Seit wann gibt es den Majestätsplural im Arabischen?

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Es gibt im Arabischen keinen eigentlichen Majestätsplural, jedenfalls nicht außer bei „Wir“, was aber doch nur ein Personalpronomen im Plural darstellt, ob separat oder als Suffix. Sowas, wie „Elohīm“ im Hebräischen gibt es im Arabischen nicht.

Michistat 
Fragesteller
 22.12.2023, 12:11

Meinst du, das Majestätsplural kam erst mit dem Koran in die arabische Sprache?

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mulan2255  22.12.2023, 12:15
@Michistat

Das wird sicher stimmen, kann es aber auch nur vermuten. Mir ist kein vorislamischer Text diesbezüglich bekannt.

Der dient im Quran m.E. mindestens für zweierlei. Zum einen als besondere Hervorhebung der Würde (daher ja pluralis maieststis oder auch pluralis dignitatis), zum andern als Hinweis darauf, dass man Allah kein spezielles Geschlecht zuschreiben kann, auch wenn im Quran neben „Wir“ oft „Er“ steht.

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mulan2255  22.12.2023, 12:23
@Michistat

Nachtrag: Ob die arabischen Grammatiker selbst überhaupt solche Bezeichnung oder Kategorie dem Sinn nach gebrauchten, entzieht sich meiner Kenntnis, auch wenn sie ganz gewiss um das „Wir“ im Quran wussten.

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mulan2255  22.12.2023, 12:35
@Michistat

Nachtrag: Es kann aber möglich sein, dass ein Fürst vor dem Islam etwa eine Deklaration mit „nahnu“ (wir) erlassen hat, wie es heutige Monarchen tun. So hatte z.B. der Sultan von Oman 1996 den Text der Verfassung nach der Basmala mit den Worten beginnen lassen: „Nahnu Qabus bin Said Sultan Uman, …“, d.h. „Wir, Qabus bin Said, Sultan von Oman, …“. … Denkbar bzw. möglich ist es also.

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Michistat 
Fragesteller
 22.12.2023, 12:52
@mulan2255

Danke. Du hast es offenbar voll richtig getroffen:

Nachdem ich nichts zu MP auf deutsch gefunden hatte, habe ich auf Engisch gesucht und fand das:

https://www.answering-islam.org/authors/rogers/plural_majesty.html

Obwohl einige moderne Schriftsteller – jüdische, christliche und andere – für die Existenz einer solchen Redefigur während der Zeit der biblischen Abfassung2 angeführt werden können und die darin auch eine Erklärung für den göttlichen Gebrauch der Pluralpronomen sehen, die in zu finden sind Genesis und Jesaja, andere Quellen (und sorgfältigere wissenschaftliche Forschung) können genauso gut zitiert werden, die etwas anderes sagen, und darauf hinweisen, dass: 1) es keine eindeutigen Beispiele dafür gibt, dass der Plural von Majestät jemals im Alten Nahen Osten im Jahr v. Chr. verwendet wurde. Zeitraum, der mit den Schriften des Alten Testaments zusammenfällt; und 2) selbst wenn es glaubwürdige Fälle gäbe, gibt es keinen Beweis dafür, dass eine solche Redewendung in der jüdischen Kultur der betreffenden Zeitperiode existierte oder dass sie jemals von den biblischen Autoren verwendet wurde. Beispielsweise sagte Professor Tayler Lewis (LL.D), ein klassischer und biblischer Gelehrter, nachdem er mehrere verschiedene angebotene Interpretationen erwähnt hatte, Folgendes über den Plural von Majestät:
Von all diesen Ansichten findet der Pluralis majestaticus die geringste Unterstützung. Es ist dem usus loquendi der frühesten Sprache fremd; es erniedrigt die Gottheit, anstatt sie zu ehren, und Aben Ezra zeigt, dass die wenigen scheinbaren Beispiele aus den Hebräischen Schriften, wie etwa Num. xxii. 6; Dan. ii. 36, bestätigen Sie es nicht – letzteres ist übrigens eine aramäische Redeweise. Wenn wir überhaupt von der patristischen Sichtweise einer Anspielung auf eine Pluralität von Ideen in der Gottheit abweichen [d. h. die Dreifaltigkeit], das nächstbeste ist das von Maimonides ...3
Ein weiteres Beispiel ist Emil Rödiger (*), Professor für orientalische Sprachen an der Universität Halle und Schüler des bekannten deutschen Orientalisten und Bibelkritikers H. F. W. Gesenius, dem der Begründer der wissenschaftlichen Herangehensweise an die semitische Philologie zugeschrieben wird. Nach dem Tod von Gesenius wurde Rödiger zum Herausgeber der nächsten Ausgaben der Hebräischen Grammatik von Gesenius ernannt. In dieser Funktion fügte er auch die folgende häufig zitierte Fußnote hinzu:
Jüdische Grammatiker nennen solche Pluralformen... Plur. Virium oder Virtutum; spätere Grammatiker nennen sie Plur. Excellentiae, Magnitudinis oder Plur. maiestaticus. Dieser Nachname könnte durch das „wir“ angedeutet worden sein, das Könige verwendeten, wenn sie von sich selbst sprachen (vgl. bereits 1 Makk. 10:19, 11:31); und der von Gott in Genesis 1:26 und 11:7, Jesaja 6:8 verwendete Plural wurde auf diese Weise falsch erklärt. Es ist jedoch entweder kommunikativ … oder nach Ansicht anderer ein Hinweis auf die Fülle von Macht und Macht …; aber es lässt sich am besten als Plural von Selbstüberlegung erklären. Die Verwendung des Plurals als eine Form der respektvollen Anrede ist dem Hebräischen völlig fremd.4 (Hervorhebung im Original; online verfügbar, siehe hier)
Der bekannte Alttestamentler Claus Westermann, der von 1958 bis 1978 Professor an der Universität Heidelberg war, sagte:
Der Plural von Majestät kommt im Hebräischen nicht vor ..., daher wurde diese ältere Erklärung heute völlig aufgegeben; ...5

