Nietzsche in "die fröhliche Wissenschaft"- die Meere austrinken?

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Also ich muss zugeben, dass ich keine Ahnung habe. Aber ich würde vermuten, dass damit das Aussterben des Glaubens aufgrund vom Vorschreiten der Wissenschaft gemeint ist. Das Meer austrinken soll dann einfach symbolisieren, wie der Mensch einst unerreichbare Gebiete erforscht und, um es der Metapher anzugleichen, sozusagen ein Blick auf den Grund des Meeres werfen kann, was früher undenkbar war. Das ist aber reine Spekulation und kann (ist vermutlich) kompletter Schwachsinn sein.

laureen1408 
Fragesteller
 08.06.2017, 19:37

Das hört sich eigentlich auch logisch an 😅

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Es lohnt sich, das Original zu lesen:

http://www.dober.de/religionskritik/nietzsche1.html

Das ist keine nüchterne, analytische Philosophensprache, das ist emotional aufgewühlte Dichtung. Kennern der Philosophie ist das Bild vom "Tollen Menschen", der am hellen Tag mit einer Lampe auf den Marktplatz rennt, nicht unbekannt. Das ist die Geschichte von Diogenes von Sinope, der am hellen Tag auf den menschenvollen Markt von Athen mit einer Lampe gerannt ist, um einen Menschen zu suchen. Diese Symbolik greift Nietzsche auf.

Er wirft den "Ungläubigen", die auf dem Markt über ihn lästern eine ahnungslose Überheblichkeit vor. Man habe Gott ermordet ohne wirklich eine Vorstellung davon zu haben, was man dann an seine Stelle setzt. Ihr habt Euch verantwortungslos übernommen, überschätzt, haben doch tatsächlich geglaubt mit unseren kleinen Mündern und Mägen das Meer austrinken zu können. Ein krasses Bild für die Überheblichkeit. Ihr habt "die Erde von der Sonne losgekettet", d.h. jede natürliche Bindung aufgehoben, ohne selbst einen Rettungsanker zu besitzen. Ihr habt die Welt aus den Angeln gehoben ohne Plan, wer sie jetzt wie noch steuern soll. Der Nihilismus ist für Nietzsche ein Schreckgespenst menschlicher Überheblichkeit. Es lohnt sich, die ganze Passage zu lesen.

"Das Heiligste und Mächtigste, was die Welt bisher besaß, es ist unter unsern Messern verblutet - wer wischt dies Blut von uns ab? 
...
Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen?"

Wir haben die Götterrolle an uns gerissen, wollen wie Bruce allmächtig spielen und sind zu blöd, ein Glas Wasser richtig einzuschenken. Da ist noch nirgendwo der Hauch eines "Übermenschen" zu sehen, aber wir führen uns schon mal so auf. Da lässt Nietzsche einen ganz schön wütenden "tollen Menschen" auf uns los.

Das Meer ist für ihn das Unendliche, das zugleich fasziniert und ängstigt. Jeder kann das spüren, wenn er am Strand steht und diese ungeheure Weite vor sich sieht, die vor ihm war und nach ihm sein wird und die ihn tragen aber auch vernichten kann. 

Das Austrinken des Meers heißt also, dass der Mensch seine Begrenztheit überwindet, die Angst vor dem Unendlichen verliert und die Unendlichkeit in sich aufnimmt.