Kann ich Arzt trotz Bipolarer Störung werden?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Das lässt sich leider so pauschal unmöglich beantworten. Bipolare Störungen können sehr unterschiedlich verlaufen, es gibt weniger schwere Fälle und verheerendere Fälle.

Grundsätzlich bin ich folgender Meinung: mit bipolaren Störungen ist es absolut möglich ein Studium zu absolvieren, sofern man medikamentös gut eingestellt ist und ein paar Anpassungen an der Lebensführung vornimmt.

Bedenken solltest du dabei aber Folgendes: zu den wichtigsten Faktoren, die das Auftreten von manischen und depressiven Episoden triggern und begünstigen können, zählen intensiver Stress und insbesondere Schlafmangel. Ich persönlich habe nicht Medizin studiert und kann das nicht besonders gut beurteilen, aber ausgehend von dem was man so hört verlangt einem das Medizinstudium eine Menge ab und ist vergleichsweise Lern-, Stress-, und Druckintensiv. Aber das nimmt jeder Student wohl unterschiedlich wahr. Andererseits reduzieren bipolaren Störungen die Allgemeine Belastbarkeit und Stresstoleranz. Ob du damit fertig werden wirst vermag ich nicht zu beurteilen, das kannst du wohl am besten einschätzen.

Ich denke kritischer ist hier der Arbeitszeit-Aspekt. Wie gesagt, Schlafmangel ist einer der Hauptgründe für neue Krankheitsphasen, und im Krankenhausalltag ist Schichtdienst glaube ich üblich, ich glaube es können mitunter Nachtschichten und Bereitschaftsdienste und sowas anfallen. Das ist für Patienten mit bipolarer Störung DEFINITIV suboptimal.

Wie das im Verlauf des Studiums selbst aussieht weiß ich nicht. Auch hier gibt's denke ich Praxis-Elemente neben der Theorie, und speziell die Assistenzarzt-Phase ist glaube ich besonders anstrengend und kräftezehrend. Auch die körperliche Belastung ist nicht zu unterschätzen, speziell in der Chirurgie.

Ein weiterer Aspekt: die Medikamente, die lebenslang eingenommen werden müssen. Jeder Patient reagiert auf diese anders, auch im Hinblick auf Nebenwirkungen. Worauf ich hinaus will: speziell bei Präparaten wie Neuroleptika können beispielsweise Nebenwirkungen wie Tremor auftreten. Was speziell als Chirurg wohl suboptimal ist.

Insgesamt würde ich folgendes sagen: ein Medizin Studium ist, abhängig von der Schwere der bipolaren Störung, durchaus möglich. Angesichts des Stress- und Belastungsaspektes des Studiums ist jedoch fraglich ob du dir damit einen Gefallen tust, auch wenn du das Studium erfolgreich abschließt. Das kann ich aber wie gesagt nicht beurteilen.

Wenn du diesen Weg gehen möchtest und das Studium erfolgreich absolvierst würde ich aber definitiv davon abraten in die Chirurgie zu gehen und in einem Krankenhaus (im Schichtdienst!) zu arbeiten.

Als gut praktikabel würde ich es daher einschätzen, dich in einer Praxis niederzulassen, z.B. im Bereich Innere Medizin.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Lxyna 
Fragesteller
 06.12.2021, 00:48

Vielen Dank :)

Ich hoffe einfach, das der Verdacht sich nicht bestätigt oder ich eine nicht allzu ausgeprägte Form habe. Es würde mich natürlich Traurig machen nicht als Chirurg irgendwann arbeiten zu können - jedoch finde ich eine Niederlassung auch ganz in Ordnung.

Danke für deine Meinung und Informationen.

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Sevven  06.12.2021, 13:44
@Lxyna

Eine Sache würde ich gerne noch anmerken:

WENN du eine bipolare Störung haben solltest (und das ist ja im Moment noch gar nicht gesagt), KÖNNEN die von mir genannten Aspekte problematisch sein bzw. für Schwierigkeiten sorgen. MÜSSEN sie aber nicht.

Deswegen würde ich erstmal unbedingt deinem Traum weiter nachgehen, Medizin zu studieren. Meiner Erfahrung nach ist es bei psychischen Erkrankungen im Allgemeinen, und bei bipolaren Störungen im besonderen, sehr von Vorteil wenn man einen Beruf ausübt, für den man sich begeistern kann, der einem Freude bereitet, in dem man genau in seinem Element ist.

Bei mir hat es lange gedauert bis ich das richtige Berufsfeld für mich gefunden hatte. Und nach einer abgebrochenen Ausbildung und einem abgebrochenen Studium, stieß ich dann auf den perfekten Studiengang. Und da gings dann zum ersten Mal im Bezug auf Studium/Beruf rasant bergauf, und gleichzeitig gings mir auch gesundheitlich langsam immer besser. Ich bin mir absolut sicher dass das maßgeblich zu meiner heutigen Stabilität beigetragen hat.

Darüber hinaus: bipolare Störungen werden häufig mit Eigenschaften wie Kreativität assoziiert. Tatsächlich geht die Erkrankung nicht NUR mit negativen Auswirkungen einher, sondern auch mit Stärken und Fähigkeiten die nutzbar gemacht werden können. Auch beruflich, und für das Studium. Dadurch habe ich für mich zum Beispiel meine Leidenschaft und Begabung für die ethnographische Forschung gefunden.

Selbst wenn du also bipolar sein solltest ist das erstmal also keineswegs das Ende, auch nicht für deinen Traum vom Medizinstudium!

Und du musst ja auch nicht sofort im ersten Semester entscheiden welchen Facharzt du machen willst, wohin es am Ende gehen soll. Deswegen studier einfach drauf los, und mit der Zeit siehst du ja ob und wie stark die Erkrankung dich, dein Studium, und deinen Alltag beeinträchtigt.

Und daran machst du dann aus, welche Fachrichtung und Arbeitsform (Klinik/Praxis etc.) am besten zu dir und deiner Situation passt.

Je nachdem wie es läuft wird es dann am Ende vielleicht doch nicht die Chirurgie.

Grundsätzlich besteht auch zumindest die Möglichkeit , dass du zunächst in die Chirurgie gehen (und somit zumindest für längere Zeit im Krankenhaus arbeiten) kannst, aber dann irgendwann die Fachrichtung wechseln musst weil es nicht mehr geht.

Wäre dann zwar vielleicht enttäuschend dass der Chirurgie-Traum nicht ganz in Erfüllung gegangen ist, aber mit solchen Erkrankungen gehen leider immer auch einige Kompromisse einher, die man eingehen muss, Anpassungen des Lebens und der eigenen Erwartungshaltungen, mit denen man rechnen muss.

Dementsprechend muss man sich anpassen, eben das nehmen, was man kriegen kann, das tun, was man schaffen kann. Und dein Wunsch Menschen zu helfen kann auf verschiedene Arten wahr werden.: Dafür muss man kein Chirurg sein, das können auch andere Fachärzte 😶

Ich drücke dir jedenfalls die Daumen was die Diagnostik betrifft und hoffe, dass du den Weg zum Medizinstudium findest und deinen Traum erfüllst.

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Humanmedizin kannst Du sicherlich studieren. Aber für eine spätere Facharztausbildung zum Chirurgen sollte - falls gegeben - die bipolare Störung erfolgreich behandelt worden sein. Andernfalls wäre das Risiko zu groß.

Tadokiarika  05.12.2021, 01:15

Was genau wäre da ein "zu großes Risiko"?

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