Sokrates & Delos

1 Antwort

Die Athener schickten jährlich einen Festgesandtschaft zu der Insel Delos (die Kykladeninsel war nach dem Mythos Geburtsort des Gottes Apollon und ein Hauptsitz seiner Verehrung), den sie nach einem Mythos dem Gott Apollon für den Fall eines günstigen Ausganges einer gelobt hatte.

Es bestand ein Gesetz, daß nach Beginn des  Festzuges in der ganzen Zeit die Stadt gereinigt wird (gemeint ist rituelle/kultische Reinheit/Unbeflecktheit) und niemand öffentlich hingerichtet werden darf, bis das Schiff nach Delos und wieder zurück gekommen ist. Das konnte einen etwas längeren Zeitraum dauern, unter anderem von den Windverhältnissen abhängig. Die Festgesandtschaft begann, wenn der Priester des Apollon das Hinterdeck des Schiffes schmückte.

Dies geschah am Vortag des Sokratesprozesses. Daher verging eine längere Zeit zwischen der Verurteilung sowie dem Aufenthalt des Sokrates im Gefängnis und seinem Tod (Hinrichtung durch Schierlingstrunk). Sokrates hätte Gelegenheit gehabt, in der Wartezeit zu fliehen (Freunde wären bereit gewesen, die Wächter zu bestechen; vgl. Platon, Kriton 43 a - 49 b). Aber Sokrates lehnte es ab. Er wollte nichts seiner Überzeugung nach Unrechtes tun. Das Warten auf die Rückkehr des Schiffes hat den Vollzug des Urteils verzögert.

Klaus Döring, Sokrates, die Sokratiker und die von ihnen begründete Tradition. In: Sophistik, Sokrates, Sokratik, Mathematik, Medizin (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 2/1). Herausgegeben von Hellmut Flashar. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1998, S. 153 gibt an:

Der Vollzug der Strafe verzögerte sich um einige Zeit (nach Xenophon, Apomnemoneumata [lateinisch: Memorabilia] 4, 8, 2 um 30 Tage), und zwar aus folgendem Grund: Am Tag vor dem Prozeß hatte mit der Bekränzung des Schiffes die Festgesandtschaft begonnen, welche die Athener jährlich nach Delos schickten, um dem Gott Apollon dafür zu danken, daß er einst Theseus und die ihn begleitenden sieben Mädchen und sieben Knaben davor bewahrt hatte, zum Opfer des Minotaurus zu werden, und bis zur Heimkehr der Festgesandtschaft wurde aus kultischen Gründen untersagt, Hinrichtungen vorzunehmen (Platon, Phaidon 58 a - c).