Verhält sich der Bundespräsident verfassungsmäßig?
Hallo! Ich studiere Jura im 1. Semester und komme bei einem Fall in ÖffR. nicht weiter.
Meine Frage bezieht sich auf den unten genannten Sachverhalt.
Meine Frage ist, prüfe ich auch die Zulässigkeit oder nur die Begründenheit ? Darf ich den Sachverhalt soweit ausschmücken, dass nach dem Verweigern des Bundespräsidenten die Abgeordneten des Bundestages einen Antrag an das BVerfG stellen würden ?
Aus den Wahlergebnissen der letzten Bundestagswahl ergab sich nach den Vorschriften des BWahlG, dass die in § 1 I BWahlG vorgesehene Anzahl von 598 der Abgeordneten um 46 Überhangmandate und 65 Ausgleichsmandate zu erhöhen war. Es bestehen nunmehr folgende Mehrheitsverhältnisse im Bundestag: Die A-Partei hat 300 Mandate erlangt, die B-Partei 250 und die C-Partei 159.
Der Bundespräsident schlägt dem Bundestag die Kanzlerkandidatin der A-Partei, Frau Z, als Bundes- kanzlerin vor. Diese erhält 300 Stimmen.
Innerhalb der nächsten 10 Tage wird nach ausführlichen Beratungen die Kanzlerkandidatin der B- Fraktion bestehend aus B-Partei und C-Partei, Frau X, auf den Vorschlag, der von den Abgeordneten der B-Fraktion unterzeichnet wird, mit insgesamt 355 Stimmen gewählt.
Der Bundespräsident weigert sich nun, Frau X zur Kanzlerin zu ernennen. Er sei sich nicht verpflichtet, eine Kanzlerin zu ernennen, die er nicht selbst vorgeschlagen habe. Außerdem hätten die Parteien durch ihre ausführlichen Beratungen gegen das Ausspracheverbot in Art. 63 I GG verstoßen, das die Autorität des Bundespräsidenten beim Vorschlag eines Kanzlerkandidaten schützen soll.
Verhält sich der Bundespräsident verfassungsmäßig?
Über Antworten würde ich mich sehr freuen!
1 Antwort
Hi!
Meine Frage ist, prüfe ich auch die Zulässigkeit oder nur die Begründenheit ?
Das ist abhängig von der Fallfrage, die man in der Regel immer zuerst lesen sollte. Geht es um die Erfolgsaussichten eines Antrags oder ein etwaiges Vorgehen, ist in aller Regel eine Zulässigkeitsprüfung geboten. Hier ist das nicht der Fall. Deine Frage beschränkt sich auf die materielle Rechtslage.
Darf ich den Sachverhalt soweit ausschmücken, dass nach dem Verweigern des Bundespräsidenten die Abgeordneten des Bundestages einen Antrag an das BVerfG stellen würden ?
Nein. Es ist nicht deine Aufgabe, weder als Student, noch als Richter (der zumindest im Zivilprozess nur auf Grund des Parteienvortrags entscheiden und sich nicht über diesen hinwegsetzen darf!), einen Sachverhalt zu erfinden. Der Sachverhalt ist immer richtig, erst recht die Fallfrage.
Die weitere Lösung des Falles ist simpel. Bilde einen Obersatz, der direkt auf die Fallfrage Bezug nimmt. Z. B.: Der Bundespräsident verhält sich verfassungsgemäß, wenn er berechtigt ist, die Ernennung von ... zu verweigern.
Suche die passende Norm. Wo steht etwas zur Ernennung des Bundeskanzlers?
Schreibe aus der Norm die Tatbestandsvoraussetzungen einfach ab. Nutze dazu am besten die Terminologie des Gesetzes. Aus diesen Voraussetzungen ergibt sich dein Schema. Bei einzelnen Tatbestandsmerkmalen kann es sein, dass du ein zwei "Schlenker" machen musst und andere Normen zitierst. Hier gehst du dann wieder genau so vor wie beschrieben. Tatbestandsvoraussetzungen abschreiben und subsumieren.
Du kannst prüfen, ob du alles richtig gemacht hast, wenn jede Sachverhaltsinformation verwertet wurde und insbes. der jeweilige Vortrag, der im öffentlichen Recht sehr wichtig ist und immer ein Hinweis auf eine bestimmte Problematik ist. Geh davon aus, dass du in der Regel alles brauchst, was im Sachverhalt drinsteht, aber auch nicht mehr. Kommst du an einer Stelle nicht weiter, scheue dich nicht davor, ins Hilfsgutachten zu gehen. Sei einfach konsequent in deiner Lösung.