Konnten im Mittelalter die Könige kaum lesen? Und war die Alphabetisierung im Römischen Reich höher als im Mittelalter?

4 Antworten

Das Mittelalter war eine Zeitspanne, die sich über mehr als ein volles Jahrtausend erstreckte. In dieser Zeit gab es so viele Könige, Herzöge und andere Herrscher, dass man natürlich keine allgemein gültige Aussage treffen kann.
Folgendes zur Klärung: Besonders im Frühmittelalter und während der Völkerwanderungszeit (6. - 7. Jahrhundert) trifft deine Vermutung auf jeden Fall zu. Die Herrscher jener Zeit waren oft Stammesfürsten und in erster Instanz Krieger, die für geistige Zerstreuung nicht besonders viel übrig hatten.
Unter den Karolingern herrschte wieder ein verhältnismäßig guter Bildungsstand, Karl der Große (747 - 814) beschäftigte sich sogar intensiv mit Grammatik und Rhetorik.
Es hing also stark vom Herrscher selbst ab, wie gebildet er war - und auch von seinem familiären Hintergrund.
Was die Bevölkerung angeht, so lässt sich sagen, dass im Mittelalter tatsächlich durchgehend ein sehr niedriger Alphabetisierungsstand herrschte. Lesen konnten oftmals nur Kleriker wie Mönche, aber auch Händler und Kaufleute.

Bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Literalit%C3%A4t Abschnitt Adel) steht:

Die meisten mittelalterlichen Herrscher, selbst Könige und Kaiser,
konnten also weder lesen noch schreiben. Ebenfalls wenige beherrschten
Latein oder gar richtige Grammatik auf Grund der Vielzahl von Dialekten, die die Völkerwanderung mit sich brachte. Theoderich der Große hatte beispielsweise nicht einmal eine eigenhändige Unterschrift.
In der weströmischen Antike war das selbstständige Unterschreiben noch
verbreitet; im Mittelalter hingegen benötigten die Laien Hilfswerkzeug.
Theoderich verwendete eine Schablone mit dem Inhalt „legi“ (ich habe gelesen). Der Hausmeier Karlmann unterzeichnete seine Urkunden mit einem Kreuz, sein Bruder Pippin mit einem Vollziehungsstrich. Die allgemeine Notlösung wurde bald das Siegel. Es wurde zum Ausdruck einer schriftunkundigen Zeit.

Dennoch sind im Frühmittelalter Herrscher zu finden, die sich weiterbildeten: Der Merowinger Childerich III. notierte verschiedene Dialekte und versuchte neue Lautzeichen in seiner Sprache einzuführen. Karl der Große konnte zwar nicht lesen und  schreiben, war aber des Lateinischen mächtig. Sein Sohn Ludwig der Fromme konnte unterschreiben. Von dessen Nachfolger wiederum (Ludwig der Deutsche) ist eine Unterschrift erhalten (siehe rechts). Die Ottonen konnten zumindest lesen. Heinrich II. war einer der ersten Könige, der lesen und schreiben konnte. Friedrich Barbarossa hat erst im fortgeschrittenen Alter lesen gelernt. Sein Nachfolger Friedrich II. förderte die Wissenschaft und war selbst sehr lesekundig. Er lebte in Sizilien, an der Schnittstelle zwischen christlicher und islamischer Kultur. Nach ihm gab es wieder eine schriftlose Periode für das Kaiser- und Königtum. Erst durch Karl IV. besserte sich die Situation wieder. Der römisch-deutsche Kaiser war ein gebildeter Herrscher und genoss seine Ausbildung in Paris. Er verfasste zudem selbst eine Autobiografie. Friedrich III. führte sogar ein eigenes Notizbuch. Sein Sohn Maximilian I. – schrieb auch eine Autobiografie – gab an, dass er aus eigenem Antrieb lesen und schreiben gelernt hatte. In der folgenden Neuzeit wurde es  für den Adel selbstverständlich, schreiben und lesen zu können.

