Merkt ihr in euren Beruf einen Fachkräftemangel?

13 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich arbeite in der Verwaltung der Pflege. Also ja. Enormer Fachkräftemangel.

Es ist schon schwierig auf geringen Niveau. Also Wäscherei oder Raumpflege. Auf mittlerer Ebene wird es schwieriger. Ein versierter Hausmeister ist heute Gold wert. Bei Pflegekräften ist es sehr schwer. Hier spielt natürlich die Sprache eine enorme Rolle.

Wir haben Leute, die nach der High-School aus dem Ausland angeworben wurden, die sind in der Regel sehr gut. Dann einige Pflegekräfte aus anderen Ländern. Die haben meist studiert, aber wenig praktische Erfahrung. Und es gibt Flüchtlinge, die sich schulen lassen. Unser Bereich ist traditionell sehr bunt und divers.

Das Problem ist, Leute mit unsicheren Aufenthaltsstatus können nicht beschäftigt werden. Man kann sie nur ausbilden. Wozu wieder die Deutschkenntnisse fehlen. Wir bräuchten mehr Deutschkurse, aber es gibt kaum Lehrkräfte dafür. Beschäftigen für einige Jahre und dann ausbilden geht aus juristischen Gründen nicht.

Bei uns wird gesucht und mit Kusshand genommen:

Elektriker, Schlosser, Logistiker, Prozessingenieure, Produktionsmitarbeiter.

Suchen wir alles Händeringend in einem Betrieb der gut bezahlt, gute Arbeitsbedingungen hat und im Osten liegt in einer Region die noch vor 10 Jahren unter Massenarbeitslosigkeit litt.

Da ist jetzt vom ungelernten Arbeiter zum Hochqualifizierten alles dabei.

Ich selbst bin Automatisierungsingenieur in leitender Position. Mit dieser Qualifikation ist es so schwierig jemanden zu finden, dass es in unserem Werk mit 130 Mitarbeitern nur zwei oder drei Mitarbeiter gibt die besser verdienen als ich (Der Werksleiter, der Produktionsleiter, vielleicht der Technikleiter) obwohl ich hierarchisch gleich auf bin mit etwa 8 anderen Mitarbeitern und von der Qualifikation gleich auf mit mindestens 12 (hier gibt es Schnittmengen).

Als ich meinen neuen Kollegen einstellen sollte, Automatisierungsingenieur, hatten wir 21 Bewerbungen. Erstaunlich viele. Unter diesen Bewerbungen war EINE von einem Deutschen. Ein junger Kerl mit einer unterdurchschnittlichen Bewerbung und dem falschen Studium der gerade fertig war mit dem Studium.

Die Personalabteilung kürzte die 21 Bewerbungen dann um alle die

  • kein Deutch sprachen
  • sich auf Englisch beworben hatten
  • sich aus dem Ausland bewarben

(Für den Job ist die Kommunikation mit der Produktion nötig, die meist kein Englisch sprechen)

Übrig blieben 3 Kandidaten und keiner von ihnen hatte Traumwerte.

Wir stellten schließlich einen Iraner ein der gerade mit dem Studium fertig war. Er bekam die zweithöchste Tarifgruppe- als Berufsanfänger.

War eine super Entscheidung, guter Mann, ist ein Freund geworden, strengt sich an macht großartige Arbeit.

Dontlikeputin 
Fragesteller
 03.06.2023, 01:53

Manche Beeufe sind halt nicht mehraktraktiv ,wegen der Work-Lifebalance

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Miniaturwelt  03.06.2023, 07:15

Die Firma muss ich mir mal angucken.

Ist schon traurig. Das gilt für nahezu jede Branche. Die jungen Leute merken garnicht, welches Potential in der Industrie auf sie wartet, wenn sie nur ordentlich Bildung genießen. Und wenn sie letztlich nur "brain-drainen".😉

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Oppulus  03.06.2023, 09:08
@Miniaturwelt

Aus naheliegenden Gründen werde ich dir nicht sagen in welcher Firma ich arbeite ;-)

Wir konkurrieren mit anderen Unternehmen in der Region. Ich glaube das ist inzwischen beim Management angekommen, aber noch vor 5 Jahren war die Attitüde gegenüber Mitarbeitern: "Ihr seid unzufrieden? Dann geht doch zu Amazon!" (deren Versandzentrum drei Straßen weiter lag)

Ich war vorher bei der Konkurrenz in einer Fabrik in Westdeutschland (im Sinne von "Alte Bundesländer"). Gleiche Branche. Die hatten auch Werke im Osten. Interessant war folgendes: Weil sie Tarif zahlten, hatte das Werk im Süden (Franken) eher weniger gut bezahlte, motivierte und ausgebildete Arbeitnehmer. Denn Tarif zu bezahlen bedeutet dort, dass man 2 Euro pro Stunde weniger verdient als die Handwerker in der Umgebung.

Die Werke im Osten haben die besten Arbeitnehmer, weil Tarif zu bezahlen dort bedeutet, dass man 2 Euro pro Stunde mehr verdient als die Handwerker in der Umgebung.

