Latein-Satz-wo ex und Gerundivum?
Satz: Non e libris legendis neque e fabulis philosophorum audiendis, sed e negotiis publicis et exemplis maiorum voluptatem capiam.
Lösung: Ich werde weder am Lesen von Büchern noch am Hören der Geschichten von Philosophen Freude haben, sondern an öffentlichen Aufgaben und an den Beispielen der Alten.
Frage 1: Woher kommt ”weder noch”?
Frage 2: Es muss doch noch dieses —> e vor dem fabulis und vor libris übersetzt werden?
Ein Ablativ Gerundivum muss doch mit DURCH übersetzt werden!!! Also muss doch die Übersetzung lauten: durch das Lesen aus den Büchern / durch Hören aus den Geschichten
Frage 3: Dieses ”e” gehört doch nicht zu dem Gerundivum oder ?
Frage 4: ”maiorum” muss doch mit —> der Vorfahren übersetzt werden ?
Danke
2 Antworten
Hallo,
Du mußt Dich unbedingt von der Vorstellung befreien, als müsse jeder Ablativ mit Gerundivum im Deutschen mit durch umschrieben werden. Das ist Quatsch.
Wie man einen lateinischen Satz ins Deutsche überträgt, hängt vom Textzusammenhang und von den Sprachregeln beider Sprachen ab.
Voluptatem capere würde wortwörtlich Begierde fangen bedeuten, wenn man bei beiden Wörtern von der Grundbedeutung ausgeht.
Zum einen aber können sowohl voluptas wie auch capere unterschiedliche Bedeutungen haben, zum anderen gibt es den Ausdruck Begierde fangen im Deutschen nicht.
Was lateinische Wörter bedeuten, konnten auch die Verfasser von Wörterbüchern nur aus dem Textzusammenhang der Texte erschließen, in denen sie auftauchten oder aus alten Übersetzungen in andere Sprachen, wenn deren Vokabeln bekannt waren. Die Bedeutungen, die in den Vokabelverzeichnissen oder auch in den Wörterbüchern stehen, erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zumal viele lateinische Texte verlorengegangen sind. Ein vollständiges Verzeichnis aller lateinischen Wörter findest Du - wenn er einmal fertiggestellt sein sollte - im Thesaurus Linguae Latinae, in dem die lateinischen Vokabeln sämtlicher bekannter Texte bis 600 n. Chr. in ihren jeweiligen Zusammenhängen aufgelistet sind.
Dieser Thesaurus umfaßt das Material von 10 Millionen Zetteln im Postkartenformat und füllt einen ganzen Bibliothekensaal, ist also ein klein wenig umfangreicher als ein Pons oder ein Stowasser oder gar die paar mickrigen Vokabelseiten hinten im Lehrbuch.
Voluptas kann unter anderem ein geistiges oder sinnliches Vergnügen sein, die Lust auf etwas, ein Glücksgefühl, sogar der männliche Samen oder im Plural Schauspiele oder Vergnügungen.
Der Artikel zu capere (capio) umfaßt im Neuen Georges, einem zweibändigen lateinisch-deutschen Handwörterbuch mehr als drei Spalten. Mit capere=fassen, ergreifen ist es also längst nicht getan.
Was kann voluptatem capere im Zusammenhang mit politischer Betätigung und historischen Betrachtungen bedeuten? Eigentlich schwingt beides mit: Das Geistige wie das sinnliche. Politische Betätigung hat auch etwas mit Macht und Einfluß zu tun.
Ich werde ein Vergnügen fangen geht im Deutschen überhaupt nicht.
Ich werde Spaß haben ist nicht ernsthaft genug und gibt auch schlecht das capere wieder, das doch immerhin nicht etwas Inaktives wie haben ist, sondern durchaus etwas Aktives, Zielgerichtetes hat. Vielleicht: Ich werde mein Vergnügen oder mein Glück suchen/ ergreifen. Irgendetwas in dieser Richtung, das überlasse ich Dir.
Die Gerundivkonstruktion kannst Du halbwegs wörtlich übersetzen oder durch einen Nebensatz: Weder, indem ich Bücher lese oder den Geschichten von Philosophen lausche, jage ich nach dem Glück, sondern ich ziehe es aus meiner politischen Betätigung und indem ich mir ein Beispiel an den Vorfahren nehme.
Das wäre eine von sehr vielen möglichen Übersetzungen und sicher nicht die beste.
Um die geht es mir hier auch gar nicht, sondern darum, daß Du Dich nicht sklavisch von Wort zu Wort durchhangelst, sondern den Sinn des lateinischen Satzes erfaßt, um danach diesen Sinn in einem entsprechenden deutschen Satz wiederzugeben.
Du mußt die Gedanken eines Römers, der vor zweitausend Jahren gelebt hat, verstehen und überlegen, wie Du sie heutigen deutschsprachigen Zeitgenossen verständlich übermittelst, ohne daß der ursprüngliche Gedankeninhalt verfälscht wird oder verwässert. Das ist sehr schwierig und nicht immer perfekt möglich, sollte aber das Ziel des Übersetzens sein.
Herzliche Grüße,
Willy
Prädikat ist voluptatem capiam ‘ich werde Lust fangen, ich werde Freude ziehen’. Woher die Freude kommt, steht mit der Präposition e+Abl, weil ein Ursprung angegeben wird (die Freude kommt aus den zu lesenden Büchern etc). Der Ablativ ist also nicht nackt, und deshalb kann er auch kein ablativus instrumentalis sein.
Non … neque heißt ‘weder … noch’.
In Deiner Übersetzung bedeuten die Alten nicht alte Leute, die jetzt leben, sondern die Menschen von vor langer Zeit.
Das e regiert den Ablativ von libris und fabulis mit den dazugehörigen Gerundiva; die sind ja der Ursprung (bzw. nicht der Ursprung, wegen der Negationen) für die Freude.
„weder das eine noch das andere“ ist dasselbe wie „nicht das eine und nicht das andere“.
Wenn Du das aus explizit übersetzen willst, dann kannst Du schreibt: Ich werde nicht aus dem Lesen der Bücher und auch nicht aus dem Hören von Geschichten der Philosophen Freude gewinnen, …
1) Also bezieht sich 3 mal ”e” auf voluptatem capiam ? Nur 1 mal ”e” kann sich doch auf —>voluptatem capiam beziehen? Doch nicht jedes ”e”?MAN MUSS DOCH IMMER DENKEN, DASS NACH EINEM KOMMA EIN NEUER SATZ ANFÄNGT
2) Ich habe nur gelernt: neque...neque = weder...noch.
Also könnte ich auch übersetzen: Ich werde nicht durch das Lesen aus Büchern und nicht durch das Hören aus Geschichten der Philosophen Freude haben, sondern an öffentlichen Geschäften und Beispielen der Vorfahren.
Bitte helfen