Schwul: mein Outing fällt mir schwerer als alles andere. Tipps?
Hallo,
ich bin M und 25. Mit 18, 19 habe ich angefangen Frauen zu Daten, es immer wieder versucht. Kurz in einer Beziehung gewesen, schnell wieder beendet. Dabei wurde oft ein Bild von mir erzeugt, als wäre ich ein Frauenheld. Bis heute würde mir kaum jemand glauben , wenn ich sage, dass ich doch schwul bin. Noch jetzt versuche ich mir einzureden, dass ich sogar Bi sein könnte. Das liegt daran, dass ich mir eine Beziehung zwar mit einer Frau vorstellen kann, aber wenn ich Frauen sexuell nicht anziehend finde, wird es schwer.
So richtig habe ich es gemerkt, als ich ein Jahr in Kanada gelebt habe. Insbesondere in Großstädten wie Vancouver wird es eben als Normal angesehen, wenn man auf das Gleiche Geschlecht steht. Und ich fühle mich auch nicht so, als würde ich etwas tun, was eben nicht normal ist. In Kanada hatte ich sexuell was mit Männern und ja, es hat mir gefallen. Jetzt wo ich wieder in Deutschland bin, habe ich jemanden kennengelernt, wo ich mir sogar mehr als nur Sex vorstellen könnte. Warum soll ich etwas verbergen, warum etwas nicht mal versuchen, wenn ich es insgeheim auch einfach mal machen will.
Ich habe darüber hinaus oft die Position vertreten, dass ein Outing nicht notwendig ist. Wenn ich beispielsweise nach Hause kommen würde, mit einem Typen, dann möchte ich eigentlich nur, dass nicht groß darüber gesprochen wird, weil es für mich keine Große Angelegenheit ist.
Teile in meiner Familie sind allerdings zutiefst Homophob. Insbesondere mein Bruder. Was er darüber schon gesagt hat darf ich hier gar nicht schreiben, weil mein text dann gesperrt werden würde.
Jetzt wo ich aber jemanden kennengelernt habe, möchte ich nichts verstecken. Ich möchte ins Kino gehen, zu ihm, was zusammen machen ohne dass ich mir Gedanken machen muss, was andere sagen.
Das Thema Outing ist für mich eigentlich so weit entfernt, weil ich mir niemals vorstellen könnte zu sagen "Mama, ich bin schwul." Ich selbst würde mir komisch vorkommen, weil ich jahrelang eine andere Rolle gespielt habe. Falsch von mir ja, aber es ist eben keine einfache Situation. Ich traue mich nichtmal meinem Besten Freund etwas zu sagen. ich meine, er redet ja auch nicht ständig über seine Heterosexualität. Warum sollte ich es also tun. Und dennoch möchte ich endlich mal mit jemanden darüber sprechen können.
Habt ihr also Tipps? ich fühle mich dabei ziemlich einsam, weil ich auch absolut kein typischer "Szenegänger" oder sonstiges bin. Dadurch isoliert man sich möglicherweise auch und frisst es in sich hinein. Ich will einfach als normal bei Familie und Freunden gesehen werden, weil mit mir alles stimmt.
9 Antworten
Hey, das hört sich nach einer ziemlich schwierigen Situation an
"Ich traue mich nichtmal meinem Besten Freund etwas zu sagen. ich meine, er redet ja auch nicht ständig über seine Heterosexualität. Warum sollte ich es also tun. Und dennoch möchte ich endlich mal mit jemanden darüber sprechen können."
Ich würde dir aber ans Herz legen, mit deinem besten Freund darüber zu reden (insofern du weißt, dass es Homosexualität einigermaßen neutral/positiv gegenüber steht)
Klar, er hatte bisher nicht das Bedürfnisse mit dir über seine Heterosexualität zu sprechen, aber das schließt ja nicht aus, dass du dich mit deinen Sorgen und Gedanken zu deiner Sexualität an ihn wenden kannst.
Wenn er wüsste, wie sehr dich das Thema belastet und wie alleine du dich damit fühlst, wäre er sicher froh, wenn ihr schon viel früher darüber gesprochen hättet und er dir einen Teil deiner Last hätte abnehmen konnte.