Abweichend dazu heisst es bei http://deutschland-im-mittelalter.de/Kaiser/Karl-der-Grosse/Leben über Karl den Großen:

Karl war in seiner Kindheit so schlecht unterrichtet worden, dass er nicht einmal seinen Namen schreiben konnte. ... Noch in seinen männlichen Jahren lernte er schreiben, denn er hielt seine Unerfahrenheit in einer so notwendigen Kunst für eine große Schande.

wfwbinder  23.02.2016, 10:39

Top Darstellung.

2

Die Antwort von MarkusKapunkt ist schonmal gut.

Es ist grundsätzlich schwierig, solche Fragen allgemeingültig zu beantworten, wenn ein Zeitraum von 1000 Jahren betroffen ist.
Auch halte ich die Aussagen von Wikipedia für schwierig, hier würden mich die Quellen interessieren.
Nur weil keine selbstverfassten Dokumente vieler Herrscher existierten, außer von wenigen wie Friedrich II oder Karl IV, die sich als Wissenschaftler engagierten, bedeutet das ja keinesfalls, dass sie des Lesens und/oder Schreibens nicht mächtig waren. Es war eben einfach üblich, auch als Statussymbol, einen Kanzler mit dem höfischen Schriftverkehr zu betrauen und Dokumente von Mönchen verfassen zu lassen, die in der Kalligraphie geschult waren.

Generell war die Alphabetisierung natürlich in der Antike deutlich besser als im Mittelalter. Das liegt schon an der Staatsform. Bürger einer Republik haben freien Zugang zu BIldung, da sich jeder Bürger der freien Stände für politische Karrieren bewerben kann.
Auch in der Kaiserzeit wurde an dieser Tradition nichts geändert. Es lag im Interesse des Reiches, eine möglichst breite gebildete Bürgerschicht, auch für Verwaltungsaufgaben, zu haben.

Mit dem Ende des Römischen Reiches und dem Wandel des politischen System hin zum Feudalismus endete dieses Bedürfnis des Staates.
Die undurchdringliche Ständegesellschaft der germanischen Völker, die die frühen Reiche bildete, machte das persönliche Fortkommen außerhalb militärischer Strukturen so gut wie unmöglich. Auch war diese Frühzeit eine durch und durch kriegerische.
Diplomatie war verpönt, es herrschte das reine Recht des Stärkeren. Eine solche Krieger-Gesellschaft hat wenig Bedarf an Schriftkunde.
Und diese germanisch-fränkische Lebensweise setzte sich weitestgehend in ganz Europa für das gesamte Mittelalter durch.

Eine Gesellschaft ohne die Möglichkeit persönlichen Fortkommens und einzig beherrscht durch den Adel erfordert keinen Bildungsstand für die Ausbildung höfischer- oder Verwaltungsämter.
Soweit daran Bedarf herrschte, holte man sich Mönche aus den Klöstern.
Weswegen viele Familien, die es sich leisten konnten, ihre Kinder für die kirchliche Laufbahn vorsahen, der einzige Stand, der ein Fortkommen aus dem bäuerlichen Stand oder dem der niederen Freien neben dem Militär überhaupt möglich machte.
Theoretisch hatte natürlich jeder, der es sich leisten konnte, Zugang zu schulischer Bildung in den Klosterschulen. Einem Bauern nutzte es trotzdem nichts, wenn er lesen und schreiben konnte. Er blieb sein Leben lang ein Bauer.

Ich denke, man darf ruhig annehmen, dass die Mehrzahl der Herrscher wenigstens die Grundzüge von Bildung besaßen. Schon die Logik und der Anspruch vollkommener Herrschaft erfordert es, die Dokumente, die einem vorgelegt werden, zu verstehen und zu lesen.

In den genannten Punkten halte ich die Darstellung von Wikipedia zumindest für fragwürdig.

Wenn Herscher nicht lesen konnten,stellte es die Ausnahme dar.Schon immer haben sich Könige "Berater" geleistet,die "Schriftgelehrten."Vermutlich waren die Lese-und Schreibkünste im alten Rom höher als im Mittelalter.Rom galt als Hochkultur,ebenso wie die altgriechische Dynastie.Im Mittelalter haben die Herzöge,und der Adel gar kein Interesse daran gehabt,das das"gemeine Volk"gebildet ist.Da eine große Verarmung verbreitet war,war Bildung Geldsache und demnach nur einer Minderheit zugänglich.Eindeutig ja.Beste Grüße