Sollten Regierungen festlegen dürfen, wie Museen Geschichte erzählen?
Wenn ein Präsident bestimmt, dass Museen historische Ereignisse nur in einem positiven, patriotischen Licht darstellen sollen und dabei droht, Fördergelder zu streichen, falls „spaltende“ oder „anti-amerikanische“ Perspektiven gezeigt werden, berührt das nicht nur die Kulturpolitik, sondern auch die Frage nach wissenschaftlicher Unabhängigkeit und künstlerischer Freiheit. Ist es Aufgabe des Staates, die offizielle Erzählung einer Nation zu steuern, oder sollten Museen frei entscheiden, wie sie Geschichte in all ihrer Komplexität präsentieren?
https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/trump-museen-100.html
1 Antwort
Ich verstehe in gewisser Weise seine Absicht.
Offenbar ist in den USA weit mehr als in Deutschland Geschichte in den letzten Jahren sehr emotional unterrichtet worden, mit der Idee, dass die heutigen Schüler eine Schuld für die Vergangenheit in sich tragen unter anderem hinsichtlich der Sklaverei. Das ist ja in Deutschland, unter anderem meines Wissens DURCH den Einfluss der amerikanischen Besatzer gerade NICHT passiert. Mir wurde während des Geschichtsunterrichts nie das Gefühl gegeben, dass meine Großeltern potienziell Nazis waren und ich noch die Schuld am Holocaust in mir trage, sondern im Gegenteil, es wurde vermittelt, da ist Furchtbares passiert und wir müssen aufpassen, dass so etwas nie wieder passiert, dass wir uns nicht manipulieren oder instrumentalisieren lassen und dass wir jeden Menschen achten, vor allem auch Menschen, die ganz anders leben als wir.
Mir macht die Art, wie seit der "Wokeness" Diskurse teilweise geführt werden, extrem emotional beladen, mit Schuldzuweisungen, teilweise mit der expliziten Aussage, man könne die Schuld nie los werden und wer sich am meisten Mühe gäbe, sei am stärksten verdächtig, auch Sorge.
Auf der anderen Seite müssen wir alle dafür eintreten, dass Geschichte nicht verfälscht wird, obwohl sie immer wieder durch leicht andere Blickwinkel gesehen werden kann. Dass uns niemand vorschreibt, wie man ob seines Weltbildes Geschichte zu interpretieren habe (also, ob Trumps Weltbild).
Wieder auf der anderen Seite bin ich skeptisch, wenn ich Ideen sehe, die umgesetzt werden, wie, dass es in bestimmten Museen oder Ausstellungen Zeiten gibt, in denen Angehörige bestimmter Gruppen, teilweise nur anhand der Hautfarbe, nicht rein dürfen oder nur Menschen bestimmter Gruppen rein dürfen. Damit wird mMn Sorge vor der Begegnung, sogar nur der Präsenz, bestimmter Gruppen geschürt. Den Besuchern wird nahegelegt, dass ihr Erlebnis nur durch die bloße Anwesenheit bestimmter Menschen (unabhängig von deren Verhalten, auch, wenn diese selbst nur die Ausstellung sehen wollen und keinen belästigen) schlechter, teilweise sogar gefährlich werden könnte.
Dabei wird parallel immer Toleranz (wörtlich: Ertragen, in dem Falle von Menschen, die sich vielleicht teilweise unverständlich für einen verhalten oder Werte haben, die man nicht teilt) gegenüber allen anderen gepredigt.
Sich darüber Sorgen zu machen, finde ich legitim, ABER Trump vergisst mMn, dass er ein Land repräsentiert, in dem ursprünglich mal Demokratie, Diskurs, Meinungsfreiheit hochgehalten wurde und er geht nun einen Weg, der dem komplett entgegensteht. Kein Wunder, dass es Diskussionen gibt, wie die USA nach Trump aussehen, ob sie dann noch eine Demokratie sind.
Allgemein wundert mich, dass Präsidenten offenbar keine Berater haben, die ihnen auch die Grundwerte des Landes in Erinnerung bringen, wenn sie öffentlich Aussagen machen, die denen entgegenstehen.
Ich meine, wie ginge es uns denn, wenn unsere Kinder bspw. in Museen über den Holocaust gingen mit der Schulklasse und heimkämen mit der Frage "Mama, war ie Uroma ein Nazi? Sind wir Schuld am Tod der Menschen, die in den KZs starben? Sind wir im Grund Nazis, weil wir deren Nachfahren sind? Müssen wir uns ab jetzt bei allen Nachfahren der Opfer im Dritten Reich ständig entschuldigen? Kann ich noch mit meinem Freund befreundet sein, wenn ich Schuld bin, dass seine Uroma umgebracht wurde?"
Ich sehe bei so einem Narrativ nichts Gutes, nur unnötigen Stress und ggf. Vermeidung des Kontakts mit Menschen, die einen potenziell aufgrund der Geschichte hassen.
Mein Vater hätte noch die Chance gehabt, ein Konzert von Yehudi Menuhin zu besuchen. Der Mann war nicht nur Jude (und hat für die ehemaligen KZ-Häftlinge nach dem 2. Weltkrieg gespielt), sondern hieß wörtlich so, also Jude. Er trat aber für Verständnis zwischen allen möglichen Menschen ein. Nach dem Narrativ der Woken hätte man bspw. als Deutscher ohne jüdische Wurzeln vermutlich seine Konzerte nicht besuchen dürfen, um den Genuss für andere Konzertbesucher nicht zu schmälern.