Roman: Alles, was wir geben mussten?
Ich muss für ein Schulprojekt Begründen/argumentieren warum der Roman so endet - ich weis nicht wie ich an die Sache herangehen soll, da ich keine Ahnung hab wie man das überhaupt machen soll. Vielleicht kann mir jemand helfen wie man so etwas generell beschreibt?
1 Antwort
Ich finde den Roman unglaublich gut. Dir den wunderbar offenen, aber sehr aussagekräftigen Schluss, in platten Worten niederzuschreiben, widersteht mir.
Deshalb zunächst, was ich mir über den Schluss notiert habe:
Eine Kritikerin schreibt über das ganze Buch, was auf den Schluss besonders gut zutrifft:
"Da ist ein Klang von Stille. Mit den ersten Zeilen wird dieser Ton angeschlagen, wie in der Eröffnung einer Cellosonate, drängender Abstieg in gefasste Melancholie. Vorsichtig, zurückhaltend setzen sie ein, die Romane von Ishiguro, aber sie alle variieren ein einziges überwältigendes Thema – was der Mensch ist in seiner Ungeschütztheit, wie er sich darin bewähren kann, vor allem vor sich selbst.
Ich habe jetzt erstmals den Film zum Roman gesehen. Er scheint mir erstaunlich gelungen. Bei allen Kürzungen ist die Atmosphäre der verschiedenen Bereiche: Schule, Cottages, Kliniken, die bürgerliche Welt, (in der die, die für Menschlichkeit kämpfen, vereinzelt sind) durch Farben und Bilder erstaunlich genau evoziert. Die schauspielerische Leistung ist auch sehr eindrucksvoll.
Bild wird auch der oben zitierte Schluss des Romans:
I was thinking about the rubbish, the flapping plastic in the branches [...] I just waited a bit, then turned back to the car, to drive off to whatever it was I was supposed to be.
Sie tut das, was die Gesellschaft von ihr erwartet. Darin unterscheidet sie sich nicht von uns und von den Menschen in einem totalitären Regime. Zwar gibt es Ausnahmen ..
Falls du den Hinweis in meinem Artikel übersehen hast. Die beste Interpretation des Buches, die ich kenne, steht hier: https://www.zeit.de/2005/45/SM-Ishiguro/komplettansicht.
Empfehlen kann ich dir auch Ishiguros neusten Roman: https://de.wikipedia.org/wiki/Klara_und_die_Sonne, wo eine künstliche Intelligenz eine ähnliche Rolle spielt wie Cathy. Der Schluss endet wir in "Alles, was wir geben mussten", nur dass Klara wirklich nur ein Ding ist. Ein Ding, das die wichtige Aufgabe erfüllt hat, einen Menschen ins Leben zu begleiten.
Es tut genau das, was wir Menschen tun sollten: Es fühlt sich in einen Menschen ein und versucht, ihm das zu geben, was er braucht.
Das Ding kann selbstlos sein ohne Tragik. Die Art, wie wir KI schaffen und benutzen, bleibt weit dahinter zurück.
Quellenangabe: https://fontanefan3.blogspot.com/2012/08/never-let-me-go-verlass-mich-nicht.html
Jetzt mit platten Worten:
Die Klone werden von der Gesellschaft, die sie als Ersatzteillager versteht, als Gegenstände behandelt, die man benutzt, bis sie nutzlos sind und fortgeworfen werden. Das Gegenteil von dem, was Kant fordert: Ein Mensch ist immer Selbstzweck und darf nicht zum Instrument erniedrigt werden.
Die Protagonistin handelt frei, als sie sich in den Dienst ihrer Schicksalsgenoss(in)nen stellt. Als sie für diesen Dienst zu schwach geworden ist, stellt sie den Rest ihres Selbst und Körpers der Gesellschaft zur Benutzung zur Verfügung. In einem Akt der Freiheit (so wie Maria Stuart in Schiller Schauspiel auf das Schafott steigt) macht sie sich zum Ding, zur Wegwerfware.
Hier noch ein Blick auf den Schluss vor dem Schluss:
"Am Ende des Romans fährt Kathy ein paar Wochen nach Tommys Tod wieder nach Norfolk und hält an einer Stelle, wo außer einem Stacheldraht und ein paar Bäumen sich nichts dem Wind und dem Müll, den er über die Felder treibt, in den Weg stellt.
Angedeutet wird, dass sie (vor dieser allerletzten Tat) noch auf eine menschliche Begegnung hofft, bevor sie sich zum Ding macht.
So platt steht es nicht im Roman, der hat nicht nur einen "Klang der Stille", sondern enthält sehr viel Ungesagtes. Wenn man davon etwas auszusprechen unternimmt, ist das gegen die Intention des Autors. Insofern ist es so und so falsch.
Deswegen: Wenn du dir eine andere Deutung überlegst, ist sie nicht falscher als die, die ich hier hingeschrieben habe.