Versteht einer diese Zeichnung?

Arbeitsblatt - (Philosophie, Geometrie, Descartes)

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die Graphik ist nicht deutlich zu erkennen, aber auf jeden Fall sind Gegenstände in ihr perspektivisch dargestellt. Es gibt anscheinend mehrere Fluchtpunkte (Punkte, an denen sich dargestellte Dinge, die in der Realität Geraden sind, gemeinsam schneiden). Die Zeichnung hat mehrere Perspektiven.

Eine Perspektive ist die Blickrichtung/der Blickwinkel/die Sichtweise eines Betrachters/Beobachters. Die jeweilige Perspektive ist subjektiv. Die Dinge werden dargestellt, wie sie aus der Perspektive eines Subjekts erscheinen. Es geht nicht um einen Versuch, die Dinge in den Abständen, Größenverhältnissen, räumlichen Verlauf und ähnlichen Hinsichten darzustellen, wie sie tatsächlich sind.

Das Arbeitsblatt will eine Parallele zwischen dem Darstellungsmittel der Zentralperspektive und dem von René Descartes vertretenen philosophischen Ansatz nahelegen.

Auch bei Descartes gibt es einen Perspektivismus, indem ein denkendes Ich sich bei einer Erkenntnis und ihrer Vergewisserung auf sein Innenleben, sein Bewußtsein, richtet. Damit werde Wahrheit vom Subjekt konstituiert (begründet, hergestellt, geschaffen). Dies geschehe ohne Hilfe von etwas anderem und im Medium (dem Mittler/der vermittelnden Instanz) des Denkens (nicht der Sinneswahrnehmung). Als wahr und gewiß gilt, was als Bewußtseinsinhalt sehr klar und deutlich und damit evident (einleuchtend, offensichtlich) ist. Das Untersuchen von Bewußtseinsinhalten ist Reflexion/Nachdenken. In der Erkenntnistheorie, die Descartes entwickelt, ist dabei eine Überzeugung Voraussetzung, der Gegenstand könne in der ganzen Fülle seiner Erscheinung intellektuell vorgestellt werden und sei insofern in dem denkenden Ich enthalten.

Descartes hat den Begriff »Subjekt« in einer älteren Bedeutung verwendet, als das Zugrundeliegende, über das etwas ausgesagt wird (lateinisch subiectum = das Daruntergeworfene/Daruntergestellte, das Zugrundeliegende ὺποκείμενον). In der philosophischen Begriffsentwicklung, bei der sich eine Bedeutungsveränderung vollzogen hatt, wurde dann unter einem Subjekt ein Träger von Zuständen des Ichs verstanden, ein Wesen mit Bewußtsein, das wahrnimmt, denkt, fühlt, erkennt, handelt. Der Sache nach ist das im „Ich denke“ (Ego cogito) enthaltene Ich das Subjekt im moderner Bedeutung. Descartes versteht es als Substanz, nämlich als denkende Sache (res cogitans).

Bei Descartes sind denkende Sache, Geist, Seele, Verstand/Intellekt und Vernunft/Ratio im Grunde bedeutungsgleich (res cogitans, id est mens, sive animus, sive Intellectus, sive ratio „Denkende Sache, das ist Geist oder Seele oder Verstand/Intellekt oder Vernunft/Ratio“ 2. Meditation).

Denken ist im Ansatz der Bewußtseinsphilosophie, die bei René Descartes auftritt, als Vergegenwärtigung (Repräsentation) von empirisch (durch Erfahrung) gegebenen Daten gedeutet worden, als Bewußtmachung, bei der etwas in der Erfahrung noch Unklares und Konfuses klarer wird.

René Descartes versteht Vorstellungen/Ideen als mentale Akte (geistige Tätigkeiten), die Gegenstände repräsentieren (darstellen). Der Geist ist Träger der Gedanken. Bei René Descartes ist Denken/Gedanke (cogitatio) das Vollziehen einer Denkhandlung, das notwendig von einem von ihr handelnden Mitwissen/Bewußtsein (conscientia) begleitet ist. Die Gesamtwirklichkeit hält Descartes für ein geordnetes Ganzes, dem die Ordnung der vernünftigen Gedanken entspricht. Seine Erkenntnistheorie ist daher ein Rationalismus.

