Lemuren auf Madagaskar?

2 Antworten

Als die Primaten vor etwa 80 Mio. Jahren in der späten Kreidezeit entstanden, waren die Landmassen noch weitgehend in zwei Großkontinenten vereinigt: Laurasia mit dem heutigen Nordamerika, Europa und dem größten Teil Asiens im Norden und Gondwana mit den heutigen Kontinenten Afrika, Australien, Südamerika und Antarktika sowie Teilen Südostasiens im Süden. Diese beiden Kontinente zerfielen nach und nach wegen der Kontinentaldrift durch die Plattentektonik der Erde. Die Insel Madagaskar löste sich als erster Teil vom Rest Gondwanas ab, vermutlich schon im Mittleren Jura vor gut 150 Mio. Jahren. In der Kreidezeit vor 90 Mio. Jahren löste sich auch der indische Subkontinent und Afrika trennte sich von Gondwana und driftete nach Norden, wobei sich bei der Kollision mit der europäischen Kontinentalplatte die Alpen auffalteten (ähnliches geschah in Asien, wo die Kollision Indiens mit Asien den Himalaya entstehen ließ). Südamerika, Antarktika und Australien waren noch vergleichsweise lange miteinander verbunden, brachen im Känozoikum aber ebenfalls nach und nach auseinander, bis sie ihre heutige Position erreichten.

Die Primaten sind wahrscheinlich laurasischen Ursprungs. Die ältesten zweifelsfrei den Primaten zuzuordnenden Fossilien stammen jedoch erst aus dem Eozän, sind also älter als 65 Mio. Jahre (etwa 55 Mio. Jahre alt). Viele Wissenschaftler glauben, dass Purgatorius (65.9 - 56.8 MYA) aus Nordamerika der älteste echte Primat sein könnte, wahrscheinlicher ist aber, dass er eher ein Stammlinienvertreter oder sogar ein gemeinsamer Vorfahr von Primaten, Riesengleitern (Dermoptera) und Spitzhörnchen (Scandentia) war. Die eozänen Primaten lassen sich schon eindeutig den beiden Teilgruppen der Feuchtnasenprimaten (Strepsirrhini), zu denen auch die Lemuren gehören, und den Trockennasenprimaten (Haplorrhini: Koboldmakis sowie die Echten Affen) zuordnen, diese Aufspaltung muss daher wahrscheinlich schon früh noch in der Kreidezeit erfolgt sein.

Die Lemuren (Lemuridae) selbst sind etwa 47 bis 54 Mio. Jahre alt. Man nimmt heute an, dass die Lemuren afrikanischen Ursprungs sind. Da Madagaskar zu dieser Zeit von Afrika bereits getrennt war, müssen die Lemuren irgendwie nach Madagaskar gekommen sein. Während frühere Hypothesen von einer Landbrücke zwischen Afrika und Madagaskar ausgingen, nimmt man heute an, dass die Lemuren eher als "blinde Passagiere" auf Treibgut schwimmend nach Madagaskar kamen. Möglicherweise brach z. B. durch einen Sturm ein Ast ab und trieb dann auf dem Meer, bis er schließlich an Madagaskars Küste strandete. An Bord könnten sich einige Lemuren befunden haben, die dann zu den Vorfahren der heutigen Lemuren wurden. Man weiß, dass einige Lemurenarten nachts in eine Art Energiesparmodus fallen (Torpor), dabei senkt sich auch die Körpertemperatur stark ab und der Energieverbrauch wird drastisch reduziert. Wahrscheinlich ist deshalb, dass die Lemuren die lange Reise von Afrika nach Madagaskar überlebt haben könnten, indem sie während ihrer unfreiwilligen Überfahrt in eine Art Winterschlaf fielen.

Man hat fossile Lemuren auch anderswo auf der Welt gefunden, in Afrika und in Indien etwa. Dort wurden sie aber nach und nach von den Echten Affen verdrängt, die konkurrenzstärker waren. Außerhalb Madagaskars sind die Lemuren deshalb heute ausgestorben. Erst durch den Menschen wurden einige Lemuren später auf den Komoren angesiedelt.
Die Vertreter der Feuchtnasenprimaten, die heute noch auf dem afrikanischen Festland und in Südostasien leben (Loris und Galagos) können dort nur überleben, weil sie der Konkurrenz durch die Echten Affen durch eine nächtliche Lebensweise entgehen (Echte Affen sind, mit Ausnahme der südamerikanischen Nachtaffen, tagaktiv).
Madagaskar hingegen wurde nie von den Echten Affen besiedelt. Die Lemuren konnten sich dort deshalb frei entfalten und die verschiedensten ökologischen Nischen besetzen. Deshalb gibt es auf Madagaskar so viele verschiedene Lemurenarten, die alle sehr unterschiedliche Lebensweisen führen.

Heute sind viele der madagassischen Lemurenarten aber stark gefährdet, weil ihre natürlichen Lebensräume zunehmend verschwinden. Insbesondere der tropische Regenwald, der einst große Teile der Insel bedeckte, ist heute bis auf wenige Reste abgeholzt worden.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Madagaskar hat sich vor einigen Millionen Jahren vom Festland getrennt - somit hat sich die Flora und Fauna dort weitestegehend unabhängig von Kontinental-Afrika entwickelt.