Über Themen wie ein mögliches Outing könntest du gut in einer Beratungsstelle oder Jugendzentrum mit einsprechendem Schwerpunkt ansprechen. Google doch da einrichten mal was es da in deiner Nähe so gibt. Ich habe vor ein paar Jahren eine Fortbildung besucht, wo sich u.a. das Sub aus München vorgestellt hat, welche in solchen Themen Männer beraten. Dadurch kannst du auch mit anderen mit der gleichen sexuellen Orientierung sprechen und hast schon mal Ansprechpartner dabei. Das hat ja nicht direkt was mit einer bestimmten Szene zu tun, sondern einfach sich auszutauschen über Themen, die einen bewegen. Von der Vorstellung des Angebots fand ich dass sich das gut anhört, selbst habe ich da aber keine Erfahrungswerte. Es haben sich ein paar Freunde und Bekannte geoutet aber des war selten eine große Sache, sondern man hat drüber geredet und fertig. Klar haben manche auch negatives dadurch erfahren. Trotzdem ist es wichtig sich so zu geben wie man ist und keine Rolle zu spielen. Das Leben ist zu kurz für Spielchen.
Ein Freund war in einer ähnlichen Situation. Er hat einfach angfangen seinen Freund mitzubringen. Zu Geburtstagen, Feiern, Schützenfesten... Er hat nie "offen gesagt" dass er schwul ist. Es war einfach klar, als die beiden zusammen auftauchten. Böse Zungen wird es leider immer geben.
Was deine Ma angeht, wird sie sicher damit zurecht kommen. Mütter sehen sehr viel mehr, als wir Kinder glauben. Mein Freund und sein Partner sind seit einigen Monaten glückliche Eltern einer kleinen Tochter. Dein bruder wird wahrscheinlich "die härtere Nuss" sein, aber auch das ist machbar. Es ist DEIN Leben. Nicht das, deines Bruders. Wenn er dich (und deinen Freund) nicht so akzeptieren kann, hat er eben gelitten. Das ist nicht dein Problem.
Ich würde dir wirklich raten zumindest mal mit deinem besten Freund zu sprechen. Auch darüber, wie unsicher du dir deswegen bist. Beste Freunde hören zu. Und manchmal reicht schon jemand, der einem beim Denken zuhört.
Du hast ein Lügengebäude aufgebaut und es ist schwierig es mit einem Mal einstürzen zu lassen. Was werden sie darüber denken, dass ich ihnen etwas vorgemacht habe? Das sind nicht die Gedanken der anderen.
Es gibt Homophobe in deiner Umgebung, aber auch andere , wie du schreibst. Wenn nach deinem Outing sich Personen weiter homophob verhalten, dann distanziere dich von diesen Kleingeistern und halte dich an die anderen.
Hi,
Ich kenne das was du gerade durchmachst. Ich selber bin ein paar Jahre jünger, aber habe die selben Gefühle was das angeht. Warum sollte es jemanden Interessieren? Warum muss ein Outing notwendig sein? Das sind Fragen die ich mir auch alle Gestellt habe. Ich selber bin nur bei meiner Mutter geoutet und habe auch nicht vor das zu ändern, warum sollte ich das denn auch. Wenn ich mal jemanden kennenlerne wird dieser Mensch in mein Leben eingeführt wie jede andere Person. Ich kenne den Gedanken garnicht mich vor jemanden zu outen, da ich ja mein Plan habe.
Ich gebe dir nur eine Sache mit!
Schäme dich für nichts, es hört sich kompliziert an ist es aber nicht. Wow dann sieht dein Bruder dich im Kino mit ihm und dann? Wird er dir entweder eine Liebe oder Böse Seite zeigen, du findest dann raus wer in deinem Leben noch eine Rolle spielen soll. Ich habe alle rausgekickt die meine Art zu leben nicht gut finden. Sie dürfen diese Meinung haben, aber nicht mein Leben so beeinflussen.
Du bist perfekt wie du bist und das ist das einzige was zählt. Menschen kommen und gehen ( auch deine Familie ) aber du bleibst bei dir und das solltest du anerkennen.
Es gab ja schon einen Grund warum es in Kanada so toll war. Die Leute haben nicht gefragt, weil es ihnen egal war. Der Punkt ist den meisten Menschen hier auch aber du hast einfach Angst das vor jemand Nahestehenden zu sagen. Du möchtest sie nicht enttäuschen, aber deine Familie sollte stolz auf dich sein. Das du nach so einem Kampf endlich den Mut bekommen hast.
Ich wünsche dir ganz viel Kraft und Glück und alles gute. Ich hoffe es wird besser.
LG Sky