Themenspecial 31. Januar 2023
Depression (mit der Deutschen Depressionsliga)
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Warum glauben Eltern daran nicht?

3 Antworten

Es gibt auch heute noch viele Menschen in Deutschland, für die die Krankheit "Depression" schlichtweg nicht existiert. Meiner Erfahrung nach häufiger in der älteren Generation und im ländlichen Bereich als unter jungen Leuten und in Großstädten.

Ich weiß nicht genau, wann ich zum ersten Mal den Begriff "Depression" im normalen Sprachgebrauch gehört habe, aber das ist bestimmt erst so ca 30 Jahre her. In meiner Kindheit und Jugend in einer ostdeutschen Kleinstadt war dieser Begriff und somit auch diese Krankheit schlichtweg nicht existent.

Klar gab es (aus heutiger Sicht) auch Menschen mit Depressionen. Aber der Umgang damit war ein völlig anderer.

Manchmal war die Rede davon, dass jemand einen "Nervenzusammenbruch" hatte. Jemand sei "mit den Nerven fertig" oder habe "kaputte Nerven" waren auch so gängige Ausdrucksweisen.

Menschen, die einfach mit ihren alltäglichen Aufgaben ständig überfordert waren, ihre beruflichen und häuslichen Pflichten, ihrer Körperpflege etc. vernachlässigten, galten als "asozial" und wurden stigmatisiert.

Hinter vorgehaltener Hand erfuhr man auch mal von jemandem, der in die sogenannte "Klapsmühle" kam. Der sei "verrückt" geworden.

Die Ärzte verschrieben damals noch reihenweise starke (!) Schlaf- und Beruhigungsmittel. Und manche Menschen mit psychischen Problemen oder Traumatisierungen ersäuften es eben in Alkohol.

Da nach dem Krieg sowieso sehr viele Menschen schwer traumatisiert waren und die meisten weder darüber sprachen noch irgendeine Art von Hilfe erwarten konnten, haben sie es eben verdrängt und versucht zu funktionieren.

Meiner Beobachtung nach verleugnen häufig auch gerade die Menschen hartnäckig die bloße Existenz von Depressionen, die selbst etwas tief vergraben mit sich herumtragen, von dem sie befürchten, es könne durch bloßes Aussprechen dieses "Unwortes" an die Oberfläche kommen und sie übermannen.

Und dann ist es, wie hier ja bereits schon erwähnt wurde, sicher auch extrem schwer für Eltern, anzuerkennen, dass ihr eigenes Kind betroffen sein könnte, weil es in ihnen eben starke Schuldgefühle und Schmerz auslöst. Sie wollen es nicht wahrhaben.

Dass die meisten Eltern das glauben, stimmt nicht. Allerdings ist es tatsächlich so, dass einige Eltern nicht glauben wollen, dass ihr Kind Depressionen hat.

Manche sind überzeugt, dass Kinder zu jung sind oder noch zu wenige negative Erfahrungen hatten, um eine solche Erkrankung zu haben. Wenn sie ihr Leben mit dem ihrer Kinder vergleichen, sehen sie natürlich in ihrem eigenen Leben oft mehr negative Erfahrungen, und wenn sie selbst keine Depressionen haben, können sie sich nur schwer vorstellen, dass ihre Kinder - die ihres Wissens nach ein "leichtes Leben" haben - dann unter Depressionen leiden können. Natürlich sind diese Annahmen falsch. Um Depressionen zu haben, muss man nicht unbedingt traumatische Erfahrungen gemacht haben.

Bei Teenagern nehmen viele Eltern auch an, dass es sich um normale pubertäre Stimmungsschwankungen handelt - manchmal ist es ja auch so. Es liegt dann an einem Profi, zu diagnostizieren, ob nun Depressionen vorliegen oder nicht.

Zuguterletzt wollen manche Eltern es einfach nicht wahrhaben, weil sie denken, dass das bedeuten würde, dass sie schlechte Eltern wären oder große Fehler gemacht hätten. Dabei muss das nicht der Fall sein.

Es kann also ganz schön viele Gründe geben, warum Eltern ihren Kindern nicht glauben. Und manchmal haben sie auch Recht - aber um sicherzugehen, sollten Eltern sich immer an professionelle Psychologen wenden oder anderweitig Hilfe/Beratung suchen, wenn ihr Kind davon spricht, Depressionen zu haben. Und sie sollten es ihrem Kind nicht sofort absprechen, selbst wenn sie den Eindruck des Kindes für falsch halten.

Dann müssten sie ja zugeben, dass etwas nicht stimmt und sich damit auseinandersetzen. Hochgefährlich.

Klingt gewitzelt, ist aber ernsthaft der Grund. Da beißen sich Therapeuten gern mal länger die Zähne dran aus, bis die Eltern bereit dafür sind.