Thermodynamik - Freie Entahlpie?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Das Hauptprinzip der Thermodynamik ist die Abnahme der freien Enthalpie.

Da muss ich dir leider widersprechen. Die Thermodynamik (TD) kennt zwei Hauptprinzipien:

1) Energieerhaltungssatz, welcher im 1. Hauptsatz der TD beschrieben wird.

2) Das Prinzip der maximalen Entropie, welches im 2. Hauptsatz der TD beschrieben wird.

Beide Sätze lassen sich für geschlossene Systeme relativ leicht formulieren:

Erster HS der TD für geschlossene Systeme:
dU = Q + W = Q - pdV

Zweiter HS der TD für geschlossene Systeme:
dS ≥ 0

Bei geschlossenen Systemen lässt sich damit auch recht gut rechnen. Nun haben wir es in der Chemie aber praktisch nie mit geschlossenen Systemen zu tun, sondern mit gegenüber der Umwelt offenen Systemen. Das beste Beispiel sind Verbrennungsprozesse. Da wird Sauerstoff aus der Umgebung aufgenommen und heiße Verbrennungsgase werden an die Umwelt abgegeben. Das macht die ganze Sache rechnerisch kompliziert, denn dann müsste man, um den beiden oben genannten Prinzipien gerecht zu werden, nicht nur das reagierende System, sondern auch seine Auswirkungen auf die Umwelt berechnen und das würde die Sache ungeheuer kompliziert machen. Lieber haben es die Chemiker, wenn sie die Umwelt unberücksichtigt lassen können und sich nur mit den Werten beschäftigen, die direkt am und im reagierenden System messbar sind.

Um dem 1. HS gerecht zu werden ohne die Umwelt berücksichtigen zu müssen, wurde die Enthalpie eingeführt. Um dem 2. HS gerecht zu werden, ohne die Umwelt berücksichtigen zu müssen, wurde die freie Enthalpie bzw. die Gibbs-Energie eingeführt.

Mehr zum besseren Verständnis von Enthalpie und Entropie habe ich hier geschrieben:

https://www.gutefrage.net/frage/enthalpie-und-entropie#answer-424230150

Zurück zu deiner eigentlichen Frage:

Doch was kann ich mir unter dieser Gibbsenergie genau vorstellen.

Wie gesagt, sagt der 2, HS aus, dass bei jeder Energieumwandlung die Entropie nur zunehmen, aber nie abnehmen kann. Dies Prinzip der Entropiemaximierung bezieht sich aber immer auf die Gesamtentropie, als die Entropieänderung im System + Entropieänderung der Umwelt. Wenn du den Link oben gelesen hast, verstehst du, dass eine Zunahme der Entropie gleichzeitig bedeutet, dass die Energie, die noch frei in andere Energieformen umgewandelt werden kann, zwangsläufig abnimmt. Mit der Gibbsenergie findet genau das rechnerisch statt, dass aus dem Prinzip der Maximierung der Gesamtentropie angeleitet wird, dass dies zwangsläufig zu einem Prinzip der Minimierung der frei umwandelbaren Enthalpie führen muss. Dies frei umwandelbare Enthalpie ist dann die sogenannte freie Enthalpie oder Gibbsenergie. In der kommen auch nur noch Zustands- und Prozessgrößen vor, die leicht zu erfassen und zu berechnen sind. Genau das wollten die Chemiker erreichen. Damit sind sie in der Praxis mehr oder weniger diese ungeliebte Entropie losgeworden.


Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Habe Thermodynamik im Hauptfach studiert.
ichbrauchehi41 
Fragesteller
 23.12.2022, 11:30

Wow unfassbar, dein alter Post ist sehr gut verfasst worden!

Beim Verständis sehr hilfreich :) Vielen Dank!

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ichbrauchehi41 
Fragesteller
 23.12.2022, 11:35

Ich hätte trotzdem noch eine weitere Frage. Ich hoffe ich erzähle keinen Schwachsinn. Aber du meintest ja, die freie Energie, die man zur Verrichtung von Arbeit verwenden kann, nimmt zwangsläufig ab. Gibt es denn eigentlich irgendwann einen Zeitpunkt, an dem man keine freie Energie mehr hat? Also gibt es quasi ein Ende der zur Arbeit verrichtenden Energie?

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Hamburger02  23.12.2022, 11:43
@ichbrauchehi41
Ich hoffe ich erzähle keinen Schwachsinn.

Im Gegenteil, du scheinst mit- und weiterzudenken.

Gibt es denn eigentlich irgendwann einen Zeitpunkt, an dem man keine freie Energie mehr hat?

Ja, den gibt es. Das ist Wärme bei Umgebungstemperatur. Die hat die maximal mögliche Entropie und die hat 0 freie Enthalpie. Wärme kann man auch als den "Abfallhaufen der Energie" bezeichnen.

Es gibt auch Spekulationen darüber, dass das Universum irgendwann mal den sogenannten Wärmetod sterben würde. Dann ist allle Energie incl. chemischer Energien in Wärme umgewandelt und das homogen, sodass es keinerlei nutzbare Energiepotenziale mehr irgendwo gibt. Damit passiert dann gar nichts mehr im Universum, es ist tot.

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