Das heißt also, den MAJESTÄTSplural gab es weder im Hebräischen noch im Arabischen.

Was es gab, das war der "Plural von Selbstüberlegung".

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mulan2255  22.12.2023, 12:59
@Michistat

Du siehst, es ist eine Frage der Definition. Und die kann sich ändern. Das Wesen der Sprache bleibt indes bestehen, ob man da nun einen pluralis maieststis hineininterpretiert oder nicht.

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mulan2255  22.12.2023, 13:12
@Michistat

Nachtrag: Im Arabischen wird das, was z.B. der Sultan von Oman gemacht hat, heute نحن الملكية „nahnu al-malakiyya“ (königliches Wir) oder auch جمع التجليل „djam‘ at-tadjlīl“ (majestätischer Plural) genannt, letzteres aber wohl eher Fremdbezeichnung in Anlehnung ans lateinische sein dürfte. Denn tadjlīl kommt u.a. von djalāla, also Majestät, was so nur für Allah gebraucht wird.

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Michistat 
Fragesteller
 22.12.2023, 14:01
@mulan2255

Das bedeutet erst Mal, dass es den Majestätsplural heute gibt im Arabischen.

Und den obigen Einlassungen (Link) entnehme ich folgenden aufschlussreichen zweiten Punkt:

1.Makkabäer 10,18 König Alexander grüßt seinen Bruder Jonatan. 19 Wir haben über dich gehört, dass du ein starker Held bist; du bist es wert, unser Freund zu sein. 20 Darum ernennen wir dich heute zum Hohepriester über dein Volk.
1.Makkabäer 11,30 König Demetrius grüßt seinen Bruder Jonatan und das Volk der Juden. 31 Wir haben euretwegen unserem Verwandten Lasthenes einen Brief geschrieben, dessen Abschrift wir auch euch, damit ihr Kenntnis davon erhaltet, zukommen lassen: 32 König Demetrius grüßt Vater Lasthenes. 33 Das mit uns befreundete Volk der Juden ist seinen Verpflichtungen uns gegenüber nachgekommen.

Da die Makkabäerbriefe definitiv in der Zeit vor Christus geschrieben worden waren (2.Makk1,9: 124 v.Chr.) und 1 Makk oben deutlich die Verwendung des Majestätsplural zeigt, ist der Majestätsplural zumindest den Juden zu der Zeit schon geläufig gewesen.

Dann ist die Formulierung "Plural von Selbstüberlegung" nichts mehr, als eine Spitzfindigkeit der genannten Wissenschaftler.

Wenn aber die Juden mindestens seit der Zeitenwende den Majestätsplural kannten, ist davon auszugehen, dass in der ebenfalls semitischen Sprache des Arabischen er auch mindestens seit der Zeitenwende bekannt war. Allah spricht dann also in 7. Jhdt im Kor an mit Majestätsplural - und das alte Testament kennt ab seinen Spätschriften ebenfalls den Majestätsplural.

Bruder, du hast mir sehr geholfen.

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