Kann mir bitte jemand die Religionskritik Feuerbachs erklären?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Der Mensch erfährt in seinem Leben immer wieder Leid, Krankheit und Tod. Diese Situationen nimmt er als Bedrohungen wahr und der Mensch entwickelt ein Gefühl von Abhängigkeit ( z.B. Wetter für die Ernte -> Nahrung), Endlichkeit (bei jeder Verabschiedung z.B. am Bahnhof oder am Sarg oder Abfahrt von geliebten Orten) und Unvollkommenheit ( Ich kann nicht alles, weiß nicht alles etc.). Diese Gefühle sind für den Menschen nicht so angenehm, denn unser Anspruch an uns selber ist es möglichst wenig von anderen oder Situationen abhängig zu sein. Unser Anspruch ist es, Herr darüber zu sein, ob wir uns verabschieden wollen (und wer will sich in Wirklichkeit von positiven Dingen trennen?) Unser Anspruch ist es möglichst erfolgreich in den verschiedensten Situationen zu sein. Am liebsten hätten wir ein Leben in vollkommener Glückseligkeit und Vollkommenheit für uns selber.

-> dies ist das Menschenbild von Feuerbach über das sich auch vortrefflich streiten lässt

Die Realität zeigt uns Menschen aber, dass wir eben nicht Vollkommen und Allmächtig etc. sind. Aber diese Ideen, die ja existieren, werden daher auf ein höheres Wesen projeziert. Wo sollte man sonst mit diesen ganzen positiven Eigenschaften hin? Denn wir Menschen erreichen unsere eigenen hohen Werte eben nicht immer. Wenn das vollständige Erreichen dieser Werte auf ein höheres Wesen übertragen wird, dann bleibt für den Menschen nur das Gegenteil. Das nennt er dann Selbstentzweiung. Die Auseinandersetzung mit unseren Werten und bei einer solchen Selbstentzweiung eben die Auseinandersetzung mit diesem vollkommenen Gott ist also in Wahrheit eine Auseinandersetzung mit unserer menschlichen Unvollkommenheit.

Für Feuerbach ist also der Glaube an Gott im Prinzip eine Abspaltung der guten Superlative eine Abspaltung von uns selber und daher nicht positiv. Er will aber das die Menschen sich mit sich selber (seinem Wesen) auseinander setzen (Anthropologie) und damit keine Abspaltung mehr nötig ist. Somit sollte der Mensch erkennen, dass er selbst das höchste Wesen ist.

-> Fragen: Haben (gläubige) Menschen wirklich so ein negatives Selbstbild wie Feuerbach es vermutet? Ist der Umkehrschluss (Gott als "Projektionsfigur" ist ausgeschaltet), dass der Mensch damit das höchste Wesen ist korrekt? Falls wir Gott wirklich als Projektionsfigur erfunden haben sollten und nutzen, bedeutet das, dass es Gott nicht gibt oder bedeutet es einfach, dass dieses Gottesbild nicht korrekt bzw. unvollständig ist?

quopiam  16.01.2012, 13:35

Gut erklärt, finde ich. :-) Däumchen und Gruß, q.

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breeeeeezy 
Fragesteller
 16.01.2012, 17:42

Eine verständliche, ausführliche Erklärung. Herzlichen Dank! :)

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Vorab solltest Du Dir über folgendes im Klaren sein. Was versteht man unter Projektion bzw. Projektionstheorie ?.

L.Feuerbach selbst hat diesen Begriff selbst nie verwendet und ist auch sehr umstritten. Du kannst Dich an an S.Freud orientieren und abklären, was er darunter verstanden hat. Es ging ihm( L.Feuerbach ) nicht darum irgendwelche psychische Fehlleistungen, die ja bei der Projektion eine Rolle spielen, sondern darum den Glaubensinhalt eines Menschen freizulegen, der von religiösen Bildern verdeckt wurde.

Ich konnte mit dem Schaubild nichts anfangen. Tut mir leid !!!