Urteil Geschichte?

1 Antwort

Also erstmal: Ist die Leitfrage, ob er ein Vorbild war oder ob man sich ein Vorbild an ihm nehmen sollte?

Das ist ein elementarer Unterschied, denn der Absolutismus hat NATÜRLICH Wellen geschlagen und sich ausgewirkt... ob das nun positiv war oder nicht ist ein anderer Punkt.

Ansonsten:

Das Ding geht schon falsch los. Es war nicht der dreijährige Krieg, sondern der Dreißigjährige Krieg.

Weiterhin würde ich den Absolutismus nicht als 'Wirtschaftspolitik' bezeichnen. Der Zeichnet sich dadurch aus, dass die großen Staatsgewalten in einer Person, nämlich dem Monarchen oder Souverän lagen und auch durch das Gottgnadentum, wenn ich mich recht erinnere, also dass der besagte Herrscher von Gott in diesen Posten 'ernannt' war und dementsprechend nur den göttlichen, nicht aber den weltlichen Gesetzen Rechenschaft abzulegen hatte.

Damit übernehmen wir im Endeffekt eine relativ klassische Sicht, die sich durch die Geschichte zieht, u.a. auch durch das Feudalwesen: Wer wer ist und welche Aufgabe hat, folgt alles GOTTES Plan.

Auch den Merkantilismus erklärst du nicht korrekt. Der ist zwar immerhin eine Form der Wirtschaftspolitik, stützt sich aber nicht ausschließlich auf die Massenproduktion von Waren, sondern eher der Vermehrte Export und verminderte Import von Fertigwaren. Nebenbei hat sich das auch nicht 'Ludwig gedacht', sondern Monsieur Colbert, der unter ihm diente, deswegen heißt diese spezielle Variante des Merkantilismus auch 'Colbertismus'.

Die Armee... joah... kann man stehen lassen. Würde ich als eigenen Punkt machen. GERADE die Entwicklung eines stehenden Berufsheeres ist ja im Endeffekt eine Neuerung des Absolutismus.

Das mit den Beamten ist verworren und in meinen Augen kritisch zu betrachten. Das klingt als würdest du die verschiedenen Stände aufweichen und genau das geschah nicht. Das Ständesystem BLIEB schlicht und einfach vorhanden.

Deine Nachteile... naja...

Warum es ein Nachteil des Merkantilismus sein soll, dass er keine Verbesserung für einige Leute darstellte, weiß ich nicht.

Das Ständesystem als Nachteil anzubringen ist schlicht und einfach nicht korrekt, denn die Generalstände gab es schon zuvor. Zumindest meine ich mich daran zu erinnern, dass schon Kardinal Richelieu, den man ja eher mit Louis XIII verknüpft, auf einer Generalständeversammlung eine flammende Rede hielt. Kurz gesagt: Die Generalstände waren schlicht keine Neuerung durch Louis XIV. Klar waren die nicht eben gerecht (wobei du eher den Umstand erwähnen solltest, dass der Dritte Stand quasi die ganze Bevölkerung auf Basis der Geburt umfasste und es auch keine Möglichkeit gab aufzusteigen, anstatt anzuführen, dass es vielen Leuten nicht wirklich gut ging, was de facto in JEDEM Land dieser Zeit der Fall war), aber das ist nicht Louis XIV anzulasten.

Was wiederum die gewaltsamen Auseinandersetzungen und Verfolgungen der Protestanten angeht... das sehe ich auch kritisch als Nachteil. Zwar ist es richtig, dass Louis ihnen im Edikt von Fontainebleu ihre Bürgerrechte aberkannte und die Religionsfreiheit aufhob... das führte aber zu einer massiven Auswanderungswelle. Insgesamt würde ich die Handlung als weniger radikal und grausam betrachten als du sie beschreibst, INSBESONDERE vor dem Hintergrund des damit aufgehobenen Edikt von Nantes, das die Hugenottenkriege beendete, mit denen Louis aber deutlich weniger zu tun hatte, denn die spielten sich vor seiner Zeit ab.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass du nicht aus der Zeit heraus urteilst, sondern aus dem heute. Mein Geschichtslehrer würde das als 'Arroganz des Spätgeborenen' bezeichnen.

Klar, wenn man Louis mit HEUTE vergleicht mag es unangemessen sein, wie er handelt und die Handlungen mögen sich im Nachhinein auch negativ ausgewirkt haben. Das ist aber nicht die Aufgabe. Und um diese Aufgabe zu erfüllen musst du entweder die Neuerungen aus der Zeit heraus bewerten ODER auf Basis der anderen Reiche der entsprechenden Zeit.

Und wenn man mal das ganze Heute weglässt, dann bekommt man folgendes Bild:

Eine zentralisierte und höchst effektive Verwaltung, große Neuerungen in der Innen- und Außenpolitik, sowie im Justizwesen.
Die Wirtschaftspolitik wurde mit dem Merkantilismus extrem umgekrempelt und zeigt damit Neuerungen, die sich in den folgenden Jahrhunderten auch in anderen Reichen durchsetzen und weiter etablieren werden.
Militärisch war Frankreich am Ende von Louis Herrschaft gesicherter und stärker, als zuvor. Das stehende Heer WAR natürlich eine enorme Ausgabe, das ist richtig, doch das Berufssoldatentum setzte sich natürlich ebenfalls durch.
Und die verschwenderische Hofhaltung von Versailles dafür verantwortlich zu machen, dass Frankreich in die Krise schlitterte... das würde ich nicht tun. Das teure waren im wesentlichen Kriege , so z.B. der Spanische Erbfolgekrieg. Und ja, der war happig, dennoch war Frankreich insgesamt gesehen eines der wohlhabensten und florierendsten Länder Europas wirtschaftlich gesehen und vor allem innenpolitisch doch relativ stabil.

Und ob du jetzt wirklich den Umstand, dass Louis keine Hegemonie in Europa aufziehen konnte, als negativen Punkt sehen willst... das überlasse ich dir und es war sicher ein Ziel, das nicht erreicht wurde, aber das würde ich offen gestanden nicht so extrem überbewerten.

sbbin55555 
Fragesteller
 16.10.2022, 03:02

Hallo, Vielen Dank für diese lange detailierte Bewertung zu meinem Urteil. Obwohl ich die hälfte der genannten wörter nicht verstehe, werde ich versuchen diese tips in meinem Urteil anzuwenden. Meine lehrerin hatte irgendwie nie etwas dazu gesagt das ein Urteil aus der alten perspektive geschrieben sein soll, und bisher haben wir alle urteile aus der heutigen persketive beurteilt. Zu ihrer frage, die leitfrage ist ob monarchen sich ein vorbild an ihnen nehmen sollten. Das contra argument dass ludwig europa nicht beherrschen konnte, meinte ich als contra aus der politischen perspektive, nicht aus meiner. Die meisten monarchen würden europa warscheinlich beherrschen wollen, daher contra als vorbild für sie, aber ka. Wäre es besser wenn ich schreiben würde das ludwig frankreich auf merkantilismus anstatt auf massenproduktion umstellte? Nochmal, vielen Dank für ihre antwort, ich habe viel draus gelernt. (sorry für die Rechtschreibung)

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