Die Bildung eines wahren Urteils setzt die Bildung einer richtig repräsentierenden Vorstellung/Idee voraus. Descartes zufolge liegt dies nur vor, wenn eine klare und distinkte (deutliche) Idee gebildet wird. Nach den Meditationes 3, 2 wird als allgemeine Regel für Evidenz aufgestellt: wahr ist alles, was ich sehr klar und deutlich erfasse (Illud omne verum est, quod valde clare & distincte percipio).

klar: dem aufmerksamen Geist gegenwärtig und offenkundig

deutlich: bei Voraussetzung der Stufe der Klarheit von allen übrigen Dingen so getrennt und unterschieden, daß sie gar keine anderen als klare Merkmale in sich enthalten; die Vorstellung/Idee ist nicht nur in ihrem Gehalt richtig erfaßt, sondern auch unvermischt mit anderem allein in ihrer eigenen Tätigkeit gesehen (Principia 1, 45)

Albrecht  17.11.2013, 22:28

Jürgen Goldstein, Kontingenz und Rationalität bei Descartes : eine Studie zur Genese des Cartesianismus. Hamburg : Meiner, 2007 (Paradeigmata ; Band 28), S. 201 (unter Verweis auf: Angelica Horn, Das Experiment der Zentralperspektive : Filippo Brunelleschi und René Descartes. In: Descartes im Diskurs der Neuzeit. Herausgegeben von Wilhelm Friedrich Niebel, Angelica Horn und Herbert Schnädelbach. Originalausgabe. 1. Auflage. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 2000 (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft ; 1436), S. 9 – 32), S. 201:
„Der feste Punkt des Archimedes, auf den Descartes sich bezieht und der nötig ist, um die Erde von der Stelle zu bewegen, ist das ausdehnungslose und unkörperliche Selbstbewußtsein des cogito, das den Ausgangspunkt für eine rationale Betrachtung der Realität bietet. Descartes' Rationalismus ist somit ein methodisch geübter Perspektivismus: Nicht mehr die Wirklichkeit mit ihrer Ordnung als der strukturellen Präsenz Gottes bestimmt, was der Mensch ist, sondern das Subjekt, das anfangs weltlos ist und sich der Wirklichkeit erst vergewissern muß, wird zum Ausgangspunkt eines rationalen Entwurfs von Wirklichkeit. Wie die zentralperspektivische Malerei der Renaissance die Räumlichkeit ihrer Bilder nicht mehr durch künstlerisches Geschick zu erzeugen versuchte, sondern mit Hilfe der mathematischen Methode rational konstruierte, so wird der Standpunkt des Subjekts als Ausgang der egologischen Perspektivität zum archimedischen Punkt der Wirklichkeitsbewältigung.

Daß der Aspekt des Perspektivismus für die cartesische Rationalität tatsächlich eine große Rolle spielt und nicht im Status einer eher unverbindlichen Grundsatzüberlegung verbleibt, läßt sich an einem Detail der cartesischen Ideenlehre belegen. In der Dritten Meditation erläutert Descartes, daß die Ideen keine Abbilder der Gegenstände sind. Sie sind also den Gegenständen nicht ähnlich. Da kein striktes Abbildungsverhältnis besteht, gibt es von einem Gegenstand auch nicht nur eine Idee. Von der Sonne, so erläutert Descartes, hätten wir eine aus den Sinnen geschöpfte Idee, die sie uns als sehr klein präsentiere. Eine aus den Kenntnissen der der Astronomie gebildete Idee der Sonne stelle sie uns als groß vor, wonach sie um ein Vielfaches größer sei als die Erde. Sind die beiden Ideen von der Sonne gleichrangig? Descartes verneint dies, denn »die Vernunft überzeugt mich, daß jene Idee ihr am meisten unähnlich ist, die am unmittelbarsten von ihr herzukommen scheint«.“

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Blah00xxinc 
Fragesteller
 17.11.2013, 22:51

Du bist mein Held!! Super Antwort und danke für die vielen Details!! :)

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Da kann man leider nichts erkennen, weil es zu klein ist.

Blah00xxinc 
Fragesteller
 17.11.2013, 01:29

tut mir leid, kann man nicht vergrößern.

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