Auch wenn der ganze Austausch schon vor zwei Jahren stattfand, möchte ich etwas dazu schreiben...
Fragen wie diese öffnen immer Tür und Tor für alle möglichen Spinner, seien es nun Ewiggestrige, Fanatiker oder einfach nur etwas bildungsfernere Menschen. Viel gefährliches Halbwissen, zusammengegoogelte Suren, krude Vorstellungen... Da trifft viel aufeinander. Ein ggroßes Problem moderner Muslime ist, dass sie eine Mischung aus ganz wenig echtem Glauben und ganz viel Tradition leben. Tradition, die nichts mit dem Koran oder der Lehre des Propheten zu tun hat, oft sogar völlig gegen sie läuft.
Und dass die wenigsten Muslime den Koran selbst gelesen haben und lediglich AUSLEGUNGEN heutiger Sheiks folgen, von denen die weitaus meisten eine sehr konservative und dogmatische Lesart pflegen. Im Gegensatz zu Christen haben Muslime keinen freien Zugang zum Koran, sofern sie des Hocharabischen nicht mächtig sind. Was einen hohen Bildungsstand voraussetzt, den die Wenigsten (und das ist kein Rassismus, die enorm hohe Analphabetenrate in den meisten arabischen / muslimischen Ländern ist eine traurige Tatsache, die meist den Lebensumständen geschuldet ist) haben. Und die modernen Koranübersetzungen werden zu 99% von den bereits erwähnten Reaktionären verfasst. Fakt ist, dass der Koran z. B. berauschende Mittel verurteilt (nicht verbietet!), weil sie dem Gläubigen den Verstand benebelt und das Gebet und die Meditation, also den direkten Kontakt zu Gott, erschwert.
Fakt ist aber auch, dass der Koran kein Gebot des Hijabs kennt und die Kopfbedeckung bei Frauen ganz andere, rein kulturelle, Hintergründe hat. Fakt ist, dass die oft als schwulenfeindlich interpretieren Suren im Original von Ehebruch sprechen, nicht von Homosexualität. DasAusleben der Lust hält einen nämlich ebenfalls vom Gebet fern und ist, im Fall des Ehebruchs, für eine im Krieg stehende Bevölkerung (denn Krieg und Expansion sind nunmal das, was der Alltag war, als dieses Buch geschrieben wurde, ebenso wie bei der Bibel) Existenzgefährdung. In Zeiten von Krieg und Verfolgung ist der religiöse und auch völkische Zusammenhalt einer Gruppe enorm wichtig.
Fakt ist, dass der Islam von seiner Gründung bis in die Moderne offen mit Homosexualität umging, ebenso mit Transsexualität. Es galt als unfein, solche Lebensstile öffentlich zu leben, bestraft wurden sie nicht. Bis in die Moderne zeichnete sich der Islam durch enorme Toleranz aus, von der das Christentum nur träumen konnte. Der Islam verfügt über eine enorme Tradition von Dichtung, die sich, auch und gerade in der Liebeslyrik, von Männern an Männer richtet. Und die großen Gelehrten des Islam vor dem 20. Jahrhundert nahmen weitgehend freundlich zum Thema Homosexualität Stellung. Sie war nicht haram.
Erst seit der Errichtung des ersten islamischen Gottesstaates im Iran 1979 nahm der Islam eine andere Glaubens- und Lebensweisen ausschließende und bekämpfende Haltung ein. Nur noch orthodoxe, erzkonservative Lesarten des Koran waren erlaubt. Und bis zu diesem Jahr, vor gerade einmal vierzig Jahren, ist auch niemals ein Homosexueller für seine Sexualität bestraft worden. In nur 40 Jahren drehte sich das islamische Weltbild um 180%Grad und wurde pervertiert.
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