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Miniaturwelt  03.06.2023, 09:21
@Oppulus

Die SPD wäre Stolz auf solche TarifgleichheitIch - oder sollten wir Tarifungleichheit sagen.

Ich glaube aber nicht, dass den durchschnittlichen Facharbeiter 2€ mehr oder weniger interessieren.

LG

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Glocke4711  22.01.2024, 00:19

Sucht ihr auch Wirtschaftsingenieure? Habe Industrial Management studiert und kann auch Process Engineering. Kannst du sagen wo deine Fa. ist?

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Arbeite in der Verwaltung in der Jugendhilfe. Und ja, der Fachkräftemangel wird immer spürbarer! Bei pädagogischen Fachkräften sowieso, das ist rechnerisch die Berufsgruppe mit dem größten Mangel überhaupt. Aber auch bei uns im Verwaltungsteam hatten wir jetzt vor kurzem erst zwei Stellen in der Buchhaltung neu zu besetzen - und mussten ganz schön lang und kreativ suchen, um wenigens mal so 2, 3 Bewerbungen zur Auswahl zu bekommen!

Jaein...

An der Uni ist das nicht zu bemerken, allerdings war es da schon immer usus, "Fachkräfte" von "überallher" zu haben. Aber gerade das macht es ja auch spannend, bzw. ebenso sinnvoll.
Gerade bei Sprachen etc. sind Muttersprachler Gold Wert. Oder eben auch bei geschichtliche Themen, wie der Ägyptologie. Ich fange immer zu sabbern an, wenn mein äygptischer Kollege von seiner Kindheit in Kairo erzählt und er mal eben nachmittags zur großen Pyramide gehen konnte...argh...
Witzigerweise geht es ihm im Bezug auf meine Heimat genauso. Vollkommen unverständlich für mich.

An der Schule, an der ich noch unterrichte, da fehlen uns die Lehrer. Generell gibt es immer weniger Lehrer, die sich das antun wollen (was ich durchaus nachvollziehen kann). Die Hauptfächer, wie Deutsch, Mathe, Fremdsprachen, Naturwissenschaften sind noch so einigermaßen abgedeckt, Sport erst recht (Sportlehrer gibt es anscheinend ohne Ende), aber geht es dann Richtung Kunst, Musik, Geschichte, Sozialkunde usw. da wird es knapp.
Ich unterrichte Kunst und springe nicht gerade selten bei Musik ein. Und immer wieder muss ich in Sozialkunde ran, wenn es um Feminismus oder Mobbing geht.
Nun ja...ich krieg's bezahlt. Da sage ich nicht "Nein", wenn ich es einrichten kann.

Aber es wäre schön, gäbe es mehr Lehrer. Die Schüler brauchen gute Lehrer, ambitionierte Lehrer, Lehrer mit Verständnis, die aber auch mal durchgreifen können. Viele der älteren können das nicht mehr, weil sie einfach fertig sind.

In meinem Bereich Steuern/Finanzwesen wird stark gesucht ja.

Es gibt aber meiner Meinung nach viele Arbeitgeber die durchhaus genug Bewerbungen bekommen könnten... aber nicht bereit für Veränderungen sind und nix tun um ihre Arbeitsplätze attraktiver zu gestalten.

Immer weniger Menschen sind dazu bereit sich "kaputt" zu arbeiten. 30 Jahre unbezahlte Überstunden dankt dir später sicher niemand. Die jungen Nachwuchskräfte achten viel mehr auf Work/Life Balance als es Ältere tun, zumindest mein Empfinden. Da muss man sich anpassen...

Und vlt auch Ausbildungen in den Bereichen besser bewerben. Die meisten wollen studieren weil sie denken nur so lässt sich was erreichen.

Dontlikeputin 
Fragesteller
 03.06.2023, 01:16

Wenn alle studieren sinkt der Wert eines einzelnen Studiums immer weiter!

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xDavina  03.06.2023, 01:17
@Dontlikeputin

Ja denke ich auch, aber die Auswirkungen darauf wird man sicher auch noch sehen..

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Dontlikeputin 
Fragesteller
 03.06.2023, 01:19
@xDavina

Der Konkurenzkampf im BWL Beereich ist absurd uns selbst ein Master bringt dich da kaum weiter

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Glocke4711  22.01.2024, 00:25

Da hst du vollkommen Recht mit den unbezahlten Überstunden. Schon in der Ausbildung sagte mir mein Chef, dass sein Sohn jetzt eine Stunde länger arbeitet und dass ich dass auch eine Stunde länger arbeite, habe Ausbildung als Schreiner gemacht.

Sein Sohn hat von Papi ein Auto und sonst noch was bekommen. Ich bin leer ausgegangen. Hatte aber immer Angst dass ich gekündigt werde, wenn ich gesagt hätte nö das mache ich nicht.

Bei dem Ausbilder davor wurde ich tatsächlich gekündigt, weil ich nur meine 8 Std. gearbeitet habe wie vorgeschrieben.

Gedankt hat es mir niemand, nur mit einer Kündigung.

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