Klassisches Drama oder nicht?
Hamlet von Shakespeare hat ja meines Wissens einen klassischen Aufbau und folgt auch den Regeln wie Personen/Ort/Zeit (Aristoteles, Freytag)
Warum hab ich dann iwie in Erinnerung dass er für seine Innovation bekannt ist weil er sich nicht danach gerichtet hat? Sind damit andere Stücke gemeint oder wie hat sich das gezeigt?
Gibt es speziell in Hamlet einen Hinweis auf ein gegenläufiges Beispiel?
3 Antworten
Hi.
Was Hamlet betrifft, hast Du wegweisende Antworten bekommen.
Ein chaotisches Stück wie "Timon of Athens" zum Beispiel folgt nicht dem klassischen Aufbau.
Strukturen wie das "Spiel-im-Spiel" (play within the play), das sich in einer Reihe von Stücken findet (Sommernachtstraum, auch im Hamlet) verstößt meiner Meinung nach auch gegen klassische Konventionen, sowohl von der Form her als auch vom Inhalt: Widerspiegeln der Haupthandlung ("edle" Charaktere) in der Nebenhandlung ("niedere" Charaktere, z.B. in der Handwerkerszene des Sommernachttraums).
Hier ist Shakespeare duchaus innovativ. Auch in der durchgängigen Verwendung von Musik, in den vielen Clown-Rollen, in den "Hosenrollen", in denen ein Schauspieler eine Frau spielt, die einen Mann spielt, in der komischen Brechung der Szenen durch Perspektivenwechsel und Kommentatoren - und vieles mehr ...
Dies ist nur eine ungeordnete Zusammenstellung von Aspekten.
Gruß, earnest
Dass Shakespeare sich nach Freytag gerichtet hätte, würde nicht einmal der glühendste Freytag-Verehrer behaupten. Den Aufbau des klassischen Dramas hat Shakspeare beibehalten, seine Innovation war eher inhaltlicher Art. Seine Figuren folgen einer gewissen Psychologie (obwohl diese Wissenschaft noch nicht geschaffen war). Sie sind kraftvoll, lebendig und handeln aus eigenem Impuls (nicht wie im klassischen antiken Drama einem von Götter vorbestimmten Schicksal folgend).
Es geht hier um die drei Einheiten von Ort, Zeit und Handlung. (Die Handlung hängt mit den Personen zusammen. Es darf nur die Geschichte der wenigen Hauptpersonen genau beleuchtet werden.) Das bedeutet, das keine Ortswechsel, keine Zeitsprünge und keine Nebenhandlungen erlaubt waren. Von Freytag soll hierfür die Bezeichnung "geschlossenes Drama" stammen.
Shakespeare hat sich an die drei Einheiten nicht gehalten. Es gibt Ortswechsel, Zeitsprünge und Nebenhandlungen.
Die Verfechter des geschlossenen Dramas haben das sehr streng gesehen, da sind schon "kleinere Beugungen" der Regeln nicht geduldet gewesen.
Und: Es heißt ja nicht, dass der Konventionsbruch in jedem Shakespeare-Drama in größmöglicher Ausprägung auftauchen muss. Die Nebenfiguren mit ihren Geschichten sind schon komplexer als üblich, und Ortswechsel: Hamlet muss ja nicht in eine andere Stadt reisen. Aber was ist mit der Friedhofsszene? Ist das kein Ortswechsel?
danke aber genau das war meine frage, wo kann man das sehen? in hamlet gibt es weder orts/zeitwechsel noch stark abgrenzende nebenhandlungen....