Nachkriegsbezug für die deutschen Bundesländer habe ich nicht angestrengt. Und ich würde gerne wissen woher Deine Daten kommen? Von welchen Ländern sprichst Du? Wenn Du das so genau weißt, nenn Zahlen und Quellen!

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gibt doch überall Reiche , vll hat es was mit der Wirtschaft zutun ;)

Zweifellos hat sich Nordamerika früher als Südamerika von den Kolonialen Fesseln befreit und auch entwickelt, aber dieses Nordamerika in Gestalt der Vereinigten Staat hat die Unterjochung Mittel- und Südamerikas den europäischen Kolonialmächten bestritten und unter ihre Herschaft weitergeführt (Hinterhof der USA=. Sie hat die Ausbeutung dieser Länder durch Zurichtung für die eigene Ökonomie auf andere Weise fortgesetzt. Ich erinnere an die United Fruit Company und die Stützung von genehmen Diktatoren durch die USA nicht zuletzt durch Militärhilfe, CIA-Einsätze und auch militärisches Eingreifen, ich meine zuletzt in Grenada.

Nietzsche81  13.08.2010, 19:29

Die USA könnten keine wirtschaftliche Hegemonie in Südamerika ausüben, wenn sie nicht schon vorher über einen uneinholbaren wirtschaftlichen Vorsprung verfügt hätten. Was Du sagst mag in Teilen vielleicht richtig sein, ist aber eine Folge und eventuell ein Katalysator des Gefälles, aber mit Sicherheit nicht seine Ursache.

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Snanifo  14.08.2010, 00:45
@Nietzsche81

Da gebe ich dir recht, aber das habe ich auch nicht behauptet. Die Gründe, wie sie sich mir darstellen, habe ich, zwar sehr verkürzt, im ersten Satz dargestellt. Gemeint war da im Wesentlichen die relativ frühe Industralisierung und Schaffung eines Binnenmarktes.

Zu den überlegenen Voraussetzungen gehört aber auch noch der Wille dazu, den anderen Staaten, Spanien, Frankreich, Portugal und Niederlande den Einfluss in Mittel- und Südamerika streitig zu machen.

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Nietzsche81  14.08.2010, 11:44
@Snanifo

Die konsequente Schaffung eines Binnenmarktes ist in der Tat eine wichtiges Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufschwung. Zudem verfügte Nordamerika zwar nicht über soviel Gold wie der Süden, aber über die notwendigen Ressourcen für die industrielle Entwicklung, vor allem Eisenerze und Kohle. Der politische Wille, die Kolonialmächte zurückzudrängen resultiert wohl aus der frühen Staatsgründung der USA. Nur weil sie ein eigener Staat waren, konnten sie überhaupt ein eigenes politisches, von der europäischen Politik unbeeinflusstes Interesse entwickeln.

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jonask  16.08.2010, 13:19
@Nietzsche81

Oho, geballte Unwissenheit und pure Therorie, die unberücksichtigt lässt, dass die USA gar nicht viel schneller war in der Staatsgründung, als Brasilien und Co. - alles, was man für die Industrialisierung an Rohstoffen benötigte, gab es auch in Südamerika. Der Binnenmarkt Brasiliens ist z.B. heute größer, als der Frankreichs und Italiens.

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Snanifo  16.08.2010, 16:01
@Nietzsche81

zu Nietzsche81: Es gehört doch wohl etwas mehr dazu als Begründung für die Zurückdrangung der Kolonialmächte, nämlich der politische Wille, der eigenen Wirtschaft die Möglichkeit zur Investition = Ausbeutung zu verschaffen. Etwas früher hat man das Imperialismus genannt.

Allein die Verfügung über die Voraussetzungen zur Industrialisierung zwingt noch lange nicht zu dieser. Es braucht dazu eine bestimmte politisch-ökonomische Ausrichtung des Landes sowie die notwendigen techn. (Er)Kenntnisse.

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Das ist aber eine komplizierte Frage. Übersehen wurde bei allen Antworten, dass Nordamerika nur aus 2 Ländern besteht und Südamerika mehr als 10 Länder hat. In Südamerika lebt man in vielen Länder viel besser, als in den meisten mittelamerikanischen Ländern. Die Erreichbarkeit ist daher wohl nicht entscheidend gewesen. Man darf auch nicht vergessen, dass man in der 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts in Ländern, wie Argentinien, Uruguay und Brasilien wesentlich besser gelebt hat, als in Deutschland. Diese Länder gehörten zu den 10 reichsten Ländern der Erde, also darf man eigentlich nur Aspekte berücksichtigen, die danach geschehen sind. Auch heute verdient die kleine Mittelschicht dieser Länder etwa soviel, wie die Menschen in Portugal, Griechenland und teilweise wieder Spanien. Die Analphabetenrate in Uruguay isst beispielsweise viel geringer, als in den USA oder Kanada. Die USA hat sich halt geschickt angestellt und mit dem Dollar die dominierende Währung der Welt und kann sich daher fast unbegrenzt verschulden. In den kleineren Ländern Südamerikas gab es keine Konstanz und viel Korruption. Diktatoren und Kommunisten wechselten sich in den Regierungen ständig ab - das ist nicht gut für die Wirtschaft und Hyperinflationen folgten. Die meisten Länder Südamerikas sind zu stark abhängig von der Landwirtschaft und haben zu wenig eigene Industrien.

Man solllte mal anfangen mit der Frage: " Was ist das Nord-Sued-Gefaelle?" Warum ist Norditalien reicher als Sueditalien. Warum ist Nordeuropa reicher als Suedeuropa. Dann sollte man sich auch mal fragen, wo die Menschen gebildeter sind, in Nordeuropa oder in Suedeuropa, in Europa oder in Afrika. Die Siedler Nordamerikas kamen doch, so glaube ich, aus einer kulturell und beruflich hoeherstehenden Gesellschaftsklasse als die - haeufig aus Soldaten und Abenteurern rekrutierten Besiedler des Suedens. Und koennte es nicht sein, dass bei einer fehlenden, sich nicht gleichmaessig entwickelten Industrialisierung auch die Mittelschicht nicht existiert sondern nur ganz reich und ganz arm? Ich empfehle mal, in Suedamerika zu leben, aber nicht als Deutscher in seinem Glaskasten sondern unter ihnen, der Bevoelkerung.

Nietzsche81  12.08.2010, 01:38

Was hat Italien mit Amerika zu tun???

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