Blickwechsel 11. März 2021
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Glauben Buddhisten an Geister, Engel oder Dämonen?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Diese Frage ist nur bedingt beantwortbar. Der Grund ist, dass die Begriffe: Geist, Engel, Dämon, Himmel & Hölle aus dem Christentum & Judentum stammen. Eigentlich tun sie noch nicht einmal das. Denn sie sind eigentlich nur althochdeutsche Übersetzungen von hebräischen & altgriechischen Wörtern aus der Bibel. Jetzt musst du wissen, dass die indischen Sprachen des Buddhismus (Pali, Sanskrit, Ardhamaghadi, Magada & Prakrit) kaum Verwandtschaft mit dem Althochdeutschen & Altgriechischen haben. Zum Hebräischen besteht sogar gar keine Verwandtschaft.

Jetzt kam der Buddhismus Mitte des 19 Jahrhunderts langsam nach Europa. Die ersten Übersetzungen in europäische Sprache, waren noch nicht sehr sorgfältig. Man war überhaupt froh, wenn man damals einen Übersetzer finden konnte. Demnach wurden die Begriffe des Judentums & des Christentums einfach auf die Begriffe des Buddhismus (& Hinduismus) übertragen. Wenn man heute Übersetzungen buddhistischer Schriften liest, dann tauchen in der Tat die Begriffe Geist, Engel, Dämon, Himmel & Hölle auf. Wenn man sich aber mit den Wörtern dahinter beschäftigt, sind diese Übersetzungen sehr fragwürdig.

Bspw.: Ein Geist im Buddhismus (Pali: Preta) hat nur teilweise etwas zu tun mit einem Geist, wie er hier in Europa verstanden hat. Ein Geist nach abendländischer Vorstellung ist das Überbleibsel eines Menschens, der nach dem biologischen Tod noch auf der Erde bleibt, aber wegen seiner Körperlosigkeit unsichtbar ist. Nach buddhistischer Vorstellung gibt es kein Überbleibsel des Menschen. Ein "Geist" nach buddhistischer Vorstellung ist ein neuer Existenzzustand, welcher nach dem Tod durch Reinkarnation erreicht werden kann. Er lebt zwar auch auf der Erde & ist für die meisten Menschen unsichtbar, aber nicht weil er keinen Körper hat. Man kann ihn deshalb nicht wahrnehmen, da er auf einer anderen Frequenz existiert. Bspw. können Menschen bestimmte Dinge nicht hören, welche in einer zu hohen Tonlage ist sind. Bei Farben ist es genauso, weshalb wir Ultraviolett & Infrarot nicht sehen können. Um noch ein weiteres Beispiel zu nennen: Der Himmel im Christentum beschreibt einen schönen Ort an den man in diesem Leben nicht gelangen kann. Auch im Buddhismus gibt es schöne Orte an die man in diesem Leben nicht gelangen kann. Mit der Vorstellung eines christlichen Himmels haben diese ansonsten aber kaum etwas zu tun.

Die kurze Antwort ist: Es gibt im Buddhismus Phänomene, welche Gemeinsamkeiten haben zu den Phänomenen Geist, Hölle, Himmel, Dämon & Engel. Sie sind aber nicht mit diesen gleichzusetzen.

Wenn dich ein bestimmter Begriff genauer interessiert, dann frage noch einmal speziell danach.

Von Experte Bodhgaya bestätigt

Ergänzend zu den Ausführungen von Bodhgaya möchte ich noch einen Punkt bringen, den ich persönlich für wichtig halte: Der historische und lokale Kontext.

Jede Lehre entsteht zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort in einem bestimmten Kontext und richtet sich an eine bestimmte Zuhörerschaft.

Es ist also völlig normal, wenn in buddhistischen Texten manche Dinge vorkommen, mit denen wir ohne Hintergrundwissen womöglich nur wenig anfangen können

Ein Beispiel:

Bei seiner Verbreitung verbot der Buddhismus nicht die Ausübung der vorher vorhandenen religiösen Bräuche, sondern gab ihnen eine buddhistische Bedeutung

So wurden die schlangenartigen Wassergottheiten (Nagas) oder Wettergottheiten, z.B. als "Schützer der Lehre" in die Schriften aufgenommen.

Die einfache Bevölkerung konnte also weiterhin zu ihren Quellgöttern beten und gleichzeitig die Lehre des Buddha aufnehmen.

Jetzt kommt der Punkt:

Haben diese Wesen irgendeine Relevanz für die Lehre des Buddha? Nein, das ist asiatischer Lokalkolorit und Volksglaube und kein zentraler Lehrinhalt.

Deshalb ist es durchaus fragwürdig, wenn westliche Buddhisten einfach irgendwelche Bräuche übernehmen, ohne sie zu hinterfragen.

Natürlich kann man es modern deuten und sagen: Die Rituale für die Naturgötter drücken unseren Respekt für die Umwelt aus. Okay, kann man so machen.

Aber einfach etwas nachmachen und asiatischer Gruselgeschichten unreflektiert weitererzählen? Das sollte nicht der Fall sein.