Rennradlenker vs Stadtlenker?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Also, ich habe vor einem Jahr mein altes Mountainbike mittels Rennlenker zu was Gravelbike-ähnlichem umgebaut. Habe also einen direkten Vergleich am selben Fahrrad.

Da das Gravelbike übrigens seine Ursprünge beim Rennrad hat und quasi ein schlechtwegetaugliches Rennrad ist, empfinde ich es übrigens arg weit hergeholt, ein Fahrrad mit geradem Lenker als Gravelbike zu bezeichnen. Ich hätte dein verlinktes Rad mit geradem Lenker als Commuter oder Crossrad (nicht Cyclocrosser!) bezeichnet.

Der Rennradlenker schränkt Wendigkeit und Übersicht ein. Wenn man im Unterlenker greift, ist ein Schulterblick kein Spaß mehr und dadurch, dass der Lenker schmal ist, hat man weniger Gewalt übers Vorderrad und es läuft eher geradeaus. Außerdem erfordert es deutlich mehr Mut, im Fall eines Falles auch wirklich in die Bremsen zu greifen, wenn man gefühlt sowieso schon halb überm Vorderrad hängt. Das alles macht das Fahren in unübersichtlichen Situationen und mit vielen Richtungswechseln nicht angenehmer und nicht sicherer.

Wo der Rennlenker einen krassen Vorteil bietet, ist die Aerodynamik. Wenn du mit geradem Lenker 25 km/h fährst, bist du mit Rennlenker mit gleicher Kraftanstrengung bei 28-29 km/h. Mit denselben Reifen! Nur kommt dieser Vorteil eben eher da zum tragen, wo du längere Zeit ein flottes Tempo fährst. Nicht beim Beschleunigen oder bei moderatem Tempo. Sprich, eher nicht im Stadtverkehr. Auch der Vorteil, dass man mehrere Griffpositionen hat um Hände und Rücken zu entlasten, kommt eher nicht zum Tragen wenn man ohnehin nur eine halbe Stunde lang fährt.

Ein Vorteil des Rennlenkers im Stadtverkehr ist, dass er schmaler ist. 720 mm Lenkerbreite, wie das 6.6er in deinem Link hat, ist in der Stadt schon ein ziemlich breiter Prügel, mit dem man aufpassen muss, keine Laternenpfosten o.ä. mitzunehmen. Da bietet der Rennradlenker mehr Möglichkeit, sich irgendwo durchzuschlängeln. Aber braucht dabei auch, wie oben gesagt, mehr Konzentration.

Ich persönlich sehe den Rennlenker in der Stadt als Nachteil an und würde bei einem reinen Stadtfahrrad definitiv den geraden Lenker bevorzugen. Vielleicht nicht unbedingt so breit.

Was die allgemeine Frage angeht, welchen Sinn ein Gravelbike in der Stadt macht: In meinen Augen keinen. Das ist ein Sportgerät, um auf Forst- und Wirtschaftswegen Kilometer zu fressen. Gerade wegen des Rennlenkers, der in der Stadt spürbare Nachteile bietet und seine Vorteile nicht ausspielen kann.

Wenn man aber ein Stadtfahrrad sucht, das nicht so komplett nach Oma-Fahrrad aussieht, würde ich gerade so ein Commuter Bike wie das 6.6er empfehlen.

AusbilderAlfa 
Fragesteller
 12.03.2023, 14:49

Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Wirklich sehr hilfreich!

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Moin! Den „Stadtlenker“ gibt es so nicht, auch zwischen flat bars gibt es massive Unterschiede. Was man sagen kann ist, das die meisten Gravelbikes dafür ausgelegt sind, mit drop bars, also Rennradlenkern zu fahren und sich das Fahrgefühl dem entsprechenden bessert, wenn solche auch genutzt werden. Einige wenige Gravelbikes lassen sich aber auch mit flat bars fahren, jedoch verschwinden damit viele Eigenschaften des Gravelbikes. Ich fahre überall drop bars und habe damit keine Probleme. Flat bars am Gravelbike sind in den meisten Fällen nicht nur nicht nötig, sondern auch der Fahrqualität schädlich.

AusbilderAlfa 
Fragesteller
 10.03.2023, 21:54

Dankeschön für deine Antwort. Wahrscheinlich ist man mit drop bars auch einfach deutlich schneller unterwegs.

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AusbilderAlfa 
Fragesteller
 12.03.2023, 14:51

Jetzt habe ich noch eine Nachfrage, du meintest, du fährst überall drop-bars Fährst du auch in der Stadt? Und falls ja, findest du, es geht gut?

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Die Lenkerform hat größeren Einfluss auf die verbaubaren Schalt- und Bremshebel.

Deshalb ist bei mir der Rennradlenker am Rennrad, und der gerade Lenker an MTB und Trekking. Wenn es einfacher wäre, hätte ich einen RR-Lenker auch mal ans Trekking- (bzw. Stadtrad) geschraubt, wegen der zahlreicheren Griffpositionen.

Aber ab und zu mal die Griffposition wechseln, ist ein Bedürfnis, was mir eh erst >40km Strecke kommt.

Der Rennlenker ist im Stadtverkehr schlicht ein Sicherheitsrisiko!!!

Aus der Oberlenkerposition sind die Bremshebel nur durch Umgreifen in die Unterlenkerposition erreichbar, dabei wertvolle Zeit und Bremsweg verloren.

Es sei denn, es werden Zusatzbremshebel in der Oberlenkerposition montiert:

https://www.rosebikes.de/shimano-grx-zusatzbremshebel-bl-rx812-fur-hydraulische-scheibenbremsen-set-links-rechts-2679507?article_size=6075&product_shape=1

Diese gibt es jedoch bei keinem Gravelbike als Serienausstattung, zudem ausschließlich für Shimano und nur mit in einer sehr kurzen Hebelform.

treppensteiger  12.03.2023, 15:02

Also praktisch find ich es eher gefährlich, dass der Schwerpunkt weiter vorn liegt, und man eher über den Lenker absteigt, wenn man zu starkt bremst.

Die Hände am Rennrad im Stadtverkehr, wenn nötig, vorsorglich schon mal auf die Bremshebel zu legen, vorrausschauendes Fahren, lernt man schnell, oder zu spät.

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In der Stadt nervt vor allem das permanente "Randstein-runter, Randstein rauf" an jeder Einmündung.

Das wird durch einen dickeren Reifen leichter geschluckt. Die ~40 mm eines Gravelbikes sind da sicher besser als die 25 mm meines Rennrads.

Der Lenker spielt da eher eine untergeordnete Rolle bzw. da ist es wichtiger, womit du dich wohlfühlst.